Verflogen

Editorial: Fehlstart für Galileo

Jahrelange Verzögerungen, Kosten­steigerungen auf das Vielfache, nun ein Raketen­versagen: Galileo kommt nicht aus den Negativ-Schlagzeilen. Was kann die Politik tun?
Von

Extrem auffällig ist auch, wie oft in den vergangenen Jahren die Starts von Navigations­satelliten auf russischen Raketen scheiter­ten. Am 05. Dezember 2010 erreichte eine Proton-Rakete mit drei Glonass-Satelliten nicht den erwünschten (Zwischen-)Orbit, weil die Oberstufe mit zu viel Sauerstoff betankt worden war. Die Rakete war dadurch insgesamt zu schwer. Statt im Weltraum landeten die Glonass-Satelliten im Pazifik.

Editorial: Fehlstart für Galileo Zwei Satelliten für das Navigationssystem Galileo haben ihre geplante Umlaufbahn verfehlt
Bild: dpa
Am 02. Juli 2013 geriet eine russische Proton mit drei Glonass-Satelliten an Bord schon kurz nach dem Start auf Abwege. Statt gen Himmel flog sie für kurze Zeit waage­recht, dann sogar kopfüber zurück zur Erde. Schuld waren verkehrt herum eingebaute Sensoren für die Dreh­beschleunigung. Laut den Unfallermittlern waren die Sensoren mit einem Pfeil versehen, der die Einbau­richtung angab. Zudem soll auch erhebliche Kraftanwendung nötig gewesen sein, um sie überhaupt falsch herum einzubauen.

Von den letzten drei Proton-Starts mit Glonass-Satelliten sind also zwei gescheitert. Normalerweise hat die Proton eine deutlich höhere Zuverlässig­keit. Andererseits waren davor acht andere Starts für Glonass auf einer Proton erfolgreich. Zudem gab es drei weitere Fehl­starts der Proton in den letzten vier Jahren, von denen auch eine andere Nutzlast gleich zweimal betroffen war, nämlich der Kommunikations­satellit AM4 am 17. August 2011 und dessen Ersatz AM4R am 15. Mai 2014.

Schon wieder die Drehmoment-Sensoren?

Vor dem aktuellen Galileo-Fehlstart hatten vier Sojus-Raketen zusammen sechs Galileo-Satelliten erfolgreich ins richtige Orbit gebracht. Die letzten beiden dieser Sojus-Raketen mit zusammen vier Galileo-Satelliten waren unter westeuropäischer Feder­führung von Kourou aus gestartet. Mit über 1 500 erfolgreichen Starts gilt die Sojus als sehr verlässliche Weltraum­rakete. Seit deren letzten Fehlstart Ende 2011 waren über 40 Starts hintereinander erfolgreich.

Besonders auffällig am aktuellen Galileo-Fehlstart ist, dass anfangs vom Start­komplex-Betreiber Arianespace sogar ein erfolgreicher Start samt Aussetzung im richtigen Orbit gemeldet wurde. Erst im Nachhinein offenbarte die genaue Vermessung der Satelliten­bahnen mit Radar das falsche Orbit. Das legt den Schluss nahe, dass die Rakete in ihren Telemetrie­daten an die Kontroll­station das Erreichen des richtigen, gewünschten Orbits gemeldet hatte. Auch scheint von den beiden Beschleunigungs­phasen der Fregat die erste erfolgreich gewesen zu sein, denn eine nicht nur unerhebliche Abweichung in dieser wäre schon während der folgenden, dreistündigen Pause zwischen den beiden Manövern aufgefallen. Diese Pause dient dazu, die gewünschte Höhe von über 23 000 Kilometern zu erreichen. Danach muss sich die Fregat drehen, und erneut das Triebwerk zünden, um eine Bahn zu erreichen, die dauerhaft auf dieser Höhe bleibt. Bei diesem zweiten Manöver erfolgte der Fehler.

Warum das Navigations­system der bewährten Sojus-Oberstufe Fregat sich derart "irrte", wird nun ein Experten­team klären müssen. Insbesondere wird es sich dabei auch der Frage widmen müssen, ob erneut verkehrt herum eingebaute oder anderweitig defekte Beschleunigungs­sensoren eine Rolle spielen. Da die Fregat-Oberstufe über eine von den unteren Stufen der Sojus-Rakete unabhängige Steuereinheit verfügt, würde ein Fehler der Fregat sich rein auf deren Teil der Mission auswirken. Da zudem während der ersten Zündung die Fregat im Wesentlichen in der schon von der Sojus-Rakete vorgegebenen Richtung weiter­beschleunigt, und erst vor der zweiten Zündung die Brenn­richtung wesentlich geändert wird, könnte sich ein Fehler in der Navigations­plattform auch rein auf die zweite Zündung auswirken.

Nochmal innehalten und überdenken?

Die genaue Fehlerursache wird, wie bereits geschrieben, das Expertenteam klären. Das Galileo-Konsortium wird sich jetzt wahrscheinlich darum bemühen, die erst für die Zukunft geplanten Starts von Galileo-Satelliten mit der Ariane vorzuziehen, oder gar komplett auf die Ariane zu schwenken. Dass dieses, zusammen mit dem Neubau der verlorenen Satelliten, zu weiteren Kosten­steigerungen führt, ist wahrscheinlich. Die Politik sollte sich daher fragen, ob es nicht doch weise wäre, noch einmal innezuhalten, zu schauen, was man bereits erreicht hat, und ob man die weiteren Ziele, mit einer Neuausschreibung nicht günstiger erreichen kann. Dabei ist letztendlich egal, wer die Satelliten liefert und wer sie startet. Wichtig ist nur, dass die EU am Ende die 100 prozentige Kontrolle über die Satelliten erhält!

Weitere Editorials