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Vodafone schaltet 5G SA bei Porsche ein

In einem Test­wagen ist nicht viel Platz. Wie wäre es, wenn der Entwickler virtuell mitfahren könnte, weil alle rele­vanten Fahr­zeug­daten über Mobil­funk über­mit­telt werden? 5G SA stößt ein Tor zur Zukunft auf.
Aus dem Porsche-Entwicklungszentrum berichtet

Vodafone Chef Ametsreiter (links) hält eine 5G-Antenne von Ericsson in der Hand, rechts Porsche Entwicklungschef Michael Steiner. Vodafone Chef Ametsreiter (links) hält eine 5G-Antenne von Ericsson in der Hand, rechts Porsche Entwicklungschef Michael Steiner.
Foto: Porsche AG
Der histo­risch gewach­sene Ort Weis­sach liegt bei Stutt­gart und ist Auto­freunden ein fester Begriff. Die "Weis­sach-Achse" tauchte erst­malig im Porsche 928 auf. In Weis­sach findet sich das Entwick­lungs­zen­trum von Porsche. Die Bezeich­nung der Achse leite sich aber nicht aus dem Orts­namen ab, sondern stehe für "Winkel einstel­lende, selbst­sta­bili­sie­rende Ausgleichs-Charak­teristik".

Gesi­chert ist, dass am Dienstag Porsche Entwick­lungs­chef Michael Steiner und Voda­fone Deutsch­land Hannes Amets­reiter in Weis­sach "das erste 5G-SA Netz in Europa" für die Auto­indus­trie vorstellten. teltarif.de war vor Ort.

Mobil­funk­geschichte im Express­tempo

Vodafone Chef Ametsreiter (links) hält eine 5G-Antenne von Ericsson in der Hand, rechts Porsche Entwicklungschef Michael Steiner. Vodafone Chef Ametsreiter (links) hält eine 5G-Antenne von Ericsson in der Hand, rechts Porsche Entwicklungschef Michael Steiner.
Foto: Porsche AG
1958 star­tete in Deutsch­land "1G" in Form des A-Netzes, ein Mobil­telefon kostete damals 8-15.000 DM. Zum Vergleich: Für einen VW-Käfer-Neuwagen mussten damals 5000 DM auf die Laden­theke geblät­tert werden. Dazu kam im A-Netz eine monat­liche Grund­gebühr von 270 Mark. Zu den Minu­ten­preisen des Fest­netzes kam noch ein Funk­kanal­zuschlag, je nach Entfer­nung von der erreichten Sende­sta­tion.

Manager erin­nern sich

Voda­fone Chef Hannes Amets­reiter erin­nert sich an sein erstes eigenes Mobil­telefon, ein Nokia 2110, und Porsche Entwick­lungs­chef und Gast­geber Michael Steiner star­tete eben­falls 1997 mit einem Nokia-Telefon, das bald von einem Nokia Commu­nicator abge­löst wurde, der ihm beinahe durchs Jackett-Futter gerutscht wäre.

Auto­mobile Denk­fabrik Weis­sach

Inzwi­schen sind wir bei 5G ange­kommen. Weis­sach ist die Denk­fabrik des Auto­mobil­unter­neh­mens, das heute zum Volks­wagen-Konzern (VW, Audi, Porsche, Skoda, Seat etc.) gehört. "Wir entwi­ckeln seit 50 Jahren alle Porsche Renn­wagen, haben eine eigene interne Renn­strecke, die von außen nicht einsehbar ist. Hier wurden immer wieder neue Meilen­steine gesetzt: Die 800 Volt-Technik für Elektro-Fahr­zeuge, verschie­dene Turbo-Motoren oder Keramik-Bremsen und vieles mehr", zählt Steiner auf.

Die Zukunft des Autos heißt "Konnek­tivität", die Digi­tali­sie­rung sei nicht wegzu­denken. Hannes Amets­reiter nahm die "Hand" eines steu­erbaren Indus­trie­robo­ters, um damit einen roten Knopf der Koope­ration zwischen Voda­fone und Porsche im Motor­sport einzu­läuten.

Schnelle Daten aus schnellen Autos

Was eigent­lich nur Einge­weihte und Porsche-Fans wissen: In Weis­sach gibt es eine nach außen gut abge­schirmte und nicht sicht­bare Test­renn­strecke, wo Porsche seine neuen Boliden auspro­bieren kann. Bei solchen Test­fahrten gibt es unend­lich viele Mess­daten, die bisher auf einem USB-Stick im Fahr­zeug gespei­chert und dann später am Computer ausge­wertet wurden.

Mit 5G SA können diese Daten jetzt verzö­gerungs­frei aus dem Auto in die Compu­ter­sys­teme des Entwick­lungs­zen­trums über­spielt und Antworten ins Fahr­zeug zurück­geschickt werden. "Der Entwickler kann sozu­sagen an der Test­fahrt teil­nehmen."

„Partner-Ökosys­teme“

Um Erfolg zu haben, so Amets­reiter, brauche man Partner und Inno­vati­ons­kraft, die Autos aus Weis­sach seien „ikoni­sche Sport­wagen“ und Geschwin­dig­keit beziehe sich nicht nur auf die Straße, sondern auch auf die Vernet­zung.

"Fühlt man sich gut verstanden, schafft man am meisten", so Amets­reiter weiter. Mit "5G SA" wolle Voda­fone die Tür zur Zukunft einen Spalt weit öffnen.

Vernetzte Autos für Enter­tain­ment und Updates

Das Porsche-Entwicklungszentrum Weissach aus der Vogelperspektive. Deutlich ist die große Testschleife am Bildrand zu erkennen. Das Porsche-Entwicklungszentrum Weissach aus der Vogelperspektive. Deutlich ist die große Testschleife am Bildrand zu erkennen.
Foto: Porsche AG
Voda­fone habe bereits 30 Millionen Autos vernetzt. Falls ein Auto künftig autonom fahre, werden sich die Insassen mit Enter­tain­ment oder Arbeiten während der Fahrt beschäf­tigen. Zur Unter­hal­tung bietet Voda­fone "Content" (z.B. einen Film) oder auch Zugriff auf Firmen­doku­mente an. Moderne Autos brau­chen immer wieder ein Soft­ware-Update, die das Auto über Mobil­funk gelie­fert bekommt. Immer ist eine schnelle Verbin­dung notwendig.

Vernetzte Produk­tion

Autos und andere Güter werden in einem Werk produ­ziert. Voda­fone möchte die Netze für die Produk­tion revo­lutio­nieren - mit idea­ler­weise 1 ms Latenz­zeit, aktuell sind mit 5G SA schon 9-10 ms möglich. In vielen Firmen wird zur Verbin­dung der Roboter und Auto­maten noch WLAN/WiFi verwendet, das nach­weisbar Daten­pakete verlieren kann: "5G verliert nichts".

Daten bleiben im Gelände

Und dann kann mit Core-Slicing (Network Slicing) im 5G-System ein sicheres "Netz im Netz" aufge­baut werden. Mit der Mobile Access Edge Cloud bleiben die Daten im Werks-Gelände, was auf Sicher­heit und Entwick­lungs­geheim­nisse ausge­rich­tete Unter­nehmen zu schätzen wissen.

Verbin­dungen schaffen Sicher­heit

Amets­reiter legt auf den Sicher­heits­aspekt Wert: Je besser Auto und Verkehrs­teil­nehmer vernetzt seien, desto weniger passieren Unfälle, weil alle Verkehrs­teil­nehmer wissen, wo der andere ist und was er tut.

In Weis­sach wurde ein konkretes Beispiel gezeigt: Auf einer Test­strecke steht ein Bus, aus dem Personen aussteigen und hinter dem Bus über die Straße laufen möchten. Ein wartendes Auto "beob­achtet" die Szene.

Der Fahrer eines dritten Autos im Gegen­ver­kehr kann diese Fußgänger selbst nicht sehen, weil sie vom Bus verdeckt sind. Das "Beob­ach­tungs­auto" nimmt die Fußgänger auto­matisch auf und bietet die Info in der direkt vor Ort vernetzten Mobile Access Cloud an. Dort arbeitet künst­liche Intel­ligenz, die diese Bilder bewertet und blitz­schnell entscheiden kann, für wen diese Bilder wichtig sein könnten, etwa dem entgegen kommenden Fahr­zeug. Für all diese Szena­rien braucht es Vernet­zung und Verbin­dung.

Der Nutzer ist der Fahrer

Bei seinen Autos spricht Porsche nicht von der "User Expe­rience" (Nutz­erfah­rung), sondern von der "Driver Expe­rience" (Fahr­erlebnis), wobei die "Passenger Expe­rience" (Erlebnis der Mitfahrer) immer mehr Bedeu­tung bekommt.

Bei Porsche steht klar der Fahrer im Mittel­punkt, der Fahrer soll best­mög­lichst mit seinem Fahr­zeug verbunden sein, denn der Fahrer­sitz ist sein "Arbeits­platz". Daneben gibt es Perspek­tiven für den Beifahrer: Spiele, Enter­tain­ment, Info­tain­ment.

Und wenn das Elektro-Auto zwischen­durch aufge­laden wird, hat auch der Fahrer Zeit für Unter­hal­tung. Das Auto kann [s]ein Büro sein. Assis­tenz­sys­teme werden hoch­auto­mati­siertes Fahren ermög­lichen.

5G ist nicht 5G?

Die 5G-SA-Sendeantenne von Vodafone auf dem Entwicklungszentrum. Das Signal kann nur auf dem Werksgelände empfangen werden. Die 5G-SA-Sendeantenne von Vodafone auf dem Entwicklungszentrum. Das Signal kann nur auf dem Werksgelände empfangen werden.
Foto: Porsche AG / Vodafone
Amets­reiter macht klar, dass man zwischen 5G und 5G unter­scheiden müsse. "5G DSS ist heute bekannt und breit verfügbar. Aber für die schnellsten Autos der Welt, brau­chen wir das schnellste Netz, also 5G-Stand-Alone". Laut Voda­fone sei das Forschungs­zen­trum in Weis­sach das einzige Firmen­gelände in Europa, das schon 5G SA habe.

Genauere Land­karten

Neben Voda­fone und Porsche ist auch der Karten­her­steller Here mit an Bord. Das Unter­nehmen "Here" kennen manche noch unter Nokia Maps. Nokia war einst ein Pionier bei der mobilen Navi­gation über das Handy. Nokia verkaufte sein Karten­unter­nehmen vor einigen Jahren an ein Konsor­tium, worin sich wich­tige Auto­mobil­her­steller und Zulie­ferer zusam­men­getan haben.

Für Szena­rien wie den bereits erwähnten Fußgänger, der die Straße über­quert, sind höchst­prä­zise Karten notwendig, die teil­weise auf bis zu 20 cm genaue Posi­tions­bestim­mungen erlauben.

Das Kamera-Bild, welches das andere Auto aufge­nommen hat, geht in die Cloud. Ein "Message Broker" entscheidet, welche Autos infor­miert und gewarnt werden. Dazu braucht man höchst präzise Koor­dinaten aller Betei­ligten, und zwar in Echt­zeit.

Here Tech­nology liefert orts­bezo­gene Daten und Tech­nologie - "Part­ner­schaften sind uns wichtig." Die über die Kamera erhalten Infor­mationen müssen bewertet werden: Welche Fahr­zeuge sind da betei­ligt, welche Objekte sind wichtig, z. B. ein Hund, ein Fußgänger etc.

Moderne Karten werden in nahezu Echt­zeit erstellt und immer wieder verbes­sert. Es kann auch Karten geben, die sich perma­nent verän­dern, etwa auf Baustellen oder im Unter­tage-Bergbau. Die Infor­mationen von Kameras und Sensoren aus dem Fahr­zeug kommen über das schnelle Netz und liefern perma­nent ein Karten­update, was dann auch andere Fahrer nutzen können.

Weis­sach ist mit 5G SA versorgt

Voda­fone hat das Weis­sacher Firmen­gelände komplett mit 3,5 GHz und 5G SA versorgt. Wer vor den Werks­toren auf seinem Voda­fone-Handy nach Netz sucht, wird aller­dings fast nichts davon bemerken. Die Netz-Abde­ckung reicht gerade auf das Werks­gelände - aber nicht darüber hinaus. Auch mit einem übli­chen 5G-NSA-Handy sieht man das Netz so auf Anhieb nicht, dafür gibt es stabiles 4G. Das Netz wurde bewusst als öffent­liches 5G-Netz konfi­guriert, damit Zulie­fer­firmen auch auf das Netz zugreifen können. Spezi­elle Anwen­dungen mit hoher Prio­rität laufen dann in einem eigenen Network Slice.

Etwas abseits vom Werks­gelände strahlt ein Sende­mast der Telekom auf einer Anhöhe.

5G ist die Zukunft

Sport­über­tra­gungen laufen künftig über 5G-Kameras, den großen schweren Über­tra­gungs­wagen mit der Satel­liten­schüssel brauche man nicht mehr.

Die Zukunft wird aus Intel­ligenz und Konnek­tivität gemacht. Aus Daten, die man sammelt und auswertet. In der Auto­mobil­welt wird Augmented Reality (AR) bei der Entwick­lung eine Rolle spielen.

So kann man ein virtu­elles Auto auf eine Strecke schi­cken, das in der Realität noch gar nicht exis­tiert. Denkbar ist auch, dass man in das Innere des Autos schaut, ohne es öffnen. So offe­rierte Porsche den Besu­chern einen virtu­ellen Renn­sport­wagen und "zerlegte" ihn mit AR, um die verwen­dete Brems­scheibe zu zeigen. Um so ein Auto zu analy­sieren, braucht man 260 Millionen Poly­gone, das schafft das Handy nicht, d.h. die Berech­nungen finden in der Mobile Edge Cloud statt.

Auto virtuell bestellen

Wer künftig sein nächstes Auto bestellen möchte, kann das Auto virtuell konfi­gurieren und Spoiler, Felgen, Reifen und anderen Dingen ausrüsten oder im Innern Platz nehmen, den Koffer­raum aufklappen, die Rück­sitz­bank umlegen und vieles mehr.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Beim Namen Porsche werden Emotionen wach. Sonor blub­bernde Motoren, aber auch ein überaus erfolg­rei­ches Elektro-Auto namens "Taycan". Und was macht der hart arbei­tende Fami­lien­vater oder die allein­erzie­hende Mutter, für welche der Name "Porsche" höchs­tens ein uner­füll­barer Traum bleibt? Nicht ganz. Erfin­dungen und Entwick­lungen, die zuerst in der auto­mobilen Ober­klasse vorge­stellt werden, kommen heute viel schneller als früher auch in den "Brot und Butter Autos" an, erklärt Steiner die Situa­tion.

Braucht es für auto­nomes Fahren ein wirk­lich flächen­deckendes Mobil­funk­netz ("bis zu letzten Milch­kanne")? Nein, sagen Steiner und Amets­reiter und können das begründen. In den Autos bleibt so viel Intel­ligenz, damit sie auch alleine noch fahr­fähig bleiben. Auf der Fahrt nach Weis­sach konnte man fest­stellen, dass sich in Sachen Netz­ausbau in den letzten Jahren viel getan hat. Aber es gibt weiterhin viel zu tun.

Für Voda­fone-Kunden, die noch einen Mobil­funk-Tarif von Unity­media haben, gibt es eine Preis­ände­rung.

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