Covid-19

Editorial: Noch mehr Kongressabsagen

Covid ist derzeit eine Belas­tung für die Gesund­heit der Bevöl­kerung - aber bringt sie einen Aufschwung für die Tele­medizin?
Von

Schlimmer als die Grippe

Es gibt immer noch viele, die halten Covid-19 einfach nur für "die nächste Grippe". Aber vieles spricht dagegen: Bisher 6 Tote unter den 2600 Kreuz­fahrt­gästen der "Diamond Princess", zudem weiterhin 35 Infi­zierte mit ernster oder kriti­scher Lage, von denen wahr­schein­lich noch einige sterben werden: Niemand würde eine Kreuz­fahrt buchen, wenn das Risiko, davon nicht zurück­zukehren, 2 in 1000 beträgt (aktuell) oder gar 5 in 1000 (falls noch 20 Prozent der kriti­schen Fälle sterben). Dabei sind Grip­pewellen an Bord von Kreuz­fahrt­schiffen sicher normal, aber daraus resul­tierende Todes­fälle gibt es nur verein­zelt. Für die aktu­elle Grip­pesaison werden in Deutsch­land 80 000 posi­tive Tests, 13 300 Behand­lungen im Kran­kenhaus, aber nur 130 Tote gemeldet. Covid kommt bei ähnlich vielen Infek­tionen aber auf über 2900 Tote - zwanzig mal gefähr­licher. Und die Dunkel­ziffer, also die Zahl der Infi­zierten und Kranken, die gar nicht zum Arzt gehen, ist bei der bekannten Grippe sicher noch viel­fach höher als bei einer neuen Krank­heit wie Covid.

Covid wie die Grippe also ohne beson­dere Seuchen­schutz­maßnahmen "einfach laufen zu lassen" hätte ziem­lich fatale Auswir­kungen auf die Gesund­heit der Bevöl­kerung, zumal niemand die Lang­zeit­folgen des Virus kennt. Wenn man dennoch beide Infek­tions­krank­heiten verglei­chen will, dann stellt sich zudem die Frage, ob man nicht künftig das bei der Bekämp­fung von Covid erhal­tene Wissen auch auf die Grippe anwenden sollte: Die Vermei­dung der jähr­lichen Grip­pewelle würde nämlich auch viel Leid und einige Todes­fälle ersparen.

Tele­medizin

Die Lösung für die Zukunft: Telemedizin Die Lösung für die Zukunft: Telemedizin
Bild: picture alliance/Sebastian Gollnow/dpa
Das Smart­phone könnte übri­gens bei der Eindäm­mung von Covid, Grippe und anderen gefähr­lichen Erkäl­tungs­krank­heiten eine wich­tige Rolle spielen. Derzeit ist es ja so, dass sich Erkäl­tungs­kranke - oft mit dem Nahver­kehr - zum Arzt schleppen müssen, um dort ihre Arbeits­unfä­higkeits­beschei­nigung zu erhalten. Aus seuchen­medi­zini­scher Sicht ist das extrem kontra­produktiv, können doch auf dem Weg von und zum Arzt und beim Warten beim Arzt andere ange­steckt werden.

Die hygie­nische Situa­tion würde sich schlag­artig verbes­sern, wenn man eine Video-Hotline zur Abklä­rung der übli­chen Erkäl­tungs­krank­heiten einführt. Dabei lassen sich auch Fotos des Rachens prüfen und für das Abhören von Lunge und Herz könnte statt des Stetho­skops auch ein "Sensor­hemd" mit zahl­reichen Mikro­fonen verwendet werden, das man direkt auf der Haut trägt und wie ein Headset an das Smart­phone anste­cken kann. Als Massen­ware produ­ziert sollte es weniger als zehn Euro pro Exem­plar kosten. Findet der Arzt an der Video-Hotline beispiels­weise am Morgen bei einem Pati­enten seine Lunge für über­prüfens­wert, verschreibt er ihm Paracet­amol zur Fieber­senkung und das Sensor­hemd. Der Liefer­dienst der Apotheke bringt beides mittags, am frühen Nach­mittag findet die Abklä­rung statt. Bisher ruft der Patient hingegen am Morgen beim Haus­arzt an, bekommt mitge­teilt, dass das Warte­zimmer bereits voll ist, er aber um 14 Uhr kommen an, wenn er "Zeit mitbringt". Der Patient wird dann durch Fahrt zum Arzt und stun­denlanges Sitzen im Warte­zimmer (statt Schlafen im Bett) zusätz­lich belastet und das Abhor­chen der Lunge erfolgt dennoch erst um 16:30 Uhr, nachdem die Pati­enten mit regu­lärem Termin alle dran gewesen sind.

Tele­medizin kann - richtig orga­nisiert - also schneller sein als der klas­sische Arzt­besuch. Sie kann auch und gerade bei Infek­tions­wellen die Haus­ärzte von Routi­neauf­gaben entlasten, sodass letz­tere sich auf die schwie­rigen Fälle konzen­trieren können. Sie kann aber noch mehr: Das genannte "Sensor­hemd" bietet zudem die Möglich­keit, den Pati­enten auch ohne Anwe­senheit eines Arztes per Soft­ware dauer­haft zu über­wachen. Hustet der Patient - wie bei Grippe üblich - nachts nicht nur stark, sondern gerät er in Atemnot, dann könnte umge­hend der Notarzt alar­miert werden. Der muss dann zwar eine Tür aufbre­chen, aber im Gegenzug zur Rettung eines Lebens ist das ein geringer Schaden.

Covid-19 ist derzeit eine Belas­tung. Aber in der Vergan­genheit ist die Mensch­heit bisher aus jeder Belas­tung erstarkt hervor­gegangen. Ich bin mir sicher, dass es auch dieses Mal so sein wird.

vorherige Seite:

Weitere Edito­rials