Systemkonflikt

Editorial: Der unlösbare Urheberrechtsstreit

Raubkopierer versus Content-Mafia
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Nicht nur bei Musik sind die Fronten beim Urheberrecht verhärtet. Nicht nur bei Musik sind die Fronten beim Urheberrecht verhärtet.
Foto: seeyou | c. steps - Fotolia.com
Die Fronten beim Thema Urheberrecht sind verhärtet, das machen schon die wechselseitig verwendeten Begriffe wie "Raubkopierer" und "Content-Mafia" klar. Denn weder rauben Schwarzkopierer Inhalte mit Waffengewalt, noch erpresst die Content-Industrie Schutzgelder nach Mafia-Art. Und doch fühlt man sich wechselseitig bedroht: Die einen in ihrer Informationsfreiheit, die anderen in ihrer beruflichen Entfaltung.

Nicht nur bei Musik sind die Fronten beim Urheberrecht verhärtet. Nicht nur bei Musik sind die Fronten beim Urheberrecht verhärtet.
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Der Konflikt ist auch prinzipiell unlösbar. Denn so lange man dem Urheber, egal, ob Autor, Schauspieler oder Künstler, so etwas wie ein Eigentumsrecht an seinen Werken einräumt, so lange wird man akzeptieren müssen, dass er mit seinem Eigentum nach seinem Gusto umgeht. Dass er Kopien seines Werkes viel zu teuer verkauft, dass er die Verbreitung in bestimmten Kanälen, wie dem Internet, unterbindet, oder gar, dass er ein einmal geschaffenes Werk später wieder komplett vernichtet.

Allgemeine Gesetze verhindern allenfalls Extreme beim Umgang mit dem eigenen geistigen Eigentum. So verbietet der Wucherparagraph lediglich, absurd hohe Entgelte zu verrechnen. Und wenn ein Maler seine Werke verbrennt, darf er dabei nicht auch noch das Haus des Nachbarn mit abfackeln. Um kleinere logische Widersprüche kümmert sich das Gesetz hingegen nicht: Es ist derzeit also durchaus legal, für eine DVD weiterhin 5 bis 10 Euro zu verlangen, auch dann, wenn der Film am Tag zuvor bereits im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde, die Zuschauer also eigentlich bereits per GEZ für den Film bezahlt haben und ihn auch zum Nulltarif hätte aufzeichnen können.

Zwangs-Verwertungskette?

Es sind diese kleineren und mittelgroßen Widersprüche, die auf der anderen Seite die Netznutzer zunehmend gegen die Inhalteanbieter aufbringen: "Warum kostet Film X im Streaming dreimal so viel wie eine Miet-DVD?" oder: "Warum darf ich Song Y nicht von einer Tauschbörse runterladen, obwohl er dauernd im Radio zu hören ist?"

Sicher könnte man hier mit gesetzlichen Regelungen eingreifen. Es ist aber immer wahrscheinlich, dass ein Teil der Künstler, Autoren, Regisseure, Schauspieler usw. eine konkrete Regelung als harte Enteignung vom eigenen Werk empfindet, insbesondere dann, wenn die Verwertungskette eines Werks nicht kompatibel zum Gesetz ist. Und hier gibt es individuell große Unterschiede. Die öffentliche Aussendung steht bei neuer Musik meist ganz am Anfang, bei neuen Filmen hingegen erst ganz am Ende der Verwertungskette.

Insofern ist fraglich, ob die Piratenpartei beim anvisierten runden Tisch zum Copyright viel erreichen können wird. Die Inhalteanbieter werden auf voller Rechtehoheit und Verwertungsfreiheit bestehen, die User werden ein allgemeines "Kopierrecht" fordern, das erstere jedoch als Enteignung empfinden. Wie schon beim Systemstreit Sozialismus gegen Kapitalismus gilt auch beim Copyright: Einen Mittelweg gibt es nicht. Genauso, wie man entweder dem Primat des Kapitals oder dem Primat des öffentlichen Wirtschaftens folgen kann, um dann mit zusätzlichen Gesetzen die allergröbsten negativen Auswirkungen des jeweiligen Systems abzumildern, kann man digital vervielfältigbare Werke entweder dem Eigentum des Schöpfers unterstellen, oder sie zum Allgemeingut erklären, aber nicht irgendwas dazwischen.

Fristenregelungen, wonach Werke nach einer bestimmten Zeit zum Allgemeingut werden, werden die Urheber beispielsweise als "Enteignung auf Raten" ablehnen. Führt Deutschland eine solche im Alleingang ein, droht durchaus ein Streik der Künstler: Bestimmte Filme kommen hierzulande dann eben nicht ins Kino oder Fernsehen, um nicht den Countdown zu starten, nach dessen Ablauf die Filmfirma die Rechte verliert.

Mündige Nutzer

Freilich stellt sich die Frage, wie schlimm das wäre, wenn bestimmte Inhalte hierzulande nicht mehr angeboten werden. Dieselbe Frage sollten sich aber auch die Nutzer stellen, bevor sie die Tauschbörse anklicken: Ist der Inhalt, den man sich da holt, es wirklich wert, sich mit dem Schöpfer anzulegen? Oder gibt es nicht anderswo legal ähnlich gute Inhalte, nur eben mit zur eigenen Geldbörse kompatiblem Preisschild oder ganz kostenlos? Denn je mehr Nutzer ob der hohen Preise für viele Medien in den Käuferstreik treten, desto eher sind die Produzenten gezwungen, ihre Preisvorstellungen anzupassen.

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