Roboterautos

Google: Es wäre dumm, die Autobauer zu kopieren

Google will die Autobauer nicht kopieren, sondern mit ihnen kooperieren, um autonome Fahrzeuge zu entwickeln. Googles Auto-Projektchef Chris Urmson erklärte im Rahmen der IAA, wie er sich die Zukunft des Fahrens vorstellt.
Von dpa / Marie-Anne Winter

Sein kleines Roboterauto schickte Google nicht zur IAA nach Frankfurt - aber den Projektchef Chris Urmson. Er sprach mit der Deutschen Presse-Agentur am Rande der Automesse unter anderem über die Entscheidung, ganz auf Lenkrad und Pedale zu verzichten, und warum Google nicht selbst zum Hersteller werden wolle.

Andrej Sokolow (dpa): Herr Urmson, Sie betonen häufig, Google wolle kein Autobauer werden, sondern Fahrzeuge in Kooperation mit der Autoindustrie entwickeln. Was sollte man sich darunter vorstellen: Chris Urmson erklärt das Google-Auto Chris Urmson erklärt das Google-Auto
Bild: dpa
Ein kompletter Bauplan, nach dem die Hersteller fertige Wagen produzieren können - oder könnten Sie auch einzelne Funktionen vermarkten, wie etwa Auswertung von Sensor-Daten?

Chris Urmson: Wir sind noch dabei, es herauszufinden. Wir wissen, dass es Unternehmen gibt, die seit 100 Jahren Autos bauen. Es wäre dumm von uns, wenn wir versuchen würden, sie zu kopieren. Diese Firmen machen einen großartigen Job, sie kennen ihre Kunden. Und ich denke, dass es für uns der richtige Weg ist, mit ihnen zusammenzuarbeiten - um festzulegen, wie die Autos sein sollten und die nächste Phase der Mobilität einzuläuten.

Ein ganz neues Verkehrskonzept

dpa: Daimler-Chef Dieter Zetsche sagte vor kurzem, für ihn sei denkbar, dass man in Gemeinschaftsunternehmen mit Tech-Firmen wie Google Fahrzeuge entwickelt, die von der Autobranche dann gebaut werden. Wäre das für Sie ein attraktives Modell?

Urmson: Daimler ist eine großartige Marke und Mercedes war schon immer an vorderster Front bei Fahrassistenzsystemen. Eine Partnerschaft mit ihnen wäre für uns sehr interessant. Wie genau dabei die Struktur sein könnte, darüber müsste man an einem gewissen Punkt reden.

dpa: Sollte man davon ausgehen, dass Google eigentlich kein einzelnes selbstfahrendes Auto entwickeln, sondern eher ein ganzes automatisiertes neues Verkehrskonzept für Städte?

Urmson: Ich denke, heute trifft das so nicht zu. Wir sehen, dass die Technologie - wenn sie erst einmal robust funktioniert - ein enormes Potenzial für neue Formen von Mobilität hat. Gerade bei uns in den USA ist der öffentliche Personen-Nahverkehr nicht so, wie er sein sollte. Aber wir sind noch nicht an dem Punkt angelangt, an dem wir ein neues Verkehrs-System entwickeln.

Autos ohne Lenkrad

dpa: Wir schwer fiel Ihnen der radikale Schritt, bei ihrem eigenen selbstfahrenden Fahrzeug auf das Lenkrad und die Pedale zum Gasgeben und Bremsen zu verzichten?

Urmson: Es war eine schwierige Entscheidung. Aber wir haben bei Tests unserer selbstfahrenden Fahrzeuge auf Autobahnen festgestellt, wie schwer es den Insassen fiel, sich noch auf den Verkehr zu konzentrieren. Wir mussten uns überlegen, wie wir darauf reagieren. Die offensichtliche Lösung ist, den Fahrer zu beobachten und zur Aufmerksamkeit zu zwingen. Eine Menge Leute arbeiten in diese Richtung. Aber wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, das Leben der Menschen besser zu machen, indem wir die Mobilität verändern. Und dieser Beobachtungs-Ansatz hilft nicht den Leuten, die heute überhaupt nicht Autofahren können, Blinden zum Beispiel. Wir haben das Erlebnis von diesem Ausgangspunkt gedacht. Im Flugzeug haben wir an den Passagiersitzen ja auch keinen Steuerknüppel. Das trifft im Auto genauso zu: Wenn es darum geht, jemanden von A nach B zu bringen, können wir die Symbole des manuellen Fahrens abschaffen.

dpa: Spiegelt die Entscheidung auch wider, dass der Computer gerade in Notsituationen sicherer agiert als der Mensch?

Urmson: Nicht ganz, aber wenn sie in einem Auto sitzen, dass die ganze Zeit von allein alles richtig macht, schwindet Ihre Aufmerksamkeit. Wenn Sie sich dann plötzlich ins Verkehrsgeschehen einschalten müssen, haben Sie nicht den Überblick über die Situation, wie Sie ihn üblicherweise hätten. Chris Urmson von Google auf der IAA Chris Urmson von Google auf der IAA
Bild: dpa

dpa: Angenommen, kein Autobauer nimmt Ihr Kooperationsangebot an. Und Sie haben irgendwann dieses marktreife System für eine autonome Mobilität - würde Google es sich dann überlegen und doch noch selbst zum Hersteller werden?

Intensive Gespräche

Urmson: Ich sehe die Ausgangssituation der Frage so nicht. Wir sprechen intensiv mit Autoherstellern und so viele von ihnen denken vorausschauend, sehen die Herausforderungen, die vor uns als Gesellschaft liegen. Viele - wenn nicht alle - erkennen, dass das Verkehrswesen sich verändern muss.

dpa: Bei den kleinen Unfällen, in die vom Computer gesteuerte Google-Autos verwickelt waren, lag die Schuld bei den menschlichen Fahrern in den anderen Fahrzeugen. Steht uns eine stressige Übergangszeit bevor, weil es eine Herausforderung ist, wenn sich Computer und Menschen die Straße teilen?

Urmson: Ganz sicher nicht, nein. In den Unfall-Situationen spielte keine Rolle, dass die Autos autonom fuhren, sie verhielten sich genauso wie herkömmliche. In drei Fällen standen unser Auto und der Wagen hinter uns - und dann fuhr der Fahrer des hinteren Fahrzeugs plötzlich los.

Auf der nächsten Seite lesen Sie, welche ethischen Fragen noch beantwortet werden müssen, was die größten Herausforderungen beim autonomen Fahren sind und ob sich Chris Urmson lieber in ein Taxi mit menschlichem Fahrer oder in ein Google-Auto setzt.

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