Autonomes Fahren: Wie funktioniert Fahren ohne Fahrer?
Selbstfahrende Autos im alltäglichen öffentlichen Straßenverkehr sind ein großes Ziel der Automobilbranche. Derzeit gibt es schon einige Tests namhafter Hersteller. Wir möchten den aktuellen Stand der autonomen Fahrzeuge beleuchten. Dabei erörtern wir die verschiedenen Abstufungen, gehen auf den technischen Hintergrund sowie die Sicherheit ein und schildern Vor- und Nachteile dieser Errungenschaft. Zudem führen wir Sie auf eine Reise von den Anfängen bis zur Gegenwart der selbstfahrenden Autos. Die Entwicklung begann bereits vor fast 100 Jahren.
Das Fahrzeug wird sein eigener Herr
Ohne Hand am Steuer
Honda
In vielen Science-Fiction-Werken gehören selbstfahrende Autos zum täglichen Leben. Bis der Mensch im eigenen Vehikel nur noch Passagier ist, wird es aber wohl noch eine ganze Weile dauern. Abgesehen von den noch zu erforschenden Technologien müssen auch sicherheitsrelevante und ethische Fragen beantwortet werden. Grundsätzlich sind bislang fünf Abstufungen für autonomes Fahren spezifiziert.
Autonomes Fahren Level 1
Bild: ADAC
Hierbei wird auf intelligente Assistenzsysteme wie Tempomat für die einzuhaltende Geschwindigkeit, Abstandsregeltempomat für das Bremsen oder Beschleunigen je nach Distanz zu vorausfahrenden Wagen und Spurhaltesysteme zurückgegriffen. Es gilt, dass der Fahrzeugführer stets die Kontrolle behält und den Verkehr ununterbrochen im Blick haben muss. Bei herbeigeführten Unfällen haftet der Fahrer.
Autonomes Fahren Level 2
Bild: ADAC
Für diese Abstufung kombinieren die Autobauer verschiedene Systeme, damit das Fahrzeug etwa zugleich die Spur halten, bremsen und beschleunigen kann. Zudem kommen weiterentwickelte Lösungen, etwa der Überholassistent und das automatische Einparken, zum Einsatz. Auch bei diesem Modus muss der Fahrer sein Vehikel stets beherrschen und haftet bei verursachten Verkehrsverstößen sowie Unfällen.
Autonomes Fahren Level 3
Bild: ADAC
Erst ab diesem Standard ist es dem Fahrer erlaubt, sich vorübergehend vom Steuer und Verkehr abzuwenden. Dabei ist es unter anderem gestattet, eine Zeitung zu lesen oder sich anderen Personen zuzuwenden. Wenn es das System verlangt, muss jedoch umgehend die Kontrolle übernommen werden. Es ist davon auszugehen, dass Level-3-PKWs zunächst auf deutschen Autobahnen in Aktion treten. Eine Haftung bei Kollisionen besteht weiterhin.
Autonomes Fahren Level 4
Bild: ADAC
Level 4 übergibt dem Automobil die volle Verantwortung. Der Fahrzeugführer wird im vollautomatisierten Modus zum Passagier und haftet entsprechend nicht für Unfälle und Schäden. Es ist den Insassen erlaubt zu schlafen, ihr Handy zu benutzen, zu lesen oder sich anderweitig zu beschäftigen. Das Auto muss dazu fähig sein, bestimmte Strecken, wie Autobahnen und Parkhäuser selbstständig zu bewältigen. Dabei muss ein Passagier nicht zwingend an Bord sein.
Autonomes Fahren Level 5
Bild: ADAC
In dieser finalen Abstufung gibt es keinen Fahrer mehr. Das Automobil erledigt alle Aufgaben von sich aus. Die KI muss auch mit komplexen Verkehrssituationen problemlos klarkommen. Dazu zählen etwa Kreuzungen und Kreisverkehre sowie das Verhalten an Zebrastreifen. Da ausschließlich Passagiere im Fahrzeug sind, entfällt eine Haftung bei Verkehrsdelikten.
Technologie / Vor- und Nachteile
Welche Technologien werden benötigt?
Je nach Grad der autonomen Fähigkeiten kommen unterschiedliche Assistenzsysteme zum Einsatz, welche von diversen Komponenten verwaltet werden. So orientiert sich das Fahrzeug durch Kameras und Sensoren, etwa Ultraschallmessung oder Radar-Abstandsmessung (Lidar), im Straßenverkehr. Zur weiteren Konnektivität zählen heutzutage LTE und demnächst 5G. Besonders 5G soll durch seine kurze Latenz bei der Kommunikation zwischen Fahrzeugen (V2V, Vehicle to Vehicle) eine große Rolle spielen und für mehr Sicherheit sorgen.
Automotive-SoC
Nvidia
Um von diesen Komponenten Gebrauch zu machen, wird eine KI (Künstliche Intelligenz) benötigt. Die Grundlagen hierfür sind zum einen die Software, welche die Automobilbauer meist selbst entwickeln und zum anderen die Chipsätze (SoCs). Letztere werden beispielsweise von Nvidia und Qualcomm hergestellt. Nvidias kommende Automotive-Plattform Orin und besonders die für 2025 geplante Basis Atlan mit ihrer Rechenleistung von 1000 TOPS wirken vielversprechend.
Qualcomm bereitet indes seine Snapdragon Automotive 5G-Lösung vor.
Vor- und Nachteile des autonomen Fahrens
Rein rechtlich sind gemäß dem internationalen Übereinkommen über den Straßenverkehr der UNO in unserer Region keine vollständig autonomen Autos im Alltagseinsatz erlaubt. Laut Artikel 8, Absatz 1 muss „jedes Fahrzeug und miteinander verbundene Fahrzeuge, wenn sie in Bewegung sind, einen Führer (Lenker) haben“ Bislang gibt es keine Vorbehalte gegen diese Regelung. Nicht der UN-Konvention zugehörige Länder wie die USA und China sind nicht an diese Vorgaben gebunden.
Auto-Sensorik
Sixxt
Prinzipiell ist es das Ziel von selbstfahrenden Autos, dass sie eine erhöhte Verkehrssicherheit und somit weniger Unfälle, frei nutzbare Zeit für die Insassen und eine geringere Umweltbeeinflussung durch einen optimalen Verkehrsfluss erreichen. Außerdem könnten sie für die Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen, da eingeschränkte oder ältere Personen mobiler wären. Als potenzielle Nachteile werden Unklarheiten beim Datenschutz und Unfälle durch Softwarefehler erachtet.
So zweifelt etwa die Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie an, ob „die Zuverlässigkeit eines Menschen durch die einer Maschine ersetzt werden kann.“ Außerdem bestehen ethische Bedenken, beispielsweise, ob ein Computer zwischen einem Puppenwagen und einem Kinderwagen unterscheiden könnte. Ein instinktives und moralisches Handeln wie es der Mensch besitzt, kann eine KI nicht adäquat nachahmen.
Geschichte des autonomen Fahrens
Schon früh im Automobilzeitalter spielten Erfinder mit dem Gedanken, Fahrzeuge irgendwann ohne Führer durch die Straßen zu schicken. Bis zum aktuellen Stand der Technik wurden viele Meilensteine beim Funk, den Assistenzsystemen und der Sensorik erreicht. Wir listen in einer Zeitleiste wichtige Errungenschaften.
1925 bis 1959
1926 Chandler
Houdina
Das funkgesteuerte Automobil 1926 Chandler, auch als „Linrrican Wonder“ tituliert, feierte 1925 sein Debüt. General Motors demonstrierte 1939 ein funkgesteuertes Auto, welches mit elektromagnetischen Verbindungen in der Straße arbeitete. Ende der 1950er wollte Cadillac ein Kollisionswarnsystem herausbringen, was allerdings verworfen wurde.
1960 bis 1991
In den 1960ern führte Citroën Tests mit dem fahrerlosen Citroën DS durch. Das Verfahren basierte auf magnetischen Kabeln in der Straße. Rund 20 Jahre später probierte sich Mercedes-Benz an einem sichtgesteuerte Roboter-Van. Anfang der 1990er überraschte Mitsubishi mit einem Laser-basierten Abstandsregeltempomat. Eine Rückfahrkamera war indes das Highlight des 1990er Toyota Soarer Limited.
1995 bis 1999
Das Jahr 1995 brachte gleich mehrere Höhepunkte der Automobilbranche hervor, etwa ein Radar-basiertes Kollisionswarnsystem und ein Roboter-Auto von Daimler. Mit ALVINN (Autonomous Land Vehicle In a Neural Network) machte schließlich die Fahrzeug-KI große Fortschritte. Mercedes-Benz brachte 1999 die Serien S und CL mit einem Radar-basierten Abstandsregeltempomat heraus.
2000 bis 2007
Lexus LS 460 Sedan
Lexus
Europa konnte sich Anfang des Jahrtausends als Vorreiter des Spurhalteassistenten in diversen LKWs einen Namen machen. Honda und Mercedes lieferten 2003 ein automatisches Bremssystem. Clever war auch 2005 das System zum Reagieren bei toten Winkeln im Volvo S80. Der Lexus LS 460 Sedan durfte sich 2006 wiederum als erstes selbstparkendes Auto bezeichnen. Die Nissan-Marke Infiniti führte 2007 ein Fahrzeug mit vier Kameras und Vogelperspektive ein.
2014 bis 2016
Die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA), Nordamerikas Bundesbehörde für Straßen- und Fahrzeugsicherheit, erließ 2014 ein Gesetz, das Backup-Kameras für Autos ab Baujahr 2018 verpflichtend machte. Seit 2016 sind alle Vehikel von Tesla hardwareseitig zu vollautonomen Fahren fähig. Im selben Jahr führte Singapur den ersten selbstfahrenden Taxi-Service (nuTonomy) ein.
2017 bis 2018
Audi plante 2017 einen für Level 3 spezifizierten Audi A8 zu veröffentlichen, welcher bis zu 60 km/h vollständig autonom agieren sollte. Dieses Vorhaben wurde eingestellt. Allerdings startete Google im selben Jahr erste Tests vollkommen selbstfahrender Autos (Waymo). Ein tragisches Ereignis fand 2018 statt, als es den ersten tödlichen Unfall durch ein autonomes Fahrzeug gab. In der Schweiz machte sich 2018 außerdem der erste fahrerlose Bus auf den Weg.
2019 bis 2021
Hybrid EX
Honda
Eine Verordnung für automatische und vollautomatische Autos wurde Ende 2019 vom Europäischen Parlament erlassen. Ein Jahr später veröffentlichte Tesla eine Betaversion seiner Software für vollautomatische PKWs. Seit diesem Frühling bietet Honda in Japan den Hybrid EX mit hochautomatisiertem Fahren (Level 3) an.
Das Elektro-Auto bewegt die Menschen und die Gemüter. Viel fühlen sich an die Anfänge des Mobilfunks erinnert: Neue Technik, komplexe Tarife, Roaming-Abkommen und viele Fallstricke.