Schwierig

Deutsche Glasfaser: Zahlte Sub-Sub-Unternehmer Löhne nicht?

Zum Glas­faser­ausbau werden Sub-Sub-Unter­nehmer beauf­tragt. Es kann vorkommen, das manche Arbeiter ihren Lohn nicht gleich bekommen. Ein Bürger­meister berichtet.
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Wenn in einem Ort nach langem Warten endlich mit Glas­faser ausge­baut wird, macht das der spätere Netz­betreiber nicht unbe­dingt selbst, sondern beauf­tragt damit spezia­lisierte Baufirmen, die wiederum weiter Sub- oder Sub-Sub-Unter­nehmer beauf­tragen können.

Ritters­heim / Rhein­land-Pfalz

Im Rhein­land-Pfäl­zischen Ritters­heim (Verbands­gemeinde Kirch­heim­bolanden) war die Deut­sche Glas­faser bzw. deren Subun­ter­nehmer tätig, um den Glas­faser­ausbau durch­zuführen. Das habe, so der Orts­bür­ger­meister, für Chaos gesorgt und sei nicht beson­ders ordent­lich erfolgt.

Bürger­meister ange­spro­chen: Arbeiter müssen hungern?

Homepage der Gemeinde Rittersheim. Hier musste der Bürgermeister intervenieren, weil die Glasfaserbauarbeiter nicht pünktlich entlohnt wurden. Homepage der Gemeinde Rittersheim. Hier musste der Bürgermeister intervenieren, weil die Glasfaserbauarbeiter nicht pünktlich entlohnt wurden.
Screenshot: teltarif.de
Marc-Guido Ebert, partei­loser Orts­bür­ger­meister von Ritters­heim, wurde im Dorf ange­spro­chen, ob er wisse, dass "die Arbeiter der DG" (gemeint ist Deut­sche Glas­faser) seit drei Monaten keinen Lohn erhalten hätten und seit zwei Tagen hungerten.

Arbeiter bestä­tigen Nicht­zah­lung

Er sprach einen ihm flüchtig bekannten Arbeiter an: Der schluckte, weinte fast und habe alles bestä­tigt. Der Bürger­meister lud ihn und seine vier Arbeits­kol­legen zu sich nach Hause ein. Die Arbeiter bestä­tigen das, sie bangten um ihre Exis­tenz und hätten Angst vor dem Samstag, wenn sie ihre Zimmer im Weingut B. räumen müssten. Der Bürger­meister versprach, sich für sie einzu­setzen.

Auftrag über Sub- und Sub-Sub-Unter­nehmen

Von dem Gespräch mit den Arbei­tern berichtet der Bürger­meister weiter: "Die Deut­sche Glas­faser hat die Firma Geodesia mit dem Ausbau des Glas­faser­netzes in Ritters­heim beauf­tragt.

Die Firma Geodesia wiederum habe die spani­sche Firma Poly­obras SL mit Sitz in Marbella mit der Durch­füh­rung vor Ort beauf­tragt. Diese Firma wurde am 21. Dezember 2022 gegründet und hat die ID B72832330. Diese Firma sei eine Tochter der Firma ready­telekom, Sitz ist Marbella.

Spanien: Netto­löhne sind zulässig

Die Arbeiter hatten sich auf eine Ausschrei­bung auf Seiten des Arbeits­amtes in Spanien beworben. Ihnen wurden 15 Euro Netto­lohn und Unter­kunft verspro­chen. Netto­lohn­ver­spre­chen sind in Spanien möglich. Der Lohn sei nur in einem Fall für einen Monat bezahlt worden. Alle anderen hätten keinen Lohn erhalten. Ihre Fami­lien seien ohne Geld zurück­gelassen worden, Kinder könnten nicht in die Schule, da Schul­bücher nicht bezahlt wurden. Wohnungs­miete der Fami­lien werde nicht bezahlt, die Arbeiter hätten vor Ort nichts mehr zu essen und hungerten.

Bürger­meister mobi­lisiert Politik, Behörden und Verbände

Der Bürger­meister infor­mierte den örtli­chen Bundes­tags­abge­ord­neten, die örtliche Presse und gab eine Anzeige beim für Arbeits­rechts­fragen zustän­digen Zollamt Saar­brü­cken auf.

Auf Anraten des Deut­schen Gewerk­schafts­bundes (DGB) erfuhr der Bürger­meister vom Euro­päi­schen Verein für Wander­arbei­ter­fragen (European Migrant Workers Union), dass solche und ähnli­chen Fälle dort bekannt seien. Das örtliche Sozi­alamt der Verbands­gemeinde musste abwinken: Man habe keine Zustän­dig­keit, da es einen (spani­schen) Arbeits­ver­trag gebe. Auch die Leiterin der örtli­chen Arbeits­agentur musste sich für unzu­ständig erklären. Ansprech­partner für den Bürger­meister sei die Deut­sche Glas­faser.

Öffent­lich­keit infor­miert

Der Bürger­meister infor­mierte den regio­nalen TV- und Radio­sender SWR (Südwest­rund­funk), ließ die recht­liche Vertrags­gestal­tung von seiner Verbands­gemeinde und vom "Gemeinde- und Städ­tebund" prüfen. Das spani­sche Arbeitsamt wurde schrift­lich in spani­scher Sprache vor der o. g. Firma gewarnt.

Es kommt zum Gespräch

Bald darauf fand ein fach­liches Gespräch mit dem Vorar­beiter der Firma Geodesia und dem örtli­chen Bauleiter der Deut­sche Glas­faser statt. In entspannter Atmo­sphäre wies der Bürger­meister auf die Not der Arbeiter hin. Beide Firmen­ver­treter hätten beteuert, von nichts zu wissen. Der Bürger­meister erklärte sein Vorgehen (MdB, DGB, Zoll, Presse, Sozi­alamt, Arbeits­agentur) und schlug vor, doch einmal durch­zuspielen, wie den Arbei­tern konkret geholfen werden könnte.

Eini­gung?

Man einigte sich, dass die Deut­sche Glas­faser und die Firma Gedosia die Sub-Firma Poly­obros freund­schaft­lich dazu bringen würden, zu zahlen.

Der Bürger­meister schlug weiter vor, die Sache bis zum Unter­neh­mens-Vorstand eska­lieren zu lassen. Durch die Presse stünde "doch sowieso Stress ins Haus" und man solle lieber zur Scha­dens­begren­zung jetzt reagieren und zahlen.

Beide Herren hätten ihre Tele­fone gezückt und ihre Chefs ange­rufen. Daraufhin habe es über­raschen­der­weise ein Gespräch mit dem "Inhaber der Firma Geodesia", einem Herrn A. gegeben, der selbst kein Deutsch spricht, aber einen sprach­kun­digen Mitar­beiter mitbrachte.

Der Firmen­chef der Geodesia sei sehr erstaunt gewesen. Der ehren­amt­liche Bürger­meister erläu­terte ihm, dass er im Haupt­beruf Sozi­alkun­delehrer ist und sehr sensibel auf Verstöße gegen die Rechte der Arbeiter reagiere. Dies sei seine Pflicht. Als Orts­bür­ger­meister könne er nicht zulassen, das Menschen in seinem Dorf hungerten und ausge­beutet würden. Auch dies sehe er als seine Pflicht an.

Firmen­chef A. antwor­tete, dass ihm diese Zustände nicht bewusst gewesen seien, und er versprach, dass die Arbeiter "bis Freitag bezahlt" würden. Der Bürger­meister solle aber nicht über die Höhe der Löhne verhan­deln, diese stünden fest.

Ob Herr A. wirk­lich der Firmen­chef war, weiß der Bürger­meister, der sogar die unge­spülten Kaffee­tassen zur späteren DNA-Siche­rung einge­packt und aufge­hoben hat, bis heute nicht.

Wurden Arbeiter bedroht?

So infor­miert lud der Bürger­meister die betrof­fenen Arbeiter zu sich ein, um über den aktu­ellen Stand orien­tiert zu werden. Ein Mann aus dem Senegal erklärte in sehr gutem Englisch, dass alle bedroht worden seien. „Wenn ihr zu diesem Bürger­meister geht, dann bekommt ihr keinen Lohn“.

Gespräch wirkt: Lohn wird bezahlt

Nach dem Gespräch mit den Geodesia-Vertre­tern seien aber jedem Arbeiter 50 Euro ausbe­zahlt worden, berichtet der Bürger­meister weiter, den Arbei­tern sei eine Lohn­zah­lung bis zum 3. Oktober verspro­chen worden. Inzwi­schen sei das Team in einer anderen Stadt und arbeite für eine dort ansäs­sige Baufirma, welche die Löhne wöchent­lich auszahle, und auch für August sei bezahlt worden.

War Geodesia nicht regis­triert?

Die Bauge­werk­schaft IG Bau schrieb dem Bürger­meister, dass die Firma Geodesia mit Sitz in Düssel­dorf nicht als Bauun­ter­nehmen bei der "SOKA Bau", den Sozi­alkassen des Bauge­werbes, regis­triert sei und dementspre­chend auch keine Beiträge abführe. Das sollte, so die IG Bau im Zusam­men­hang mit der Gene­ral­unter­neh­mer­haf­tung vor allem für die deut­sche Glas­faser auch rele­vant sein.

Keinen Auftrag, nur eine Konzes­sion

Der Bürger­meister berichtet weiter: Die Deut­sche Glas­faser sei nicht zuständig, sie habe nur eine Konzes­sion, aber keinen Auftrag von der Orts­gemeinde. Sie nutze nur das Wege­recht. Die Ausfüh­rung der Arbeiten vor Ort sei "sehr schlecht", und es habe Chaos vor Ort gegeben.

SWR berichtet

Inzwi­schen hat der regio­nale Radio und TV-Sender Südwest­rund­funk (SWR) darüber ausführ­lich berichtet - im Video werden die Mängel klar benannt. Eine Inter­view­anfrage habe die Deut­sche Glas­faser abge­lehnt, berichtet der SWR. Immerhin wurden am Tag der Dreh­arbeiten des Fern­seh­teams einige Baustel­len­mängel und -Reste spürbar redu­ziert.

Deut­sche Glas­faser: Geodesia hat alles bezahlt

Auch wir haben die Deut­sche Glas­faser mit dem Bericht des Bürger­meis­ters konfron­tiert und erhielten folgendes State­ment im Wort­laut: "Bei Deut­sche Glas­faser halten wir uns selbst­ver­ständ­lich an alle arbeits­recht­lichen Rege­lungen. Dies erwarten wir auch von allen rund 80 Baupart­nern, mit denen wir zusam­men­arbeiten. Wir über­prüfen die Geschäfts­bezie­hungen zu unseren Baupart­nern regel­mäßig. Sollten die Baupartner ihrer­seits Subun­ter­nehmer beauf­tragen, müssen diese ebenso die Anwen­dung geltenden Rechts sicher­stellen. Wir haben den Baupartner Geodesia aufge­for­dert, umfas­send zu den Vorwürfen im Rahmen des Ausbau­pro­jekts in Ritters­heim Stel­lung zu nehmen. Geodesia teilte uns mit, dass ihrer­seits alle Zahlungen an das beauf­tragte Subun­ter­nehmen erfolgt seien."

Ein Einzel­fall?

Ist Ritters­heim ein bedau­erli­cher Einzel­fall? Wie klappt der Glas­faser­ausbau vor Ort bei den Lesern und Lese­rinnen von teltarif.de? Schreiben Sie uns im Forum oder direkt per E-Mail. Etwaige Hinweise auf Unre­gel­mäßig­keiten werden vertrau­lich behan­delt.

Die Glas­faser-Ausbau-Branche möchte mit einem Haus­tür­kodex für mehr Trans­parenz sorgen.

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