Sommerzeit

Editorial: Wann kommt die individuelle Zeitumstellung?

Die zentrale Zeit­umstel­lung um eine Stunde zum Sommer bzw. Winter verur­sacht Jetlag. Gibt es auch Alter­nativen?
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Zeitumstellung Zeitumstellung: Muss es eine Stunde am Stück sein?
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Letztes Wochen­ende war wieder mal die Umstel­lung von Sommer- auf Winter­zeit. Früher war diese Zeit­umstel­lung ein echtes Ärgernis, weil man im Haus­halt meist ein halbes Dutzend Uhren umstellen musste - oft sogar inklu­sive des Handys, worüber ich mich vor gut einem Jahr­zehnt schonmal aufge­regt hatte, weil Handys eigent­lich in der Lage sein sollten, die aktu­elle Zeit aus dem Netz zu beziehen. Tatsäch­lich war die dafür notwen­dige Tech­nologie damals bereits spezi­fiziert, in Deutsch­land aber noch nicht imple­men­tiert.

Nun, seitdem hat sich viel getan, inzwi­schen über­tragen so gut wie alle Mobil­funk­netze welt­weit ein aktu­elles Zeit­signal. Vorreiter in Deutsch­land waren dies­bezüg­lich übri­gens o2 und E-Plus, letz­tere aber erst seit 2015, also noch gar nicht so lange. Das Zeit­signal bietet dabei nicht nur Vorteile bei der lästigen Umstel­lung zwischen Sommer- und Winter­zeit, sondern auch bei Fern­reisen in andere Zeit­zonen: Sofort nach dem Einbu­chen in ein fremdes Roaming-Netz zeigen aktu­elle Smart­phones dann auch die aktu­elle Zeit­zone an. Auch hier werden so lästige und fehler­anfäl­lige manu­elle Umstel­lungen vermieden. Nach meiner Erfah­rung klappt das mit der Zeit­umstel­lung aber nicht immer perfekt: In einem Dual-SIM-Handy konnte ich es auf den Kana­rischen Inseln - die sind Fest­land-Spanien um eine Stunde hinterher - schon mal erleben, dass die Zeit partout falsch ange­zeigt wurde und ich zurück zur manu­ellen Einstel­lung musste. Solche Fehler sind aber Einzel­fälle.

Eben­falls ein Einzel­fall ist ein Fehler in alten Speed­port-Routern der deut­schen Telekom: Diese beziehen die exakte Welt­zeit (UTC) von Zeit­ser­vern im Internet und rechnen diese dann aufgrund der bekannten Zeit­zonen-Regeln in die Lokal­zeit um. Ein Program­mier­fehler führt bei alten Routern aber dazu, dass die Winter­zeit-Umstel­lung eine Woche zu spät passiert, wenn der 1. November auf einen Sonntag fällt. Das war 2015 schonmal passiert, und 2012 und 2018 erfolgte die Sommer­zeit­umstel­lung eben­falls eine Woche zu spät, weil der 1. April ein Sonntag war. Dennoch hat niemand die Firm­ware dieser alten Geräte aktua­lisiert. "Never touch a buggy system". Mein weiß ja nicht, welche Folge­fehler sich plötz­lich zeigen, wenn man über­haupt etwas tut. Die Winter­zeit­umstel­lung 2026 und die Sommer­zeit­umstel­lung 2029 sind dann die nächsten Gele­gen­heiten, über diesen obskuren Bug zu berichten. 2038 lauert dann übri­gens noch der Jahr-2038-Bug, der so manches Gerät mit alter Firm­ware an den Anfang des letzten Jahr­hun­derts zurück­werfen wird, zumin­dest, was es die Uhrzeit-Anzeige betrifft.

Hauruck-Umstel­lung sinn­voll?

Zeitumstellung Zeitumstellung: Muss es eine Stunde am Stück sein?
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Die andere Frage ist, ob in Zeiten von Smart­phones und Smart Home die Sommer- und Winter­zeit-Umstel­lung im Hauruck-Verfahren mit einem Versatz von einer Stunde noch sinn­voll ist. Während die "geschenkte Stunde" zum Beginn der Winter­zeit von vielen als ange­nehm empfunden wird, ist die "geklaute Stunde" zum Sommer­zeit-Beginn echt hart. Sie wirkt wie ein Jetlag und die Bürger brau­chen mehrere Tage, um sich an den neuen Zyklus zu gewöhnen.

Die Notwen­dig­keit zur Zeit­umstel­lung rührt übri­gens daher, dass die amtliche Zeit nicht an die innere Uhr des Menschen gekop­pelt ist, für die der morgend­liche Sonnen­auf­gang die wich­tigste Stell­größe ist, sondern an den Sonnen­höchst­stand mittags, der sich einfa­cher messen lässt. Am Sonnen­höchst­stand gestellte Sonnen-, Wasser- und Sand­uhren, die den Tag in Stunden teilen, gab es schon in der Antike. Die Kepler­schen Gesetze, mit denen sich zumin­dest im Flach­land bei Kenntnis von geogra­phi­scher Länge und Breite die genauen Sonnenauf- und -Unter­gangs­zeiten berechnen lassen, wurden hingegen erst in der Neuzeit entdeckt. Doch Uhren, die die Sonnen­auf­gangs­zeiten berück­sich­tigen, wären dennoch bis vor kurzem viel zu teuer geworden.

Inzwi­schen hat hingegen jedes Smart­phone mehr Rechen­power, als die NASA selbst für die Mond­lan­dungen benö­tigte. Zudem hat die Forschung die Innere Uhr des Menschen entschlüs­selt hat, wofür 2017 der Medizin-Nobel­preis verliehen) wurde. Daher sollten "wir" darüber nach­denken, die biolo­gische und nicht mehr die physi­kali­sche Zeit zum Takt­geber der im Alltag verwen­deten Uhren zu machen. Es bleibt dann dabei, dass ein Tag unge­fähr 24 Stunden lang ist, aber im Früh­jahr laufen die Uhren minimal schneller, im Herbst minimal lang­samer, um dem unter­schied­lichen Tag-/Nacht-Zyklus zu folgen. Wenn sich die Zeit täglich nur um eine Minute verschiebt, bekommt niemand deswegen ein Zeit­umstel­lungs-Jetlag mehr.

Übri­gens: Exakt 24 Stunden war der Tag noch nie lang, denn die Tage sind im Winter etwas länger, im Sommer etwas kürzer, mit der Folge, dass sich der Sonnen­auf­gang im Sommer im Vergleich zur physi­kali­schen 24-Stunden-Uhr immer weiter nach vorne schiebt. Diese Verschie­bung ist der Grund dafür, dass die Winter­zeit-Umstel­lung erst Ende Oktober erfolgt und nicht rund um den Zeit­punkt der Tag- und Nacht­gleiche Ende September.

Da der morgend­liche Sonnen­auf­gang nicht der einzige Reiz ist, der die innere Uhr synchro­nisiert, müsste man in einer mehr­jäh­rigen Test­phase mit einer Viel­zahl von Test­per­sonen in unter­schied­lichen Ländern ermit­teln, was der für diese Personen jeweils ange­nehmste Hub zwischen Sommer- und Winter­zeit ist. Klar ist, dass man auch in den Gebieten Finn­lands mit Mitter­nachts­sonne den Sonnen­auf­gang nicht auf Mitter­nacht nach vorne schieben wird. Aber ebenso klar dürfte sein, dass die aktu­elle Umstel­lung von nur 60 Minuten für Helsinki eigent­lich zu wenig ist, wenn dort im Sommer bei der derzei­tigen Sommer­zeit­rege­lung die Sonne bereits gegen 04:30 Uhr aufgeht, im Winter hingegen erst gegen 09:30 Uhr.

Mit dem "Dark Mode", der aktu­elle Smart­phones auto­matisch nachts auf dunklen Hinter­grund und folg­lich weniger falsche Wach­impulse für die innere Uhr umstellt, wurde bereits ein erster kleiner Schritt zur Rück­kehr zur biolo­gischen Uhrzeit getan. Ein Zeit­zonen-Schema, dass sich am regio­nalen Sonnen­zyklus und nicht mehr an physi­kali­schen Abso­lut­zeiten orien­tiert, wäre der nächste Schritt. Und nein, man müsste mitnichten für alle die Sommer-/Winter­zeit­rege­lung auf einmal umstellen. Man müsste ledig­lich Websites, die Fahr­pläne oder Veran­stal­tungs­ter­mine enthalten, so abän­dern, dass diese bei der Anzeige auf dem Smart­phone oder im Browser auto­matisch auf die persön­liche Zeit umge­rechnet werden. Dann könnte ein Teil der Bürger bei der aktu­ellen "System­zeit" bleiben, und andere auf eine an der biolo­gischen Uhr orien­tierten Zeit­anzeige umstellen.

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