Datenschutzverordnung

Facebook: Angst vor EU-Daten­schutzverordnung

Das Facebook-Geschäft hat zu Jahresbeginn weiter ungebremst zugelegt. Die Affäre um die Weitergabe von Nutzerdaten an die Firma Cambridge Analytica spielte dabei quasi keine Rolle. Sie wurde erst wenige Tage vor dem Ende des Quartals im März bekannt.
Von dpa / Dominik Haag

Facebook Facebook hat Angst vor der EU-Datenschutzverordnung.
dpa
Facebook rechnet mit einem Dämpfer für sein Geschäft durch die EU-Datenschutzverordnung. Im laufenden Quartal werde die Zahl der monatlich und täglich aktiven Nutzer in Europa voraussichtlich stagnieren oder leicht zurückgehen, erklärte das Online-Netzwerk am Mittwoch. Der Grund sei die Einführung der neuen Datenschutz-Regeln am 25. Mai. Wenn viele Mitglieder die striktesten Einstellungen für mehr Privatsphäre wählen, könne das auch negative Auswirkungen auf Facebooks Werbegeschäft haben. Man sehe aber kein "Weltuntergans-Szenario", sagte Finanzchef David Wehner.

Wachstum statt Abwanderung

Facebook Facebook hat Angst vor der EU-Datenschutzverordnung.
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Gut einen Monat nach Beginn des aktuellen Facebook-Datenskandals präsentierte das weltgrößte Online-Netzwerk zugleich starke Zahlen für das erste Quartal. Das war auch nicht anders zu erwarten: Die Kontroverse um die Weitergabe von Nutzerdaten an die Firma Cambridge Analytica war erst wenige Tage vor Quartalsende entbrannt. Aber auch die Nutzerzahlen im März zeigten Wachstum statt Abwanderung.

Der fast ausschließlich mit Werbung erwirtschaftete Umsatz stieg im Jahresvergleich um 49 Prozent auf 11,97 Milliarden Dollar. Der Gewinn sprang um 64 Prozent auf 4,99 Milliarden Dollar hoch. Die Zahlen übertrafen die Erwartungen der Analysten - die Aktie legte nachbörslich um mehr als sieben Prozent zu.

Neue Gesetze können sich auf die Werbeeinnahmen auswirken

Facebook hatte bereits zuvor wiederholt betont, man habe trotz der Aufrufe zum Verlassen der Plattform keinen bedeutenden Rückgang der Aktivität festgestellt. Das belegt auch die durchschnittliche Zahl täglich aktiver Nutzer im März: Sie lag bei 1,45 Milliarden nach 1,4 Milliarden im Dezember 2017. Damit blieb auch der Anteil täglich aktiver Nutzer an der gesamten Mitgliederzahl wie schon seit Jahren unverändert bei 66 Prozent. Die Zahl monatlich aktiver Nutzer kletterte binnen drei Monaten von 2,13 auf 2,2 Milliarden.

Der erwartete Rückschlag in Europa steht in krassem Kontrast zur Entwicklung der vergangenen drei Monate. Im ersten Quartal stieg die Zahl täglich aktiver Nutzer auf dem Kontinent von 277 auf 282 Millionen und bei den mindestens einmal im Monat aktiven Mitgliedern gab es einen Zuwachs von 370 auf 377 Millionen.

Finanzchef Wehner skizzierte in einer Telefonkonferenz mit Analysten auch, wie die neuen EU-Regeln auf Facebooks Werbegeschäft durchschlagen könnten. Abhängig davon, wie rigoros die Mitglieder die neuen Datenschutz-Instrumente nutzen, könne das die personalisierte Anzeige von Werbung beeinträchtigen. Und wenn die Investitionen von Facebooks Werbekunden dadurch weniger effizient werden, verhielten sie sich anders in den Auktionen um Anzeigenplätze.

Facebooks Ausgaben steigen mehr als erwartet

Die für das operative Geschäft zuständige Top-Managerin Sheryl Sandberg gab sich zugleich gelassen: Die Anzeigenkunden suchten nach der besten Rendite für ihre Werbeausgaben - und hier sei Facebook besser als andere aufgestellt. Zudem sei man überzeugt, dass personalisierte Werbung auch für die Nutzer besser sei.

Sandberg bestätigte zugleich erstmals, dass Facebook über eine Bezahlversion nachgedacht habe - "und wir werden nicht damit aufhören, alles in Erwägung zu ziehen". Zugleich betonte sie aber auch: "Anzeigen passen auf natürliche Weise zu unserem Geschäft" und Facebook sehe da noch großes Potenzial. Facebook machte im vergangenen Quartal pro Nutzer einen Umsatz von 5,45 Dollar mit Werbung. In den USA und Kanada waren es sogar 23,14 Dollar pro Mitglied und in Europa 8,01 Dollar.

Die Geldreserven von Facebook stiegen auf 44 Milliarden Dollar an. Das Online-Netzwerk machte zugleich deutlich, dass die verstärkten Maßnahmen gegen Probleme wie Hassrede und gefälschte Nachrichten mehr kosteten als geplant. Die Ausgaben würden deswegen im laufenden Jahr um 50 bis 60 Prozent steigen statt der in Aussicht gestellten 45 Prozent, sagte Wehner.

"Brustwarzen zu erkennen ist einfacher als Hassbotschaften"

Gründer und Chef Mark Zuckerberg verwies darauf, dass Facebook lernende Maschinen stärker einsetzen werde, um die Plattform sauber zu halten. Dafür müsse die Software aber in vielen Fällen erst den Kontext verstehen könne, was zum Teil noch Jahre dauern könne. "Es ist viel einfacher, ein System auf Basis künstlicher Intelligenz zu entwickeln, das eine Brustwarze erkennt, als sprachwissenschaftlich zu entscheiden, was eine Hassbotschaft ist", sagte Zuckerberg. Er spielte damit auf den häufigen Vorwurf an, Facebook sei schnell beim Entfernen nackter Körper, während extremistische Äußerungen auf der Plattform blieben.

In ungewöhnlicher Offenheit bedauerte Zuckerberg, dass Facebook nicht stärker bei der Entwicklung mobiler Plattformen mitgemischt und das Feld Apple und Google überlassen habe. Das gehöre zu den Dingen, die er am meisten bereue. Facebook sei allerdings auch noch ein ziemlich kleines Unternehmen gewesen als um 2007 herum der Grundstein für Apples iPhone-Plattform und das Google-System Android gelegt wurde. Zuckerberg machte deutlich, dass er Facebooks Milliarden-Investitionen in virtuelle Realität mit dem Kauf der Firma Oculus als Chance sehe, zukünftige Plattformen mitzugestalten.

Bundesregierung will strenger Regulieren

Doch nicht nur die neue EU-Datenschutzverordnung bedeutet Ungemach für das soziale Netzwerk. Angesichts des Datenskandals bei Facebook erwägt die Bundesregierung eine strenge gesetzliche Regulierung. "Sofern persönliche Daten von Facebook-Nutzerinnen und -Nutzern ohne wirksame Einwilligung der Betroffenen und damit unter Verstoß gegen das geltende Datenschutzrecht weitergegeben wurden, um sie etwa für politische Zwecke zu verwenden, ist dieser Vorgang nicht hinnehmbar und muss Konsequenzen haben", erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), in einer dem Handelsblatt vorliegenden Antwort auf eine schriftliche Frage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner.

Rößner hält einen Handlungsbedarf für überfällig. Seit Jahren werde in verschiedenen Kreisen über die Regulierung von sogenannten Intermediären wie Google, Facebook und Twitter gesprochen. Doch die Bund-Länder-Kommission zur Medienregulierung habe in der vergangenen Legislaturperiode keinerlei Vorschläge gemacht, wie beispielsweise Algorithmen kontrolliert und Missbrauch verhindert werden könne, sagte Rößner dem Handelsblatt. "Völlig außen vor bleibt auch die Frage, wie mit Markt- und Meinungsmacht von Internetkonzernen umzugehen ist und die Gefahr des Missbrauchs durch diese Stellung abgewendet werden kann, oder inwieweit Intermediäre wie Facebook unter medienrechtliche Regulierungen fallen müssen."

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