VATM: Wie 5G und Glasfaser schneller aufs Land kommen
Auf Einladung des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) diskutierten der Vodafone Deutschland CEO, Dr. Hannes Ametsreiter und Thorsten Dirks (CEO Deutsche Glasfaser) am Donnerstag online über wichtige Guidelines für eine bessere Telekommunikationspolitik. teltarif.de war dabei.
Schlüsselthema: Digitalisierung
Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin ist die Digitalisierung des Landes, also der Ausbau von Gigabit-Festnetz- und 5G-Mobilfunk eines der Schlüsselthemen.
Für den bundesweiten Glasfaser-Ausbau liegt längst ausreichend privates Geld bereit. Jetzt muss die Bürokratie beseitigt werden
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„Es gibt ein Windhundrennen der Investoren gerade im ländlichen Bereich – das hat es in Deutschland noch nie gegeben. Die Politik muss dies klug nutzen und gezielt die Voraussetzungen für einen deutlich beschleunigten Ausbau verbessern“, appellierte VATM-Präsident David Zimmer und ist vorsichtig optimistisch: „Mit einer modernen Politik können wir den Gigabit-Ausbau bis 2030 – vielleicht sogar etwas früher – geschafft haben“.
"Reboot für Germany"
Vodafone-Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter empfiehlt einen "Reboot für Germany". Die richtige digitale Infrastruktur ist die Basis für unsere Zukunft. Wir befinden uns gerade in einem Umbruch von einer Industrie- in eine Wissens- und Datengesellschaft. Dabei darf Europa nicht zu einer Datenkolonie von den USA und China werden. Es ist jetzt notwendig, eine führende Rolle einzunehmen“. Ametsreiter und Thorsten Dirks, inzwischen CEO der Deutsche Glasfaser Unternehmensgruppe, diskutierten etwa eine Stunde mit Dieter Zimmer unter der Leitung des Journalisten Christoph Keese über die Leitplanken für eine bessere Telekommunikationspolitik. Wichtigster Treiber des Gigabit-Ausbaus bleibe der Wettbewerb, davon sind Ametsreiter, Dirks und Zimmer überzeugt.
Sie verweisen auf eine deutlich veränderte Investitionssituation in Deutschland. „Anders als noch vor zwei Jahren erlebt der Glasfaserausbau gerade auf dem Land aktuell eine große Dynamik. Investoren werden in den nächsten Jahren mehr als 30 Milliarden Euro in den Ausbau stecken: Investitionsmittel stehen also mehr als genügend zur Verfügung“, betonte Dirks.
Zwei Drittel bereits Gigabit-fähig?
Zimmer zitierte die aktuelle TK-Marktstudie von Dialog Consult und VATM. Zwei Drittel aller Haushalte könnten bereits "Gigabit-fähige" Anschlüsse buchen. Es seien noch nie so viele Glasfaseranschlüsse wie 2021 gebaut worden, insgesamt zu 90 Prozent ohne Fördermittel des Bundes.
Der Investitionshorizont der Anleger habe sich verändert. Auf dem Land gebe es meist noch gar nichts, somit seien die Chancen für sichere und gut planbare Investitionen am größten.
Eigenwirtschaftlich schneller und günstiger?
Mit der bisherigen Förderung und eine auf drei Jahre begrenzten Sichtweise, werde die Schließung der grauen Flecken bis zum Jahre 2030 nicht gelingen. Eigenwirtschaftlicher Ausbau sei zwei bis drei Jahre schneller und auch noch preiswerter als zeitraubende Markterkundungs-, Ausschreibungs- und Genehmigungsverfahren.
Viele Gebiete würden künstlich zu Fördergebieten, die völlig problemlos (ohne Förderung) in vier oder fünf Jahren ausbaubar wären, aber eben nicht innerhalb von drei Jahren, so Zimmer.
Keine Fördergelder mehr!
Hannes Ametsreiter (Vodafone) fordert einen "Reboot" für Deutschland
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Der allgemeine Tenor: "Wir brauchen kein Fördergeld mehr". Noch mehr Förderung sei in ein volles Glas immer mehr Milch zu gießen. Man könne nicht schneller bauen – nur teurer.
Wo es ohne Förderung nicht klappt, müsse klug priorisiert werden. Wir sollten möglichst dort zuerst bauen, wo der Bedarf bei den Bürgerinnen und Bürgern am größten ist“, forderte Dirks.
Bürokratie abbauen
Die Forderung sei, die Genehmigungsbürokratie drastisch zu vereinfachen und beim Ausbau alternative Methoden wie "Mindertiefe" oder Trenching endlich klar zu erlauben.
Derzeit wird eine DIN-Norm für die neuen Ausbauverfahren erarbeitet, die vieles erleichtern dürfte.
Digitale Antrags-Verfahren
Ametsreiter und Dirks forderten bundesweit harmonisierte und digitalisierte Antrags- und Genehmigungsverfahren für den Mobilfunk und für das Festnetz. So könnten trotz begrenzter Baukapazitäten mehr Kilometer geschafft und mehr Häuser angeschlossen werden können. Die Zusammenarbeit mit den Kommunen ist von größter Bedeutung. Bürokratische Hindernisse sollen abgebaut und die Verwaltung digitalisiert werden.
„Bei der Dauer von Genehmigungsverfahren müssen wir von teils zwei Jahren auf sechs Monate runterkommen“, forderte Ametsreiter. Dirks ergänzt: „Zum Beispiel hier kann das Geld deutlich besser in die Digitalisierung der Verwaltung gesteckt werden als in überflüssige Förderung.“ Ametsreiter könnte sich vorstellen, das Mobilfunksendestationen sofort ohne weitere Vorabgenehmigung gebaut werden dürfen und danach "abgenommen" werden. Das würde vieles beschleunigen.
Ausbaukataster erstellen
Offenbar fehlt ein bundesweites Ausbaukataster, d.h. eine Datenbank, wo möglichst alle verlegten Leitungen möglichst genau exakt eingetragen sind. Somit könne vermieden werden, dass bei späteren Ausbauten oder Reparaturen Leitungen unabsichtlich zerstört werden.
Noch immer haben viele Kommunen große Vorbehalte gegenüber "minimalinvasiven Bauverfahren", die für Glasfaserkabel die Bürgersteige nicht mehr 70 Zentimeter, sondern nur etwa 45 Zentimeter tief aufgraben müssen.
Die Forderung ist klar: „Wir müssen wieder eine Nation der Macher werden und uns mehr um die Umsetzung kümmern.“
Mobilfunk von Deutscher Glasfaser?
Thorsten Dirks ist nach einem kurzen Ausflug mit der Lufthansa wieder in der TK-Branche gelandet
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Der neue CEO der Deutschen Glasfaser, Thorsten Dirks, begann seine Karriere beim Mobilfunk-Anbieter E-Plus und wurde nach der Fusion der erste Chef der neuen Telefónica-o2, bevor er einen Abstecher in die Luftfahrt zu Eurowings und Lufthansa unternahm.
Inzwischen ist er wieder in der TK-Branche zurück. Viele Anbieter setzten auf Fixed-Mobile-Integration (FMC) als die Verbindung von Festnetz und Mobilfunk-Angeboten. Mobilfunkangebote für Kunden der Deutschen Glasfaser seien aber derzeit nicht geplant, grinste Dirks auf die Frage von teltarif.de. Aber wenn die Kunden das vermehrt nachfragen sollten, könne er "beim Hannes" (gemeint ist Hannes Ametsreiter von Vodafone) "oder einem anderen hier" (gemeint im VATM-Verband) mal nachfragen, ob man gemeinsam was machen könne.
Die Markstudie des VATM, an der auch teltarif.de-Gastautor Torsten Gerpott mitgewirkt hat, findet in der Branche große Beachtung.