Digitalisierung

Digitalpolitik: Viel "Stochern im Nebel"

Eine Stra­tegie, wie man das Poten­zial der Digi­tali­sie­rung am besten nutzt, können Experten wie Bitkom-Präsi­dent Achim Berg in den Partei­pro­grammen nicht erkennen. Im Vorfeld des Digi­tal­tags der Initia­tive „Digital für alle“ lassen sie an den Parteien kein gutes Haar.
Von Marc Hankmann

Die Initia­tive „Digital für alle“ besteht aus 27 Orga­nisa­tionen, zu denen neben dem IT-Verband Bitkom zum Beispiel auch der Verband Kommu­naler Unter­nehmen (VKU), der Deut­sche Städte- und Gemein­debund (DStGB) oder der Deut­sche LandFrauenverband (dlv) gehören. Auf dem Digi­taltag am morgigen Freitag, der von Micro­soft, SAP, der Deut­schen Telekom und Voda­fone geför­dert wird, geht es vor allem darum, wie die Teil­habe aller Bürge­rinnen und Bürger an der digi­talen Entwick­lung sicher­gestellt werden kann.

Der Präsident des Branchenverbandes Bitkom, Achim Berg. Bitkom-Präsident Achim Berg kann in den Programmen der Parteien keine umfassende Strategie für die Herausforderungen der Digitalisierung erkennen
Foto: Bitkom

Deut­sche sehen Digi­tali­sie­rung mit gemischten Gefühlen

Im Vorfeld des Digi­tal­tags stellte Bitkom-Präsi­dent Berg eine aktu­elle Unter­suchung seines Verbands vor, wonach die Deut­schen dem digi­talen Fort­schritt mit gemischten Gefühlen begegnen. So sind etwa 87 Prozent der 1004 Befragten der Meinung, man müsse nicht alles digi­tali­sieren. 70 Prozent äußerten die Angst, dass der Staat mit digi­talen Tech­niken alles über sie weiß und 55 Prozent fürchten um ihre Privat­sphäre. Des Weiteren sehen sich die Deut­schen selbst sehr kritisch. Ihre Digi­tal­kom­petenz bewerten sie im Schul­noten­system ledig­lich mit einem Befrie­digend – das gilt selbst für die vermeint­lich tech­nik­affinen Jugend­lichen im Alter zwischen 16 und 29 Jahren.

Insbe­son­dere bei den Älteren sieht Berg die Teil­habe gefährdet, was vor allem durch die Corona-Pandemie verstärkt wurde. 41 Prozent der über 75-jährigen sehen sich nicht in der Lage, ein Smart­phone oder einen PC richtig zu bedienen. Das zeigt sich im Alltag zum Beispiel beim Einche­cken in Restau­rants per App. Über alle Alters­gruppen hinweg liegt der Anteil bei 24 Prozent. „Es ist unsere gesamt­gesell­schaft­liche Aufgabe, allen Menschen den selbst­stän­digen und souve­ränen Umgang mit neuen Tech­nolo­gien zu ermög­lichen“, fordert Berg.

„Hunds­mise­rable Admi­nis­tra­tion“

Der Präsident des Branchenverbandes Bitkom, Achim Berg. Bitkom-Präsident Achim Berg kann in den Programmen der Parteien keine umfassende Strategie für die Herausforderungen der Digitalisierung erkennen
Foto: Bitkom
Das fängt in der Politik an, die für die Gesell­schaft die Weichen in Rich­tung Digi­tali­sie­rung stellt. Doch den Parteien wird ein schlechtes Zeugnis für ihre Digi­tal­politik ausge­stellt. Eine Stra­tegie kann Bitkom-Chef Berg bei keiner Partei erkennen. „Die FDP nimmt das Thema auf“, sagt Berg. „Die Grünen bleiben zu unkon­kret.“ Uwe Brandl, erster Vize­prä­sident des Deut­schen Städte- und Gemein­debunds (DStGB) sieht gute Ansätze, vor allem im Breit­band­ausbau, wenn­gleich der Ausbau der Infra­struk­turen sehr länder­spe­zifisch verlaufe, aber eine umfas­sende Stra­tegie habe aus seiner Sicht keine der Parteien. „Es gleicht mehr einem Stochern im Nebel“, sagt der DStGB-Vize­prä­sident. „Wir müssen den Daten­schutz libe­raler denken.“

Schülerin Tablet Schule digital Der Digitalpakt Schule ist 5,5 Milliarden Euro schwer, aber bislang wurden nur zehn bis 20 Millionen Euro abgerufen. Schuld ist die ausufernde Bürokratie in Form von 84 Seiten langen Antragsformularen.
Foto: April Bryant auf Pixabay
Eine Hürde sieht Brandl im Föde­ralismus. Als Beispiel für büro­kra­tische Komple­xität nennt Berg den Digi­tal­pakt Schule. Von den 5,5 Milli­arden Euro seien bislang nur zwischen zehn und 20 Millionen Euro abge­rufen worden. Schuld seien die Anträge, für die Antrags­steller 84 Seiten hand­schrift­lich ausfüllen müssten. Brandl spricht in diesem Zusam­men­hang von einer „hunds­mise­rablen Admi­nis­tra­tion“.

Für Petra Bent­kämper, Präsi­dentin des Deut­schen LandFrauenverbands (dlv) haben die Parteien zwar die Probleme erkannt, die die Digi­tali­sie­rung mit sich bringt, aber bei den Lösungen sei man noch auf dem Weg. „Wir werden jeden­falls in den Gesprä­chen vor der Bundes­tags­wahl den Finger in die Wunde legen“, verspricht die dlv-Präsi­dentin. Wäre gut, wenn das auch andere täten, damit wir die Digi­tali­sie­rung und nicht die Digi­tali­sie­rung uns bestimmt.

Analysen der Partei­pro­gramme von Prof. Dr. Torsten J. Gerpott

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