Demonstrationen

Ungarn protestieren gegen Gesetzentwurf für Internet-Steuer

Es war der massivste Protest gegen die Orban-Regierung seit mehr als zwei Jahren: Die geplante Internet-Abgabe empört vor allem junge, urbane Ungarn. Sie empfinden eine Extra-Besteuerung des Netzes als grundfalsches Signal.
Von dpa / Paulina Heinze

Demonstration gegen Internet-Steuer in Ungarn Demonstration gegen Internet-Steuer in Ungarn
Bild: dpa
Mehr als zehntausend Menschen haben am Sonntagabend in Budapest gegen die geplante Einführung einer Internet-Steuer demonstriert. Die Redner verlangten die Rücknahme des entsprechenden Gesetzes­entwurfs. Der Regierung des rechts-konservativen Minister­präsidenten Viktor Orban gaben sie dafür 48 Stunden Zeit. Die Kundgebungsteilnehmer skandierten immer wieder die Parole "Wir lassen es nicht zu!" Mit ihren Handys, die sie hochhielten, erzeugten sie ein Lichtermeer. Die umstrittene Steuer soll am Dienstag im Parlament erörtert werden. Sie soll den Plänen zufolge 150 Forint (0,49 Euro) pro Gigabyte Datenverkehr betragen. Die Feststellung der Datenmengen obliegt dem Internet-Provider; er muss die Steuer auch gegenüber dem Finanzamt erklären und bezahlen.

Die geplante Abgabe ist in Europa einzigartig. Ökonomen befürchten negative Auswirkungen auf die digitale Wirtschaft und damit auf das Investitionsklima insgesamt.

Zu der Kundgebung am Sonntag hatte die Facebook-Gruppe Hunderttausende gegen die Internet-Steuer aufgerufen. Sie war vor fünf Tagen gegründet worden, nachdem die Steuerpläne der Orban-Regierung bekannt­geworden waren. Seitdem ist die Gruppe von mehr als 200 000 Menschen "geliked" worden.

Die Demonstration am Sonntag war der machtvollste Protest gegen die Orban-Regierung seit mehr als zwei Jahren. Unterstützt hat sie auch EU-Digitalkommissarin Neelie Kroes. "Ich rufe Euch dazu auf, Euch den Menschen anzuschließen (...), die über #Ungarns Internet-Steuerpläne empört sind und heute (...) protestieren werden", teilte sie über den Kurznach­richtendienst Twitter mit.

Orban regiert in Ungarn seit 2010 mit einer verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit im Parlament. Kritiker werfen ihm autoritäre Anwandlungen vor. Die Maßnahmen seiner Regierung zur Einschränkung der Medienfreiheit und Rechtsstaatlichkeit sowie die Sonderbesteuerung von internationalen Unternehmen haben zu zahlreichen Konflikten mit der Europäischen Union (EU) geführt.

Sechs Festnahmen nach Protest gegen Internet-Steuer in Budapest

Demonstration gegen Internet-Steuer in Ungarn Demonstration gegen Internet-Steuer in Ungarn
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Nach Beendigung der Kundgebung stürmten mehrere vermummte Fußball-Hooligans am Sonntagabend den Sitz der rechts-konservativen Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten), wie Augenzeugen berichteten. Sechs Männer im Alter zwischen 19 und 35 Jahren seien im Anschluss daran festgenommen worden, teilte die Polizei in der Nacht zum Montag mit. Die Behörde leitete gegen sie ein Verfahren wegen Sachbeschädigung und Landfriedens­bruchs ein, hieß es weiter. Die Kundgebung davor war friedlich verlaufen.

Die Fidesz-Parlaments­fraktion verurteilte in einer Stellungnahme am späten Sonntagabend die Gewalt gegen den eigenen Parteisitz. Zugleich kündigte die Fraktion an, den Gesetzesentwurf dahingehend zu verändern, dass die neue Steuer mit 700 Forint pro Monat und Nutzer "gedeckelt" wird.

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