Glasfaserausbau: Rückschlag für EWE und Telekom
Ausgiebig hatte Kartellamtspräsident Andreas Mundt die Zusammenarbeit von Telekom und EWE geprüft und dann erlaubt. Vodafone und Deutsche Glasfaser klagten dagegen.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Beim gemeinsamen Internetausbau mit Highspeed-Glasfaser im Nordwesten Deutschlands bekommen die Deutsche Telekom und der Regionalanbieter EWE starken Gegenwind. Das Bundeskartellamt hatte dem Gemeinschaftsunternehmen der beiden Firmen Ende 2019 die Freigabe erteilt - ihr Schulterschluss brachte die Konkurrenz unter Druck. Nach einer Beschwerde von Vodafone und Deutsche Glasfaser hob das Oberlandesgericht Düsseldorf die Freigabe des Kartellamts am Mittwoch auf. Aus Sicht des Gerichts war die damalige Begründung für die Freigabe "nicht tragfähig (Aktenzeichen: VI-Kart 5/20 V).
Rückschlag beim Netzausbau in Deutschland?
Ausgiebig hatte Kartellamtspräsident Andreas Mundt die Zusammenarbeit von Telekom und EWE geprüft und dann erlaubt. Vodafone und Deutsche Glasfaser klagten dagegen.
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Im internationalen Vergleich steht Deutschland in Sachen "flächendeckendes schnelles Internet" nur mittelprächtig da. Die Netzbetreiber - vor allem die Telekom - verstärkten zuletzt aber ihre Investitionen in Glasfaser-Verbindungen. Vor allem auf dem Land ist das eine teure Sache. Um die Kosten stemmen zu können, übten sich der Bonner Konzern und der Oldenburger Anbieter EWE im Schulterschluss - als das Joint Venture Glasfaser Nordwest aus der Taufe gehoben wurde, sprachen Branchenexperten davon, dass dieser Zusammenschluss Modellcharakter für andere Regionen haben könnte. Nun bekommt der bereits laufende gemeinsame Ausbau einen Dämpfer.
Telekom und EWE geben nicht auf
Für die Telekom und EWE ist das zwar eine schlechte Nachricht, aber nicht das Aus für das Gemeinschaftsunternehmen. Denn als sicher gilt, dass der Fall vor dem Bundesgerichtshof landet - und zwar in Form einer sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde. Sollte diese Beschwerde scheitern und das Urteil rechtskräftig werden, hätte das Kartellamt fünf Monate Zeit, um eine neue Entscheidung zu fällen. Möglich wäre, dass die Bonner Behörde auch im zweiten Anlauf Ja sagt, hierfür aber stärkere Verpflichtungen von EWE und der Telekom verlangt. Möglich wäre auch, dass doch noch ein Nein aus Bonn kommt.
Es geht um das Marktgebiet der EWE, also vor allem um große Teile Niedersachsens - ein Gebiet nördlich von Osnabrück bis vor die Tore Hamburgs. Außerdem geht es um Teile des nördlichen NRW. Die Auflagen des Kartellamts von 2019 sehen vor, dass das Gemeinschaftsunternehmen Glasfaser Nordwest Wettbewerber auf sein Netz lässt. Außerdem müssen recht hohe Investitionen gestemmt werden. Diese Zugeständnisse konnten die Konkurrenten aber nicht besänftigen - sie zogen vor Gericht und setzten sich dort vorerst durch.
Kartellamt bedauert Beschluss
Ein Sprecher des Kartellamts erklärte, man nehme den Beschluss "mit Bedauern zur Kenntnis". Nach Einschätzung seiner Behörde komme es durch die Verpflichtungszusagen und die wettbewerblichen Leitplanken "zu Verbesserungen auf den Telekommunikationsmärkten in der betroffenen Region und auch im ländlichen Raum".
EWE und Telekom wollen an dem Gemeinschaftsunternehmen festhalten. Die Firma Glasfaser Nordwest verschickte am Mittwoch einen Brief an Kommunen, in dem es heißt: "Der Beschluss hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Bestand der Glasfaser Nordwest oder den Glasfaserausbau vor Ort." In allen Ausbaugebieten würden die Baumaßnahmen wie geplant ausgeführt.
Vodafone erleichtert
Für Erleichterung sorgte das Urteil hingegen bei Vodafone. Man begrüße den Gerichtsbeschluss, sagte ein Vodafone-Sprecher. Die Auflagen des Kartellamts von 2019 reichten nicht aus, "um die dadurch entstehenden Wettbewerbseinschränkungen auszugleichen". "Die Kooperation in seiner jetzigen Form bremst den Glasfaserausbau im Nordwesten aus, anstatt ihn zu beschleunigen." Andere Firmen, die doch eigentlich investieren sollten, würden abgeschreckt.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Das klagende Unternehmen Vodafone hat kürzlich seine Glasfaserausbau-Aktivitäten reduziert, weil es im eigenen zusammengekauften Netz genügend "Baustellen" gibt und Baukapazitäten (und wohl auch Gelder) fehlen. Beispielsweise klagen Koaxkabel-TV-Kunden regelmäßig über Internet-Geschwindigkeits-Einbrüche zur TV-Hauptsendezeit am Abend, wenn die teilweise in die Jahre gekommenen TV-Kabel-Cluster unter der Last der Nutzer zusammenbrechen. Vodafone verdichtet sein Netz, in dem die Internet- und TV-Signale per echter Glasfaser zu den Verteilknoten gebracht werden, wovon es dann mit Koax-Kabel weiter geht. Außerdem werden mehr Verteilerknoten zusätzlich aufgebaut werden, die dann pro Knoten weniger Nutzer und somit weniger Last haben.
Die Deutsche Glasfaser hat gerade den Mitbewerber inexio geschluckt und ist dank potenter Investoren gut im Rennen und hat Ausschreibungen z.B. in Rheinland-Pfalz gewonnen, alle Kapazitäten sind mehr als ausgelastet. Wollen sie jetzt im Norden auch bauen oder nur die Telekom am schnellen Netzausbau hindern?
Wenn es mit dem Netzausbau endlich vorwärts gehen soll, sind solche jahrelangen Klageverfahren absolut kontraproduktiv. Schon möglich, dass bei einigen Anbietern im Wettbewerb "Panik" ausgebrochen ist, weil die Deutsche Telekom alleine oder mit großen Verbündeten jetzt richtig massiv in Bewegung kommt und mehr Glasfaser baut, als Skeptiker je geglaubt haben.
Kann gut sein, dass - je nach Wahlausgang - eine künftige Regierung in den Festnetz-Ausbau regulierend eingreifen wird, damit es endlich schneller in die Fläche geht und dass endlich gebaut und nicht nur endlos geklagt wird.
Viele WLAN-Radios werden jetzt zum Ärger der Kunden zum Elektroschrott.