Einheitszwang

Entscheidung: Kommt der Einheitsstecker für alle Handys?

Diese Ände­rung würde fast jeden treffen: Noch in diesem Jahr könnte die EU-Kommis­sion fest­legen, dass Handys künftig einheit­liche Lade­buchsen haben sollen. Es gibt aber auch Argu­mente gegen eine Verein­heit­lichung.
Von dpa /

Die EU-Kommission muss sich entscheiden: Einheitliches Ladekabel oder nicht? Die EU-Kommission muss sich entscheiden: Einheitliches Ladekabel oder nicht?
picture alliance/Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa
Die EU-Kommis­sion brütet gerade über einen Eingriff in den Elek­tronik-Markt mit welt­weiter Wirkung - und mögli­chen Auswir­kungen für fast jeden Haus­halt in Deutsch­land. Soll sie strikt vorschreiben, dass Smart­phones künftig eine einheit­liche Lade­buchse haben müssen? Oder doch lieber eine weichere Lösung wählen?

Ein harter Kurs hätte zwei Dinge zur Folge: Die schnelle Domi­nanz des USB-C-Steckers, der sich gerade ohnehin in neuen Android-Tele­fonen ausbreitet - und einen Konflikt mit Apple. Der iPhone-Konzern will seinen haus­eigenen Light­ning-Anschluss behalten und hält die heutige Lösung, dass man Kabel mit verschie­denen Steckern in die Stan­dard­buchsen der Lade­geräte stecken kann, für völlig ausrei­chend.

Einheit­liche Lade­technik soll für weniger Elek­troschrott sorgen

Die EU-Kommission muss sich entscheiden: Einheitliches Ladekabel oder nicht? Die EU-Kommission muss sich entscheiden: Einheitliches Ladekabel oder nicht?
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Die Lade­geräte-Frage schwelt in EU-Insti­tutionen schon lange. Vor mehr als zehn Jahren brachte die Kommis­sion das Thema erst­mals auf den Plan. 14 Hersteller - unter ihnen auch Apple - einigten sich in einer Selbst­verpflich­tung auf einen einheit­lichen Stan­dard für Handy-Netz­teile. Bei den Buchsen in Smart­phones und Tablet-Compu­tern blieben von einst mehreren Dutzend Typen noch drei übrig: USB-C, Apples Light­ning sowie Micro-USB, das in Android-Smart­phones früher Stan­dard war, jetzt aber eher nur noch in güns­tigen Geräten vorkommt.

Das Euro­papar­lament forderte die EU-Kommis­sion nun auf, bis Ende Juli Vorgaben für einheit­liche Lade­technik in Handys, Tablets, E-Book-Readern und ähnli­chen Geräten zu machen. Das solle für weniger Elek­troschrott sorgen - und zugleich Nutzern das Leben erleich­tern. Der frei­willige Ansatz habe die Erwar­tungen nicht erfüllt, heißt es auch aus der Kommis­sion. Daher wolle man nun härter durch­greifen.

Studie: Es gibt keine opti­male Lösung

Zunächst einmal veröf­fent­lichte die Kommis­sion eine Studie, die ausführ­lich verschie­dene Szena­rien analy­siert: Einheit­liche Buchsen, die Koexis­tenz von zwei Systemen mit Adap­tern, Verpflich­tung ledig­lich zu kompa­tiblen Lade­geräten. Statt einer Hand­lungs­empfeh­lung wird ein Pro- und Contra-Laby­rinth präsen­tiert. "Es gibt keine opti­male Lösung, alle Optionen haben ihre Nach­teile", schränken die Autoren ein. Am Ende laufe es auf eine "poli­tische Entschei­dung" hinaus, die auch Risiken und Unsi­cher­heiten in Betracht ziehen müsse.

In der Studie heißt es, dass die Kombi­nation aus einheit­lichen Buchsen an den Handys und kompa­tiblen Lade­geräten den meisten Komfort für Verbrau­cher biete. Doch das Ausmaß der posi­tiven Umwelt-Effekte sei unklar. Zudem gebe es das Risiko, dass die Vorschrift künf­tige Inno­vationen bei der Entwick­lung von Lade­systemen abwürgen könnte - auch wenn die Autoren das eher für eine theo­reti­sche Gefahr halten.

Das EU-Parla­ment verwies darauf, dass durch Lade­geräte 51 000 Tonnen Elek­troschrott jähr­lich entstünden. Bishe­rige Absichts­erklä­rungen rütteln aller­dings nicht daran, dass neue Smart­phones oder Tablets stets mit Lade­gerät und Kabel verkauft werden - obwohl sich in den Haus­halten immer mehr davon türmen.

Verbrau­cher erwarten Netz­teil in der Verpa­ckung

Die Hersteller verweisen darauf, dass die Verbrau­cher ein Netz­teil im Gerä­tekarton erwar­teten. Zudem könnten sie damit die Sicher­heit der Kunden garan­tieren, die sonst viel­leicht zu güns­tiger und poten­ziell gefähr­licher Lade­technik greifen würden. Ein solches Risiko sehen auch die Autoren der von der Kommis­sion veröf­fent­lichten Studie. Die aus Umwelt­sicht radi­kalste Lösung, die Lade­geräte aus den Handy-Verpa­ckungen zu verbannen, dürfte damit vom Tisch sein.

Rein tech­nisch gesehen bietet USB-C tatsäch­lich die Chance, erst­mals mit einem einzigen Lade­gerät und Kabel alle mögli­chen Geräte von Handys und Kameras über Smar­thome-Technik und Tablets bis hin zu Note­books zu laden. Dafür müssen aller­dings Chips an den Akkus und in den Lade­geräten unter­einander abstimmen, wie stark der Lade­strom ist.

Die EU-Studie kommt deshalb zu dem Schluss, dass man bei der Auswei­tung der Einheits­lösung auf weitere Gerä­teka­tego­rien vorsichtig vorgehen müsse, damit die Anbieter keine unnö­tigen Kosten hätten. Aus der Kommis­sion heißt es zugleich, bei der weiteren Gesetz­gebung könnte der Umfang erwei­tert werden - etwa auf Tablets oder E-Reader. Und da Hersteller Geräte nicht nur für eine Region bauen, würde ein Stecker-Zwang auto­matisch global greifen.

Apple: Einheits­zwang führt zu mehr Elek­troschrott

Apple argu­mentiert, dass eine Stan­dard-Lade­buchse die Verbrau­cher mit der Zeit zwingen würde, im Haus­halt vorhan­dene Light­ning-Kabel zu ersetzen - und damit einen nega­tiven Effekt für die Umwelt mit einer "beispiel­losen Menge Elek­troschott" hätte. Zudem gibt der Konzern zu bedenken, dass sich weder Light­ning noch USB-C etabliert hätten, wenn vor zehn Jahren wie geplant das tech­nisch einfa­chere Micro-USB als Stan­dard fest­geschrieben worden wäre.

Apple hatte die iPhones 2012 auf Light­ning umge­stellt - zwei Jahre bevor USB-C auf den Markt kam. Neue iPhone-Lade­geräte haben bereits einen USB-C-Ausgang, auch wenn das Kabel mit einem Light­ning-Stecker endet. Zugleich bekamen das iPad Pro und alle Macbooks inzwi­schen USB-C-Buchsen. Light­ning-Buchsen nehmen etwas weniger Platz im Gerät ein, was dünnere Smart­phones erlaubt.

Unklar ist, ob die Kommis­sion auch vorschreiben könnte, dass Smart­phones grund­sätz­lich eine Lade­buchse haben müssen. Einige Anbieter präsen­tierten bereits Modelle, die allein kabellos aufge­laden werden und auf Lade­buchsen verzichten. Analysten speku­lieren auch über Apple-Pläne in diese Rich­tung.

Verbrau­cher­schützer: USB-C ist die beste Wahl

Aus Sicht von Verbrau­cher­schüt­zern ist das der falsche Weg. Zumin­dest kurz­fristig hält Anec, ein euro­päischer Verband, der sich für Stan­dardi­sierung einsetzt, den USB-C-Stecker als Norm für die beste Wahl. Eine Lösung mit Adap­tern unter­stützen die Verbrau­cher­schützer ausdrück­lich nicht. Zudem fordern sie, dass die Lade­geschwin­digkeit harmo­nisiert werden sollte - dann entfiele auch ein Argu­ment, warum jedem Handy ein Lade­gerät beiliegen müsste.

Bei der Indus­trie­gruppe USB-IF heißt es, USB-C-Stecker blieben auf Jahre zukunfts­sicher, weil das Format noch auf mindes­tens einen großen Leis­tungs­sprung ausge­legt sei. Zugleich hält USB-IF-Präsi­dent Jeff Raven­craft nichts davon, Anbie­tern einen Stan­dard aufzu­zwingen. "Wir unter­stützen keine Versuche, Tech­nologie-Inno­vationen per Gesetz vorzu­schreiben. Das funk­tioniert einfach nicht", sagt er.

Was also wird die EU-Kommis­sion tun? Die Brüs­seler Behörde will im dritten Quartal 2020 einen Vorschlag vorlegen. Dabei könnte es auf einen soge­nannten dele­gierten Rechtsakt hinaus­laufen, über den die EU-Staaten und das Parla­ment anschlie­ßend nicht mehr verhan­deln müssten. Dann könnte es ziem­lich schnell gehen. Fest­legen will sich die Kommis­sion aber noch nicht.

Über USB-C verfügt auch Samsungs aktu­elle S-Serie, die ab dem 13. März erhält­lich sein wird. Wir konnten uns die drei Modell­vari­anten des Galaxy S20 bereits in einem Hands-on anschauen.

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