ausgespäht

Verfassungsbeschwerde gegen Online-Durchsuchung

Ex-Minister: "Drastischer Eingriff in Freiheit der Bürger"
Von AFP / Marie-Anne Winter

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) hat Verfassungsbeschwerde gegen das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz eingelegt, das dem Geheimdienst unter bestimmten Bedingungen das heimliche Ausspähen von Computern erlaubt. Die Beschwerde sei Anfang der Woche beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht worden, sagte Baum heute in Köln gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. In einer in Düsseldorf verbreiteten Erklärung nannte Baum die Online-Durchsuchung von PCs "in wesentlichen Punkten verfassungswidrig". Sie sei ein "drastischer Eingriff in die Freiheit der Bürger, der schwerer wiegt als der Große Lauschangriff".

Mit der seit Januar geltenden Neuregelung im NRW-Verfassungsschutzgesetz soll der Geheimdienst in die Lage versetzt werden, Computer von Terroristen heimlich zu kontrollieren. Ziel sei es, die Beamten auf "technische Augenhöhe mit den Verfassungsfeinden" zu bringen, hatte NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) die Kompetenzausweitung begründet. Dagegen betonte Baum, schon die Erforderlichkeit eines solchen Vorgehens sei "angesichts anderer Fahndungsmöglichkeiten zweifelhaft". Zudem nehme der PC im Leben vieler Bürger eine Bedeutung ein, "die eine völlig neue Dimension des Eindringens in die Privatsphäre eröffnet, die allein mit der Überwachung der Wohnung nicht erreicht werden könnte". Ausgespäht werden könnten neben E-Mails auch Manuskripte, Fotos, Bankgeschäfte, Warenbestellungen oder Korrespondenz mit Verwandten oder Anwälten.

"Der Staat kann sich so mit einem einzigen Zugriff ein vollständiges Bild über den Bürger einschließlich seiner Neigungen, Gewohnheiten und Vorlieben machen", warnte der als Rechtsanwalt in Köln tätige Ex-Minister, der die Verfassungsbeschwerde gemeinsam mit dem Düsseldorfer Rechtsanwalt Julius Reiter und dem Berliner Juristen Peter Schantz einlegte. Bedenklich sei auch, dass gerade dem Verfassungsschutz mit seinen weitreichenden Befugnissen derart schwerwiegende Eingriffe in die Freiheit der Bürger erlaubt würden". Der Verfassungsschutz unterliege nur geringen Kontrollen durch Gerichte und das Parlament, erhalte aber Befugnisse, die noch nicht einmal der Polizei zustünden.

Im Tauziehen um Online-Durchsuchungen von Sicherheitsbehörden hatte der Bundesgerichtshof Anfang Februar entschieden, dass die Polizei nach derzeitiger Rechtslage keinen Computer heimlich durchsuchen darf. Das Urteil erstreckte sich jedoch nicht auf die Neuregelungen im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz.

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