Breitbandausbau: „Kein Stich mit Kupferkabel zu machen“
Ende November 2020 kündigte der Netzbetreiber BBV Deutschland an, in den kommenden drei bis vier Jahren mindestens 500 Millionen Euro in den Glasfaserausbau investieren zu wollen. Möglich macht dies der Einstieg des britischen Investors Infracapital. Darüber hinaus hat BBV zusammen mit ZTE Deutschland und Primevest Capital Partners die letzte Ausbaustufe in der Kernstadt von Bretten Ende Dezember 2020 erfolgreich abgeschlossen. Die Gesamtinvestition für das Glasfaserprojekt belief sich auf 20 Millionen Euro. Insgesamt wurden dabei über 700 Kilometer Glasfaserkabel verlegt sowie 3800 Haushalte an das Netz angeschlossen. „Das Projekt dokumentiert die erfolgreiche Investitionsstrategie des Primevest Communication Infrastructure Fund, bei der deutsche Versicherungen und Pensionskassen langfristig Kapital bereitstellen, das lokalen Netzbetreibern ermöglicht, Glasfasernetze auszubauen“, erklärt Kersten Walter, Senior Asset Manager bei Primevest Capital Partners.
Deutsche-GigaNetz-Geschäftsführer Soeren Wendler (li.) und Flörsheims Bürgermeister Bernd Blisch gehen gemeinsam den Ausbau eines Glasfasernetzes für die Stadt am Main an
Flörsheim am Main
Mitte Dezember 2020 gründete sich dann in Kiel die TNG Breitbandgruppe. Sie besteht aus der TNG Stadtnetz GmbH, den Rechenzentren- und Softwarespezialisten ennit server GmbH und ennit software GmbH, dem auf Tiefbau und Glasfasernetze spezialisierten Planungsbüro Stadtnetze Nord GmbH sowie aus der glasfaser nord GmbH, ein Experte unter anderem für minimalinvasive Verlegeverfahren für Glasfaser. Die Gruppe will bis 2026 mindestens 500 Millionen Euro in den Glasfaserausbau investieren. Das Geld kommt von der Intermediate Capital Group, die die Mehrheit an der TNG Breitbandgruppe hält. Damit werden neben Ausbauprojekten in Schleswig-Holstein und Niedersachsen auch Vorhaben in Mittelhessen angegangen. Erste Bautätigkeiten stehen hier kurz vor dem Start.
Bereits Mitte des vergangenen Jahres hat sich die Deutsche GigaNetz GmbH gegründet, hinter der der Investor InfraRed Capital Partners steckt. Die Hamburger verkündeten Ende Dezember 2020 eine Kooperation mit Flörsheim am Main. Kommen genügend Haushalte in der Vorvermarktung zusammen, soll ab Sommer 2021 ein Glasfasernetz gebaut werden, das in den kommenden ein bis zwei Jahren fertiggestellt werden soll. „Allen Kunden, die sich vor dem Baubeginn für einen Anschluss entscheiden, verlegen wir diesen kostenlos bis in die eigenen vier Wänden“, wirbt Soeren Wendler, Geschäftsführer der Deutsche GigaNetz, für den Glasfaserausbau.
Förderung für Breitbandausbau ausgeweitet
Martin Fornefeld, Vorsitzender der Geschäftsführung der Micus Strategieberatung, prognostiziert dank verbesserter Rahmenbedingungen an einen Schub für den Glasfaserausbau in Deutschland
Micus Strategieberatung GmbH
Neben privaten Geldgebern will auch der Staat den Glasfaserausbau unterstützen. Noch im ersten Quartal 2021 soll die Graue-Flecken-Förderung an den Start gehen, sodass Gigabit-Ausbauprojekte in Regionen gefördert werden können, in denen weniger als 100 MBit/s zur Verfügung stehen. Ab 2023 fällt dann auch diese Schwelle.
Durch die Graue-Flecken-Förderung kann der Staat weitaus mehr Regionen unterstützen als bisher. „Mit Kupferkabeln ist dann kein Stich mehr zu machen“, sagt Martin Fornefeld, Vorsitzender der Geschäftsführung der Micus Strategieberatung, die selbst etliche Ausbauprojekte begleitet, mit denen insgesamt über 30.000 neue Glasfaseranschlüsse entstehen. „Trotz Corona war die Bautätigkeit für Glasfasernetze im Jahr 2020 so intensiv wie noch nie in Deutschland“, sagt Fornefeld. „Es wird endlich in umfangreichem Maße gebaut.“
Aus seiner Sicht wird auch die TKG-Novellierung die Bedingungen für den Netzausbau verbessern. „So sollen Genehmigungsverfahren beschleunigt werden und es wird klargestellt, dass schnelle Kupfernetze keine Glasfasernetze ersetzen können“, sagt Fornefeld. Auch die Grundsätze der Bundesnetzagentur zur Kostenverteilung bei Mitverlegung von Glasfaser dürften nach Meinung des Breitbandexperten den Ausbau beschleunigen. „Bislang scheiterten Mitverlegungen häufig an abstrusen Preisvorstellungen, die dieses Geschäftsfeld völlig lahmgelegt haben“, sagt Fornefeld. Wenn die Grundsätze in der Praxis Anwendung fänden, würde das den Glasfaserausbau fördern.
Höchste und erste Fördersumme in Bayern
Im Technologiepark Oberpfaffenhofen bietet M-net ab dem Frühjahr 2021 Spitzengeschwindigkeiten bis 10 GBit/s an
M-net
Ein Bundesland, das in Sachen Förderung besonders hervorsticht, ist Bayern. Der Landkreis Cham erhält nun die höchste jemals im Freistaat ausgewiesene Fördersumme. „Wir unterstützen den Landkreis mit 63 Millionen Euro beim Ausbau seines Gigabit-Netzes“, sagt Finanz- und Heimatminister Albert Füracker. Über 14.000 Häuser in 37 Gemeinden werden durch das Projekt an das Gigabitnetz angeschlossen. Die ersten Fördergelder nach der neuen bayerischen Gigabitrichtlinie erhält Sonthofen. Damit 916 Adressen einen Glasfaseranschluss bekommen, schießt die Landesregierung über 1,1 Millionen Euro zu.
Ohne Fördermittel kommt die Münchener Stadtwerketochter M-net in den Gewerbegebieten Oberpfaffenhofen und Neugilching aus. Ab dem Frühjahr 2021 werden hier Glasfaserleitungen verlegt, um den Unternehmen bis zu 10 GBit/s bieten zu können.
Gigabit möchte auch die Kölner Stadtwerketochter NetCologne den Bürgern von Dormagen bringen. Dazu läuft derzeit die Vorvermarktung. Entscheiden sich 40 Prozent der Haushalte für einen Glasfaseranschluss von NetCologne, könnten 5500 Haushalte vom Ausbau profitieren. Insgesamt sollen hier 15 Millionen Euro für den zweijährigen Netzbau investiert werden. Auch wenn Glasfaser teuer ist: Das Geld ist nicht der Flaschenhals.