Digitaler Schutzengel: Kollisionswarnung per Cloud
Mit moderner Technik und der Position der Verkehrsteilnehmer könnte gewarnt werden, bevor es krachen könnte.
Foto: Continental / Deutsche Telekom
Die Firma Continental kennen die meisten Leser als Hersteller von Autoreifen ("Conti"), das Unternehmen macht aber im Bereich Automotive (Technik rund um das und im Auto) noch viel mehr.
Gemeinsam mit der Deutschen Telekom sollen künftig Radfahrer geschützt werden: Die beiden Unternehmen entwickeln ein System, das vor Unfällen zwischen vernetzten Fahrzeugen und Radfahrern oder anderen schwächeren Verkehrsteilnehmern wie Pedelec-, Scooterfahrern und Fußgängern warnen soll.
Intelligente Verkehrsbeobachtung
Mit moderner Technik und der Position der Verkehrsteilnehmer könnte gewarnt werden, bevor es krachen könnte.
Foto: Continental / Deutsche Telekom
So berechnet die Lösung etwa den eingeschlagenen Weg eines Autos und beispielsweise eines Zweirades. Würden sich diese Verkehrsteilnehmer zum gleichen Zeitpunkt am gleichen Ort kreuzen, würde das System per Mobilfunk die beiden Verkehrsteilnehmer in Echtzeit warnen. Die ersten Tests im Straßenverkehr waren erfolgreich. Die Kollisionswarnung entsteht im Projekt Reallabor Hamburg und wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert.
„Gerade schwächere Verkehrsteilnehmer werden im Straßenverkehr oft übersehen. Zudem enden Unfälle zwischen Fußgängern oder Radfahrern und motorisierten Fahrzeugen laut europäischem Verkehrssicherheitsrat zu über 80 Prozent tödlich für die schwächeren Verkehrsteilnehmer. Dank Echtzeitvernetzung und Kollisionswarnung geben wir Radfahrern oder Fußgängern deshalb mehr Sichtbarkeit. So reduzieren wir schwere Unfälle, Verletzte und Verkehrstote“, sagt Karsten Michels, Leiter der zentralen Vorentwicklung bei Continental.
„Mit der Kollisionswarnung statten wir Rad-, Pedelec- und Scooter-Fahrer mit einem digitalen Schutzengel aus“, sagt Oliver Bahns, verantwortlich für Connected Mobility bei T-Systems. „Der Schlüssel dafür ist der hohe Grad an Vernetzung: Etwa 85 Prozent der Bevölkerung in Europa nutzen ein Smartphone. Und auch immer mehr Autos sind verbunden. Mit unseren Rechnern im Mobilfunknetz sorgen wir zudem für extrem kurze Reaktionszeiten.“
GPS, Mobilfunk und Cloud Computing
Die Kollisionswarnung basiert auf Satellitenortung (GPS), Beschleunigungssensoren, dem Mobilfunk und Cloud Computing. Das Auto übermittelt seine Position und Beschleunigungswerte per Mobilfunk in die Cloud. Der Radfahrer sendet diese Informationen via Smartphone oder einen vernetzten Fahrradcomputer ebenfalls in die Cloud. Die Cloud berechnet nun die Wege für die nächsten fünf Sekunden und sendet bei drohender Kollision eine Warnung an das Auto und auf das Endgerät des Radfahrers. Damit diese Information möglichst schnell beide Verkehrsteilnehmer erreicht, kommt immer der Cloud-Rechner im Mobilfunknetz zum Einsatz, der am dichtesten am Ort der möglichen Kollision liegt. Techniker sprechen von "Multi-Access Edge Computing".
Die Partner wollen die Kollisionswarnung für den internationalen Einsatz im Alltag weiter entwickeln und die Ergebnisse zum ITS World Congress vorstellen. Diese Leitmesse für Intelligente Transportsysteme soll vom 11. bis 15. Oktober in Hamburg stattfinden.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Gerade die schwächeren Verkehrsteilnehmer haben es nicht einfach, von daher wäre eine solche Funktion zu begrüßen, die möglichst netzanbieterübergreifend realisiert werden sollte, damit die Warnung auch dann funktioniert, wenn das "eigene" Netz gerade nicht verfügbar ist. Sichergestellt muss auch werden, dass diese Funktion auch dann Leben retten kann, wenn das Guthaben der Prepaidkarte oder das Datenvolumen des Mobilfunkvertrags einer der beiden Verkehrsteilnehmer "abgelaufen" ist.
Und dann gibt es noch ein grundsätzliches Problem: Der Datenschutz. Dieses System würde die exakten Aufenthaltsorte aller Beteiligten kennen, um eine Warnung aussenden zu können. Diese Informationen könnten aber Begehrlichkeiten wecken: Kommt es zu einem Verkehrsunfall, könnte das für die Opfer hilfreich sein, aber auch Versicherungen oder Familienangehörige bzw. Lebenspartner oder Erziehungsberechtigte würden gerne wissen, wo wer wann gewesen ist. Und dann bleibt die Frage, wie sicher die Cloud gegen Abfragen durch "Unbefugte" sein könnte.
Da muss und kann es Lösungen geben, wie die Corona-Warn-App gezeigt hat. Jeder Verkehrsteilnehmer mehr, der nicht mehr schwer verunglückt, wäre den Aufwand wert.
Wer mit dem Handy nach Großbritannien fährt, muss aufpassen. Für Kunden österreichischer Anbieter soll es richtig teuer werden.