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Vodafone: Kölner Dom erkunden mit der Cloud um die Ecke

Der Netz­betreiber Voda­fone hat in Deutsch­land "Multi-Access Edge Compu­ting" gestartet und nahm sich den Kölner Dom als Beispiel.
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Silas Fuchs steht gemeinsam mit einem Mitar­beiter der Kölner Dombau­hütten vor dem Kölner Dom. Gemeinsam klet­tern sie auf einem Gerüst die Kathe­drale hinauf und analy­sieren bis ins kleinste Detail die Außen­fas­sade. In schwin­del­erre­gender Höhe bleibt Silas stehen und deutet mit seiner Hand auf einen kleinen, kaum erkenn­bare Schaden an einer Kreuz­blume, welcher deren Stand­sicher­heit gefährden könnte: „Hier werden bald klei­nere Restau­rie­rungs­arbeiten nötig sein.“

Der Projekt­leiter der Monheimer Firma North­docks hat den Satz gerade beendet, als er seine Virtual Reality-Brille vom Kopf abnimmt. Denn: In Wirk­lich­keit stand Silas Fuchs gar nicht auf einem Gerüst am Kölner Dom. Er saß gemeinsam mit Voda­fone-CEO Hannes Amets­reiter rund 50 Kilo­meter entfernt am Voda­fone-Campus in Düssel­dorf. Der Ausflug in schwin­del­erre­gende Höhen der Nach­bar­stadt fand für Silas Fuchs in der virtu­ellen Realität statt.

Planung von Restau­rie­rungs­arbeiten am digi­talen Zwil­ling

20.000 Aufnahmen vom Kölner Dom: Grundlage für den digitalen Zwilling. Die VR-Brille ist mit der Mobile-Edge-Cloud verbunden 20.000 Aufnahmen vom Kölner Dom: Grundlage für den digitalen Zwilling. Die VR-Brille ist mit der Mobile-Edge-Cloud verbunden
Foto: Vodafone
Silas Fuchs hatte zusammen mit seinen Kollegen im Auftrag und in enger Zusam­men­arbeit mit der Kölner Dombau­hütte einen soge­nannten "Digi­talen Zwil­ling" vom Kölner Dom gebaut. Diese "Kopie" besteht aus mehr als 25 Milli­arden Poly­gonen und sieht in der virtu­ellen Realität voll­kommen echt aus. Finan­ziert wurde die Erstel­lung des digi­talen Zwil­lings vom Zentral-Dombau-Verein. Die Bilder für das 50 Giga­byte große 3D-Modell lieferten Drohnen, die zuvor mehr als 200.000 Detail-Aufnahmen vom Dom aus sämt­lichen Perspek­tiven aufge­nommen hatten.

Virtu­elle Realität ist keine Spie­lerei

Um geschichts­träch­tige Gebäude wie den Kölner Dom instand zu halten, könnten Restau­rie­rungs-Arbeiten künftig in der virtu­ellen Realität voraus­geplant werden – ohne die Bauwerke über viele Monate mit großen Gerüsten zu umhüllen. „Wir wollen den digi­talen Zwil­ling vom Dom für die Begut­ach­tung von nur sehr schwer zugäng­lichen Baube­rei­chen nutzen, um auch an diesen Stellen poten­zielle Schäden erkennen zu können“, erklärt Michael Jürkel, Stein­metz-Meister beim Kölner Dom. „Zudem können unsere Mitar­beiter der Kölner Dombau­hütte am digi­talen Zwil­ling des Kölner Doms auch mit Kollegen von anderen Dombau­hütten, Univer­sitäten und anderen Forschungs­insti­tuten zusammen in der virtu­ellen Realität arbeiten.“

Echt­zeit-Dienste aus der Cloud für digi­tale Zwil­linge oder vernetzte Autos

„Der Kölner Dom ist nur ein Beispiel. Digi­tale Zwil­linge vereinen eine unge­heure Menge von Daten in sich, die zum Endnutzer trans­por­tiert werden müssen. Die Flexi­bilität, die uns VR-Strea­ming mit 5G und Edge Compu­ting bietet, macht daher eine unge­heure Menge von Indus­trie-Anwen­dungen über­haupt erst möglich. Wir freuen uns, Teil dieser neuen Entwick­lung zu sein und nehmen unsere Kunden gerne auf die Reise mit“, so Silas Fuchs, Projekt­manager der North­docks GmbH.

25 Milli­arden Poly­gone erwe­cken digi­tale Zwil­linge zum Leben

Die 25 Milli­arden Poly­gone, die den digi­talen Zwil­ling zum Leben erwe­cken, erzeugen riesige Daten­mengen. Um diese Daten­mengen zu verar­beiten und um mit den Daten in der virtu­ellen Realität zu inter­agieren, brauchte es bislang große Server-Rechner direkt vor Ort. Silas Fuchs nutzt für seine virtu­elle Reise keine Server vor Ort, sondern ausschließ­lich eine VR-Brille und sein Handy. Den Ausflug in den Kölner Dom und die Wartungs­arbeiten können er und die Mitar­beiter der Dombau­hütte von jedem Ort in Deutsch­land machen, wo es stabiles und extrem schnelles Internet gibt, idea­ler­weise auch im Home­office, wenn das im versorgten Gebiet liegt.

Die riesigen Daten­mengen werden in der Cloud verar­beitet. Aber: Diese Cloud-Daten befinden sich aber erst­malig nicht auf riesigen Servern am anderen Ende der Welt, sondern direkt am Rand des 5G-Netzes vor Ort, damit diese Daten­mengen verzö­gerungs­frei verar­beitet und über­mit­telt werden können.

Koope­ration von Voda­fone und Amazon

Der Netz­betreiber Voda­fone und der Cloud-Dienst­leister Amazon Web Services bringen 5G-Edge-Compu­ting nach Deutsch­land. Auf dieser Infra­struktur sollen "Echt­zeit-Services" für Start-Ups, Entwickler und Groß-Kunden reali­siert werden. Passend dazu stellen beide Unter­nehmen die "AWS Wavelength Dienste" bereit, die direkt an den Rand des LTE- und 5G-Mobil­funk­netzes von Voda­fone zu finden sein sollen.

Als Ziel­gruppe sieht Voda­fone Groß­unter­nehmen, Mittel­ständler und junge Start-ups, die sich ‚virtu­elle Echt­zeit-Computer‘ ganz einfach nach den eigenen Wünschen zusam­men­stellen und direkt nutzen können sollen, am liebsten über das 4G/5G-Mobil­funk­netz von Voda­fone.

Echt­zeit-Services überall im Land nutzbar

Bei Mobile-Edge-Computing kommen die Rechner näher zum Kunden. Bei Mobile-Edge-Computing kommen die Rechner näher zum Kunden.
Grafik: Vodafone
Um diese Echt­zeit-Services aus der Cloud zu jeder Zeit und überall im Land verfügbar zu machen, hat Voda­fone soge­nannte "Multi-Access Edge Compu­ting-Server (MEC) direkt am Rande des Mobil­funk-Netzes" bereit­gestellt. Die ersten Echt­zeit-Server dieser Art befinden sich derzeit in den 5G-Rechen­zen­tren von Voda­fone in Berlin, Dort­mund und München in Betrieb. Somit müssten die Daten das Netz für die Verar­bei­tung nicht mehr verlassen, betont man bei Voda­fone. Wohl dem Unter­nehmen, das gut mit Mobil­funk versorgt und nicht allzu weit entfernt ist.

Aber diese Technik kann auch für Soft­ware-Entwickler und oder echte Gaming-Fans in ganz Deutsch­land inter­essant sein. Compu­ter­spiele die quasi in Echt­zeit reagieren, erlauben ein völlig neues Spie­leer­lebnis. Voda­fone sieht die "Echt­zeit-Rechen­leis­tung" für zeit­kri­tische Dienste gedacht, ohne Server-Schränke oder teure Hard­ware daheim oder in der eigenen Fabrik­halle oder im Büro­gebäude.

Digi­tale Zwil­linge in Chemie-Parks oder Flug­zeugen

Die Arbeit mit digi­talen Zwil­lingen soll über 5G-Edge-Compu­ting und AWS Wavelength in zahl­rei­chen Gebieten und Bran­chen alltäg­lich werden. So lassen sich beispiels­weise für Feuer­wehr- und Rettungs­kräfte Übungen und Trai­nings in virtu­eller Umge­bung durch­führen. Ebenso können Wartungs­arbeiten an Flug­zeugen an hoch­auf­lösenden 3D-Modellen voll­zogen werden.

Anhand digi­taler Zwil­linge von Chemie-Parks und Indus­trie-Gebieten können sich sämt­liche Daten­ströme und logis­tische Prozesse ganz einfach und von jedem Ort nach­voll­ziehen lassen. Die 3D-Modelle der Indus­trie-Anlagen sollen hierbei zu jeder Zeit "beim jewei­ligen Kunden bleiben", was die Daten­sicher­heit zusätz­lich erhöhe.

Echt­zeit-Netz trifft Echt­zeit-Server

Erst kürz­lich hatte Voda­fone ange­kün­digt, sein komplettes 5G-Netz bis 2023 auf die moderne 5G-Stan­dalone (5G-SA) Technik umzu­stellen und damit die Latenz­zeiten im 5G-Netz zu redu­zieren. Mit dem Start von Multi Access-Edge Compu­ting (MEC) soll der nächste Schritt folgen.

George Elis­saios, zuständig für AWS Wavelength und Elastic Cloud Compu­ting bei Amazon freut sich auf die Zusam­men­arbeit mit Voda­fone, um Entwick­lern in jeder Region über das 4G/5G-Netz von Voda­fone "vollen, direkten Zugriff auf die AWS Cloud zu ermög­lichen und Inno­vationen in Deutsch­land zu beschleu­nigen.“

Verrin­gerung der Latenz­zeiten auch im LTE-Netz

Voda­fone glaubt, dass durch das Zusam­men­spiel der Tech­nolo­gien bei komplexen indus­tri­elle Anwen­dungen bald Latenz­zeiten von unter 10 Milli­sekunden möglich sein werden. Auch im LTE-Netz könnten die Reak­tions­zeiten durch Multi-Access-Edge-Compu­ting spürbar redu­ziert werden. Deutsch­land­weit gesehen seien auch im LTE-Netz Reak­tions­zeiten von weniger als 20 Milli­sekunden möglich, schätzt man bei Voda­fone.

Weitere Echt­zeit-Server sollen das Mobil­funk-Netz und die Edge-Infra­struktur konti­nuier­lich ergänzen, um die Wege bis zum Ort der Daten­ver­arbei­tung und damit die Latenz­zeiten deutsch­land­weit weiter zu redu­zieren.

Echt­zeit-Daten für Holo­gramme und Augmented Reality

Nied­rige Reak­tions­zeiten in Verbin­dung mit großen Band­breiten, die sich mit 5G über­tragen lassen, sind für die Indus­trie inter­essant: Das Unter­nehmen Festo wurde durch seine Pneu­matik-Tech­nologie bekannt und bietet moderne Auto­mati­sie­rungs­technik: "Mit dem Kombi­nieren von virtu­eller Realität (VR) und 5G können wir kosten­günstig VR-Szena­rien, etwa beim Trai­ning oder der virtu­ellen (Fabrik-)Planung ermög­lichen.“

Echt­zeit-Daten­ana­lyse für Roboter-Steue­rung

KX bietet Daten­ana­lyse-Soft­ware­sys­teme an und nutzt viele Echt­zeit-Daten. KX möchte eine durch­gän­gige Lösung für die Indus­trie 4.0 bereit­stellen für Roboter-Steue­rungen, auto­nome Opera­tionen oder Fern­über­wachungen.

Echt­zeit-Reak­tionen für den Stra­ßen­ver­kehr der Zukunft

Daten­ver­arbei­tung am Rand des Mobil­funk-Netzes wird für den vernetzten Stra­ßen­ver­kehr der Zukunft wichtig, wenn sich beispiels­weise Fahr­zeuge über Mobil­funk gegen­seitig vor Gefahren warnen sollen. In diesen heiklen Situa­tionen zählt jede Milli­sekunde. Mit der Kombi­nation von 5G und MEC-Diensten können Gefah­ren­hin­weise, die Kameras oder Sensoren erfasst haben, beispiels­weise wenn plötz­lich ein Kind hinter einem parkenden Auto auf die Straße rennt, in Echt­zeit als Warnung an die betei­ligten Fahr­zeuge geschickt werden. So könnten in Zukunft entweder das Auto oder der Fahrer schnellst­mög­lich reagieren, um einen Unfall zu vermeiden.

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