Editorial: Wie zählt man Funklöcher?
Als Naturwissenschaftler musste ich schmunzeln, dass für das Land Sachsen 13 000 Funklöcher gemeldet wurden. Die hohe Zahl soll natürlich beeindrucken und die in Deutschland leider allgemein schlechte Mobilfunkversorgung anschaulich machen. Nur: Tatsächlich ist zu hoffen, dass die Zahl der Funklöcher noch weiter wächst. Denn: Je engmaschiger ein Netz gestrickt ist - egal, ob Funknetz oder Fischernetz - desto mehr Löcher hat es auch.
Hat ein Mobilfunknetz überhaupt nur eine Basisstation, hat es folglich auch nur ein Funkloch, nämlich das gesamte Gebiet außerhalb der Reichweite dieser Basisstation. Je mehr Stationen man aufstellt, desto kleiner, aber auch zahlreicher, werden die Funklöcher. Zur Veranschaulichung habe ich zwei Graphiken in dieses Editorial eingebunden: Zunächst eine Situation mit sechs Basisstationen A bis F, in deren Mitte sich ein unversorgtes Gebiet befindet. Platziert man dort eine neue Basisstation N, dann sinkt die unversorgte Fläche drastisch. Zugleich steigt aber die Zahl der Funklöcher auf drei.
Beispiel für ein Anordnung von sechs Basisstationen mit einem großen Funkloch in deren Mitte.
Graphik: teltarif.de
Für Sachsen wurde allerdings eine etwas andere Zählweise
für die Ermittlung der Zahl der Funklöcher verwendet: Dazu wurde
das Land zunächst mit einem Sechseckmuster überzogen, und dann
für jedes Sechseck bestimmt, wie gut die Versorgung der
Bevölkerung dort ist: Erreichen weniger als 50% der Einwohner
dort eine ausreichende Datenrate, wird das jeweilige Sechseck
zum Funkloch erklärt. Zwei nebeneinanderliegende unterversorgte
Sechsecke zählen dann auch als zwei Funklöcher, selbst, wenn
man sie sonst als ein zusammenhängendes Loch beschreiben würde.
Der Vorteil dieser Zählweise: Künftiger Netzausbau würde die
Zahl der so gezählten Funklöcher tatsächlich reduzieren.
Die Ergänzung einer zusätzlichen Basisstation N reduziert die rote Funklochfläche deutlich. Die Zahl der Löcher steigt aber von 1 auf 3.
Graphik: teltarif.de
Allerdings ist die Seitenlänge der Sechsecke recht groß
gewählt, die Funklochkarte folglich recht grob. Verfeinert man
die Karte künftig, muss man die Seitenlänge der Sechsecke
reduzieren, und dann wird natürlich die Zahl der unterversorgten
Funkloch-Sechsecke entsprechend zunehmen. Besser wäre es, man
würde die unversorgte Fläche mit einem Flächenmaß wie
4 321 km² oder direkt als Prozentsatz angeben.
Gefährliches Crowdsourcing
Hinzu kommt als Problem, dass die Funklochkarte von der Bundesnetzagentur per Crowdsourcing über die App Breitbandmessung ermittelt wurde. Der Hauptanreiz, diese App zu installieren, ist die Meldung von schlechter DSL- oder Mobilfunkversorgung an die Bundesnetzagentur. Und da kommt es dann schon mal vor, dass der stolze neue Eigenheimbesitzer (robuster Ziegelsteinbau mit Stahlbetondecken am Ortsrand, mit natürlich viel schlechterem Mobilfunkempfang als in den Holzbauten im Ortskern) alle Besucher davon überzeugt, mit ihm die Breitbandmessung auf dem Smartphone durchzuführen. Mit anderen Worten: Es dürfte beim so ermittelten Datenschatz der Bundesnetzagentur eine deutliche Verzerrung hin zu den Problemfällen geben. Entsprechend oft kommentierten Nutzer im Forum, dass Gebiete, in denen sie gute Versorgung haben, dennoch als "Funkloch" gemeldet sind.
Die Funklochkarte der Bundesnetzagentur für Sachsen belegt: Hier haben alle 3 (4) Netzbetreiber noch gigantischen Nachholbedarf.
Grafik: Bundesnetzagentur / Screenshot teltarif.de
Um die Datenqualität zu steigern, sollten solche
Crowdsourcing-Daten daher noch mit eigenen, unter kontrollierten
Bedingungen ermittelten Daten abgeglichen werden. Man kommt
also nicht um Testfahrten herum, und man muss diese neben der
Autobahn auch auf Bundesstraßen und großen wie kleinen
Ortsstraßen durchführen. Durch manuelle Auswertung derjenigen
Test-Sechsecke, in denen sich besonders große Diskrepanzen
zwischen den Crowdsourcing-Daten und den Testfahrten zeigen,
muss man anschließend Methoden entwickeln, mit denen
die Crowdsourcing-Daten zur Verbesserung der Datenqualität
gefiltert werden. Ein Beispiel für eine solche Filterung ist,
wiederholte Messungen an (fast) demselben Standort im Vergleich
zu anderen, verteilten Messungen niedriger zu gewichten.
Experten für die genannte Datenkorrektur werden meist als Datenwissenschaftler oder Data Scientists bezeichnet. Sie werden von so gut wie allen großen Internet-Unternehmen und nicht nur diesen händeringend gesucht. Gute Datenwissenschaftler sind daher noch rarer als gute Informatiker.