Editorial: Gut verbuddelt
Streit um Kabelverlegung in Stolpe
Foto: Picture Alliance / dpa
Schilda ist in Stolpe auf Usedom derzeit ganz nah. Nein, die Bürger
versuchen dort nicht,
Sonnenlicht ins fensterlose Rathaus zu tragen.
Aber sie hätten gerne eine Glasfaserleitung - also Licht - zum bereits
fertig gebauten Mobilfunkmast verlegt. Ohne die Datenleitung ist der
Mast nämlich nutzlos.
Die Deutsche Telekom und der zuständige Landkreis Vorpommern-Greifswald streiten sich nun aber schon seit Jahren darum, wie tief das Kabel verlegt werden muss. Der Landkreis würde das Kabel in einem 250 Meter langen Abschnitt entlang der Kreisstraße 44 gerne in einer Tiefe von einem Meter verlegt wissen, die Telekom hält 60 Zentimeter für genug. Der Streit konnte nicht im Gespräch gelöst werden, der Landkreis lehnte den Bauantrag daher ab und die Sache liegt jetzt vor Gericht.
60 Zentimeter gelten in Norddeutschland als die übliche Frosttiefe: Bis zu dieser Tiefe kann der Boden während eines harten Winters gefrieren. Bauwerke - und dazu gehören natürlich auch Straßen - die weniger tief gegründet sind, können dann Schaden nehmen, wenn sich von der Seite her der Frost unter das Bauwerk schiebt. Zwar werden Straßen mitnichten 60 cm dick gebaut. Aber es wird zumindest unter stark befahrenen Straßen zunächst der Erdboden abgetragen und dann eine entsprechend dicke Sandschicht ausgebracht, aus der das Wasser ablaufen kann. So wird verhindert, dass dort Wasser gefriert, sich ausdehnt und dann die Straße beschädigt.
Für moderne Telekommunikationskabel bzw. moderne Leerrohrsysteme, in die solche Kabel gelegt werden, ist die Gefahr der direkten Beschädigung durch Frost hingegen sehr gering. Die Kabel bzw. Rohre sind dafür inzwischen ausreichend elastisch. Auf der im Meer gelegenen Insel Usedom wird es zudem im Winter weniger kalt als im Durchschnitt Norddeutschlands. Zusammen mit den Folgen des Klimawandels sollten daher 60 cm Tiefe mehr als genug sein, um Beschädigungen an der Signalleitung der Stolpener Basisstation zu verhindern.
Straßenneubau
Streit um Kabelverlegung in Stolpe
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Der einzige Fall, dass die Verlegetiefe von nur 60 Zentimetern
zu Problemen führen kann, ist daher, wenn bei Straßenbauarbeiten
entsprechend tief gegraben wird. Bei der alle paar Jahre üblichen
Erneuerung des Straßenbelags wird das sicher nicht passieren, aber
bei einer Straßenverbreiterung oder dem Neubau einer Einmündung
natürlich schon.
Nun regelt § 68 TKG, dass derjenige, der Glasfaserleitungen weniger tief als üblich verlegt, die durch eine mögliche wesentliche Beeinträchtigung entstehenden Kosten [...] übernimmt. Würde bei der genannten Kreisstraße 44 also der Fall eintreten, dass zum Beispiel wegen einer Abzweigung zwischen 60 und 90 Zentimeter tief gegraben werden muss (bei einer Grabungstiefe von 100 Zentimetern wäre die Leitung ja auch bei "ordnungsmäßiger" Verlegetiefe trotzdem im Weg), dann muss die Telekom die Leitung vorab auf eigene Kosten tieferlegen oder die Mehrkosten bei den Straßenbauarbeiten übernehmen.
Streit um des Kaisers Bart
Somit ist eigentlich alles geregelt. Dennoch geht die Sache vor Gericht, wohl nicht nur in Stolpe. Ein Grund dafür mag die gefühlte Sonderregelung zugunsten der Telekom sein: Während die Landkreise für alle ihre eigenen Leitungen die offizielle Mindestverlegetiefe von mindestens einem Meter einhalten müssen, muss die Telekom nur ungefähr halb so tief graben. Dafür gibt es allerdings gute Gründe: Wasser- und Abwasserleitungen sind schon aufgrund des transportierten Mediums vielfach frostgefährdeter. Und bei Gas- oder Stromleitungen ist das Gefahrenpotential ungleich höher als bei Telekommunikationsleitungen, wenn diese durch frostbedingte Verwerfungen in den oberen Bodenschichten reißen. Von daher ist es schon in Ordnung, wenn periphäre Glasfaserkabel nicht ganz so gut gesichert werden wie andere Leitungen.
Auf der anderen Seite stellt sich aber auch die Frage, warum die Telekom die Kabel nicht einfach ein paar Zentimeter tiefer verlegt. Solange der Streit vor Gericht andauert, hat die Telekom einen ganzen Mobilfunkmast als totes Kapital in den Büchern. Die Kosten für die zusätzlichen 40 Zentimeter Grabungsarbeiten dürften niedriger sein als die Kapitalzinsen für den ungenutzten Mast. Aber vielleicht liegt der Telekom gar nicht so daran, diesen Mast auch in Betrieb zu nehmen, weil sie dazu ja nochmals in die aktive Mobilfunktechnik investieren muss, die sie möglicherweise in einer kleinen Gemeinde wie Stolpe nie refinanzieren kann, auch trotz der Urlauber, die jedes Jahr kommen. So hat die Telekom mit dem Bau des Mastes "Guten Willen" gezeigt und macht bei der Prüfung der Versorgungsauflagen gegenüber der Bundesnetzagentur geltend, dass in Stolpe nicht zögerlicher Netzausbau, sondern (aus ihrer Sicht) illegalerweise verweigerte Genehmigungen schuld an der aktuellen Situation sind.
So lange die Telekom und die Behörden miteinander Schwarzer Peter spielen, haben die Nutzer das Nachsehen: Stolpe bleibt im 4G-Funkloch.