Gigabit-Ausbau: Löst Glasfaser die TV-Kabelnetze ab?
In den 1980er-Jahren startete das Privatfernsehen vom rheinland-pfälzischem Ludwigshafen aus seinen Siegeszug durch die deutschen Wohnzimmer – und mit ihm der Kabelanschluss. Die Kabelnetzbetreiber bieten heute neben Fernsehen und Radio auch einen Zugang zum Internet an. Sie rüsten ihre Koax-Netze für Gigabit-Geschwindigkeiten auf. Das geht schneller als der Ausbau mit Glasfaser, denn die Kabelnetzbetreiber können auf Tiefbauarbeiten verzichten. Dennoch wird an der Zukunftsfähigkeit des Kabels gezweifelt. „Wir brauchen den Infrastrukturwechsel“, sagte Heike Raab, Staatssekretärin und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa, Medien und Digitales, am 26. Januar 2021 auf dem virtuell abgehaltenen Gigabit-Symposium, der TK-Verbände ANGA, eco und VATM.
Beitrag der Kabelnetzbetreiber
Vodafone-Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter zappt durchs TV-Programm. Heute kann man über den Kabelanschluss auch mit Gigabit-Speed im Internet surfen. Soll die Zukunft trotzdem allein der Glasfaser gehören?
Vodafone
Das Problem: Das TV-Kabelnetz ist ein sogenanntes „shared medium“, d. h., dass sich mehrere Haushalte quasi eine Leitung und damit die darüber zur Verfügung gestellte Bandbreite teilen müssen. Will nur ein Nutzer im Internet surfen, steht ihm also die gesamte Bandbreite zur Verfügung. Wollen das jedoch 100 Nutzer oder mehr, reduziert sich die Bandbreite entsprechend. Die Kabelnetzbetreiber begegnen dies mit der Verkleinerung von „Clustern“, also der Anzahl der Haushalte, die an eine Leitung angeschlossen ist. Das Prinzip eines „shared medium“ bleibt in den Koax-Netzen jedoch bestehen.
Die rheinland-pfälzische Staatssekretärin Heike Raab fordert den Infrastrukturwechsel hin zu mehr Glasfaseranschlüssen
Staatskanzlei RLP/Unger
Die Kabelnetzbetreiber hingegen weisen auf ihren Beitrag zum Breitbandausbau hin. Allein Vodafone hat bereits 22 Millionen Haushalte Gigabit-fähig ausgebaut. Bis Ende 2022 sollen es 25 Millionen sein. Laut Angaben der ANGA, des Verbands der deutschen Kabelnetzbetreiber, werden in den nächsten Jahren drei Viertel der deutschen Haushalte Zugang zu Gigabit über die Koax-Netze der Verbandsmitglieder haben. Dafür wird immer mehr Glasfaser in die Netze eingeführt. „Wir verglasen unser gesamtes Kabelnetz“, sagte Michael Jungwirth aus der Geschäftsleitung von Vodafone Deutschland auf dem Gigabit-Symposium.
"Überbau wäre ein Fehler"
Auch wenn die Kabelnetzbetreiber bemüht sind, den Anteil von Glasfaserleitungen in ihren Netzen zu erhöhen, sprechen sie lieber von Gigabit- als von Glasfasernetzen. „Wir müssen von dieser Augenwischerei wegkommen“, forderte hingegen NetCologne-Geschäftsführer Timo von Lepel auf dem Gigabit-Symposium. „Es geht um Glasfaser, um Gigabit im Down- und Upstream“. Damit zielt von Lepel auf ein weiteres Merkmal der Koax-Netze ab: die vergleichsweise geringe Bandbreite im Upstream. Immerhin: Jungwirth sprach auf dem Symposium davon, in sehr naher Zukunft die Upstream-Kapazitäten im Kabelnetz von Vodafone erhöhen zu wollen, ohne weitere Details zu nennen.
NetCologne-Geschäftsführer Timo von Lepel betreibt selbst Kabelnetze, überbaut diese aber mit Glasfaser
NetCologne
Symmetrische Bandbreiten im Gigabit-Bereich werden aber erst in einigen Jahren in den Kabelnetzen verfügbar sein. Dafür braucht es die nächste Generation des DOCSIS-Standards. Mit DOCSIS 3.1 erreichen die Kabelnetzbetreiber bereits jetzt Gigabit-Geschwindigkeiten im Downstream, aber erst mit DOCSIS 4.0 können sie die auch im Upstream anbieten. Die Spezifikationen sind aber noch kein Jahr alt, weshalb sich kommerzielle Geräte, die DOCSIS-4.0-kompatibel sind, noch in der Entwicklung befinden.
NetCologne-Chef von Lepel will nicht so lange warten. Er hat bereits damit begonnen, das eigene Kabelnetz mit Glasfaser zu überbauen. Für die Kabelnetzbetreiber eine Schreckensvorstellung, gegen die sie sich seit Jahren wehren. „Es wäre ein volkswirtschaftlicher Fehler, das Kabel zu überbauen“, warnte Jungwirth. Für Timo von Lepel liegt indes die Zukunft einzig und allein bei FTTB/H. „Ich kenne kein Rechenzentrum, keine Mobilfunkstation, die mit Koax angebunden ist“, sagte er auf dem Gigabit-Symposium.