Breitbandausbau

Gigabit-Ausbau: Löst Glasfaser die TV-Kabelnetze ab?

In Deutsch­land können unge­fähr sechs von zehn Haus­halten mit Gigabit-Geschwin­dig­keit im Internet surfen, aber nur bei wenigen reicht die Glas­faser bis ins Haus (FTTB/H). Das Gros der Gigabit-Haus­halte hängt am Kabel­netz, das einst fürs Fern­sehen gedacht war. Experten streiten sich, ob das TV-Kabel eine Zukunft hat.
Von Marc Hankmann

In den 1980er-Jahren star­tete das Privat­fern­sehen vom rhein­land-pfäl­zischem Ludwigs­hafen aus seinen Siegeszug durch die deut­schen Wohn­zimmer – und mit ihm der Kabel­anschluss. Die Kabel­netz­betreiber bieten heute neben Fern­sehen und Radio auch einen Zugang zum Internet an. Sie rüsten ihre Koax-Netze für Gigabit-Geschwin­dig­keiten auf. Das geht schneller als der Ausbau mit Glas­faser, denn die Kabel­netz­betreiber können auf Tief­bau­arbeiten verzichten. Dennoch wird an der Zukunfts­fähig­keit des Kabels gezwei­felt. „Wir brau­chen den Infra­struk­tur­wechsel“, sagte Heike Raab, Staats­sekre­tärin und Bevoll­mäch­tigte des Landes Rhein­land-Pfalz beim Bund und für Europa, Medien und Digi­tales, am 26. Januar 2021 auf dem virtuell abge­hal­tenen Gigabit-Sympo­sium, der TK-Verbände ANGA, eco und VATM.

Beitrag der Kabel­netz­betreiber

Vodafone Kabelanschluss Internet Glasfaser Vodafone-Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter zappt durchs TV-Programm. Heute kann man über den Kabelanschluss auch mit Gigabit-Speed im Internet surfen. Soll die Zukunft trotzdem allein der Glasfaser gehören?
Vodafone
Das Problem: Das TV-Kabel­netz ist ein soge­nanntes „shared medium“, d. h., dass sich mehrere Haus­halte quasi eine Leitung und damit die darüber zur Verfü­gung gestellte Band­breite teilen müssen. Will nur ein Nutzer im Internet surfen, steht ihm also die gesamte Band­breite zur Verfü­gung. Wollen das jedoch 100 Nutzer oder mehr, redu­ziert sich die Band­breite entspre­chend. Die Kabel­netz­betreiber begegnen dies mit der Verklei­nerung von „Clus­tern“, also der Anzahl der Haus­halte, die an eine Leitung ange­schlossen ist. Das Prinzip eines „shared medium“ bleibt in den Koax-Netzen jedoch bestehen.

Heike Raab Glasfaserausbau Kabelanschluss Die rheinland-pfälzische Staatssekretärin Heike Raab fordert den Infrastrukturwechsel hin zu mehr Glasfaseranschlüssen
Staatskanzlei RLP/Unger
Die Kabel­netz­betreiber hingegen weisen auf ihren Beitrag zum Breit­band­ausbau hin. Allein Voda­fone hat bereits 22 Millionen Haus­halte Gigabit-fähig ausge­baut. Bis Ende 2022 sollen es 25 Millionen sein. Laut Angaben der ANGA, des Verbands der deut­schen Kabel­netz­betreiber, werden in den nächsten Jahren drei Viertel der deut­schen Haus­halte Zugang zu Gigabit über die Koax-Netze der Verbands­mit­glieder haben. Dafür wird immer mehr Glas­faser in die Netze einge­führt. „Wir verglasen unser gesamtes Kabel­netz“, sagte Michael Jung­wirth aus der Geschäfts­lei­tung von Voda­fone Deutsch­land auf dem Gigabit-Sympo­sium.

"Überbau wäre ein Fehler"

Auch wenn die Kabel­netz­betreiber bemüht sind, den Anteil von Glas­faser­lei­tungen in ihren Netzen zu erhöhen, spre­chen sie lieber von Gigabit- als von Glas­faser­netzen. „Wir müssen von dieser Augen­wischerei wegkommen“, forderte hingegen NetCologne-Geschäfts­führer Timo von Lepel auf dem Gigabit-Sympo­sium. „Es geht um Glas­faser, um Gigabit im Down- und Upstream“. Damit zielt von Lepel auf ein weiteres Merkmal der Koax-Netze ab: die vergleichs­weise geringe Band­breite im Upstream. Immerhin: Jung­wirth sprach auf dem Sympo­sium davon, in sehr naher Zukunft die Upstream-Kapa­zitäten im Kabel­netz von Voda­fone erhöhen zu wollen, ohne weitere Details zu nennen.

Timo von Lepel NetCologne Überbau Glasfaser Kabel NetCologne-Geschäftsführer Timo von Lepel betreibt selbst Kabelnetze, überbaut diese aber mit Glasfaser
NetCologne
Symme­tri­sche Band­breiten im Gigabit-Bereich werden aber erst in einigen Jahren in den Kabel­netzen verfügbar sein. Dafür braucht es die nächste Gene­ration des DOCSIS-Stan­dards. Mit DOCSIS 3.1 errei­chen die Kabel­netz­betreiber bereits jetzt Gigabit-Geschwin­dig­keiten im Down­stream, aber erst mit DOCSIS 4.0 können sie die auch im Upstream anbieten. Die Spezi­fika­tionen sind aber noch kein Jahr alt, weshalb sich kommer­zielle Geräte, die DOCSIS-4.0-kompa­tibel sind, noch in der Entwick­lung befinden.

NetCologne-Chef von Lepel will nicht so lange warten. Er hat bereits damit begonnen, das eigene Kabel­netz mit Glas­faser zu über­bauen. Für die Kabel­netz­betreiber eine Schre­ckens­vor­stel­lung, gegen die sie sich seit Jahren wehren. „Es wäre ein volks­wirt­schaft­licher Fehler, das Kabel zu über­bauen“, warnte Jung­wirth. Für Timo von Lepel liegt indes die Zukunft einzig und allein bei FTTB/H. „Ich kenne kein Rechen­zen­trum, keine Mobil­funk­sta­tion, die mit Koax ange­bunden ist“, sagte er auf dem Gigabit-Sympo­sium.

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