getuned

Editorial: Premium-Internet zum Premium-Preis!?

Wie viel sollen Inhalteanbieter für die Anbindung zahlen?
Von

Wahrscheinlich lassen sich beide Interessen - unbehinderter Zugang zu allen Inhalten, aber auch Sonderqualität zum Sonderpreis für bestimmte Inhalte - miteinander vereinbaren, wenn man etwas weniger aufgeregt diskutiert. "Diskriminierungsfreiheit" heißt nicht, dass alle Datenpakete mit den gleichen Zustellungswahrscheinlichkeiten durchs Netz wandern müssen. Der Begriff verlangt nur, dass die Bildung der Diensteklassen ("normal" und "premium") offen und transparent ist, und dass alle Inhalteanbieter zu gleichen Konditionen Zugang zu der oder den Premium-Klassen haben. Deals wie: "Ich will, dass Google-Pakete extra lange unterwegs sind" sind dann natürlich tabu. Und bei nicht ausgelasteten Backbones müssen auch alle Pakete der "Holzklasse" verlustfrei und in Bestzeit das Ziel erreichen. Nur bei Verstopfung haben hingegen die Premium-Pakete Vorrang.

Die schlimmsten Exzesse bestraft bei der vorgeschlagenen Regelung der Markt fast automatisch: Macht ein Internet-Provider den Premium-Dienst so teuer, dass nur wenige Inhalte-Anbieter sich diesen leisten können, und herrscht bei dem Provider zugleich dauernd Verstopfung, dann werden die Endnutzer diesen in Scharen verlassen, weil der Internet-Zugang dauernd einschläft. Ist der Premium-Preis fair und/oder der Standard-Zugang ebenfalls qualitativ hochwertig, gibt es für Inhalte-Anbieter und Nutzer nichts zu klagen.

Bereits praktiziert

Fakt ist: "Priority Queuing", also die Bevorzugung bestimmter Internet-Daten-Pakete bei der Weiterleitung, wird von allen wesentlichen Herstellern von Internet-Routern bereits seit langem angeboten. Viele Internet-Provider verwenden bereits Priority Queuing, um beispielsweise Pakete der eigenen VoIP-Dienste zu bevorzugen. Unbekannte VoIP-Pakete werden hingegen von einigen ISP sogar bewusst benachteiligt ausgeliefert oder gar blockiert, zum Nachteil providerunabhängiger VoIP-Dienste. Der Zwang zur nichtdiskriminierenden Behandlung externer Inhalte- und Dienste-Anbieter würde solche providerunabhängige VoIP-Anbieter erstmals in die Lage versetzen, auch in den Netzen ihre Dienste anzubieten, in denen sie bisher schlecht funktionieren. Sie wären somit eher besser gestellt, nicht schlechter. Dasselbe gilt erst recht für breitbandige Streaming-Inhalte wie Videos.

Fazit

Doch eine Einigung nach dem dargestellten Prinzip - nämlich faire, nichtdiskriminierende Priorisierung gegen Entgelt zuzulassen - scheint in weiter Ferne. Die Backbone-Betreiber, die die Inhalte- und Dienste-Anbieter zur Kasse bitten wollen, brauchen auch das Recht zur absichtlichen Dienste-Verschlechterung, was mit den vorgenannten Fairness-Regeln unvereinbar ist. Ohne die absichtliche Verschlechterung lohnt es sich für die Internet-Provider gar nicht erst, die Premium-Qualitäten anzubieten. Internet-Daten-Massenübertrager wie Google fürchten hingegen, dass jede Form der Bepreisung für sie neue, erhebliche Kosten bewirkt. Sie sind der Meinung, dass, wie derzeit üblich, weiterhin die Masse der Kleinverbraucher die Traffic-Kosten bezahlen soll. Das ist aber auch nicht sonderlich demokratisch.

Weitere Artikel zur Diskussion um eine Internet-Maut