Desaster?

Enttäuschend: Bundesweiter Warntag warnte nicht überall

Der erste bundes­weite Warntag lief in vielen Radios unter Vermischtes. Wer nicht vorab infor­miert war, hat mögli­cher­weise nichts davon mitbe­kommen.
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Die Berliner erfuhren vom Warntag vielleicht über Anzeigetafeln (hier für den Busverkehr) Die Berliner erfuhren vom Warntag vielleicht über Anzeigetafeln (hier für den Busverkehr)
Foto: Picture Alliance / dpa
Heute sollte der erste bundes­weite Warntag des Bundes­amtes für Bevöl­kerungs­schutz und Kata­stro­phen­hilfe (BBK) sein. Die Idee: Alle (noch vorhan­denen) Sirenen heulen, Radio und TV unter­bre­chen ihr Programm, bestimmte top-aktu­elle DAB+-Radios schalten sich selbst ein und instal­lierte Apps auf den Handys geben Nach­richt.

Die Praxis: In einigen Städten passierte nichts. Gar nichts. Radio­sender unter­bra­chen ihr Programm nicht, sondern gaben nur dezente Hinweise auf den Warntag, wenn im Programm dafür gerade Platz war.

In Groß­städten wie Berlin oder Frank­furt/Main gibt es keine Sirenen mehr oder sie wurden nicht ausge­löst, folg­lich blieb es dort "ruhig".

Warn-Apps blieben teil­weise stumm

Die Berliner erfuhren vom Warntag vielleicht über Anzeigetafeln (hier für den Busverkehr) Die Berliner erfuhren vom Warntag vielleicht über Anzeigetafeln (hier für den Busverkehr)
Foto: Picture Alliance / dpa
Die Warn-App "Hessen­warn", welche auf der bundes­weiten "Katwarn"-App (für iOS, für Android) beruht, meldete beim Autor um 10.50 Uhr, dass es in 20 Minuten einen Alarm geben würde. Um 11.30 Uhr meldete sie fast lautlos die Entwar­nung und Aufhe­bung des Alarms. In einem kleinen Ort lief um 11.15 Uhr die vorhan­dene Sirene (wie geplant) in anderen Orten schon um 11.13 Uhr. Hier Infos auf einem Bahnhof. Hier Infos auf einem Bahnhof.
Foto: Picture Alliance / dpa
Die Warn-App „Nina“ (für iOS, für Android) scheint bei vielen Nutzern still geblieben zu sein, die ange­kün­digte Warn­mel­dung erschien zunächst nicht. „Wir wissen, dass es teil­weise geklappt hat“, antwor­tete eine Spre­cherin des Bundes­amts für Bevöl­kerungs­schutz und Kata­stro­phen­hilfe (BBK) auf Nach­frage. Teil­weise sei es aber auch zu einer Über­las­tung des modu­laren Warn­sys­tems gekommen. „Deshalb gibt es gerade Verzö­gerungen bei der Auslö­sung.“ Die App soll Nutzer vor Gefahren warnen – beim Probe­alarm sollte sie einen Hinweis über­mit­teln.

Häme und Spott im Internet

Auf Twitter hat sich unter dem Hashtag #warntag eine lebhafte Diskus­sion entwi­ckelt. Teil­weise seien die Sirenen so leise gewesen, dass sie von Umwelt­geräu­schen (Autos, Flug­zeuge etc.) über­lagert wurden. "Wie blamiert man sich als Land der Tech­niker und Inge­nieure mal so richtig!? Deutsch­land Warntag 2020 .... es fehlen einem die Worte", schrieb ein anderer Twitter-Nutzer.

Welche Warn-App?

Es gibt zig Warn-Apps (Welche ist die rich­tige?) und nicht jeder Nutzer hat eine instal­liert, sei es aus Desin­ter­esse oder Spei­cher­platz­mangel oder schlichter Unkenntnis. Und jede Verpflich­tung das zu tun, wird von vielen Anwen­dern als Eingriff in ihre persön­liche Frei­heit gesehen, wie man ja schon an der Corona-Warn-App sieht.

Einzel­adres­sie­rung oder Broad­cast?

Nicht überall stehen solche großen Warntafeln (wie in Berlin, Unter den Linden) Nicht überall stehen solche großen Warntafeln (wie in Berlin, Unter den Linden)
Foto: Picture Alliance/dpa
Indi­vidu­elle Systeme, die jeden Teil­nehmer einzeln adres­sieren müssen, sorgen für Netz­last. Prak­tischer wären Broad­cast-Dienste wie Radio, Fern­sehen, Funkruf oder eine Handyapp, die auf einem bestimmten "Kanal zuhört".

SMS-Cell­broad­cast gibts nicht mehr

Die Mobil­funk-Funk­tion "SMS Cell-Broad­cast" war einst in jedem Handy vorhanden, wurde aber von den Netz­betrei­bern oft nur halb­herzig oder auch gar nicht genutzt. Schließ­lich haben die Handy­her­steller die Funk­tion abge­kün­digt. Bei 4G oder 5G sind solche Funk­tionen mögli­cher­weise gar nicht mehr vorhanden oder müssten geson­dert akti­viert werden.

Option Pager?

Funk­ruf­dienste wie e*message kommen zur gesamten Bevöl­kerung nicht (mehr) durch, da nahezu niemand mehr einen Pager-Empfänger hat und die tech­nisch denk­bare Frei­schal­tung der Wetter­sta­tionen (die oft ihre Wetter­daten über das e*message Netz beziehen) nicht erfolgt oder gewünscht oder viel­leicht je nach Modell nicht möglich ist.

Der Funk­ruf­dienst Skyper, der nicht nur private sondern auch allge­meine Themen­nach­richten ausge­sendet hatte, wurde mangels Inter­esse und aus wirt­schaft­lichen Gründen einge­stellt.

Letzter Groß­alarm vor 30 Jahren?

"So etwas hat es in Deutsch­land zuletzt vor 30 Jahren gegeben. Viele Jüngere können deshalb damit heute gar nichts mehr anfangen. Daher muss der Weck­effekt der Sirene auch mit Hand­lungs­emp­feh­lungen verknüpft werden", fordert Chris­toph Unger, Präsi­dent des Bundes­amts für Bevöl­kerungs­schutz und Kata­stro­phen­hilfe (BBK).

Kata­stro­phen­müde?

Doch Hand aufs Herz: Im Zeit­alter der aktu­ellen Corona-Situa­tion haben viele Menschen von Alarmen und Kata­stro­phen-Meldungen mehr als genug. Wenn eines Tages wirk­lich alle elek­tro­nischen Haus­halts-Geräte unge­fragt loslegen und "Klin­geln" oder "Hupen" würden, wäre es vielen Mitmen­schen bestimmt auch nicht recht.

Ein Fazit: Das BBK sollte die Ergeb­nisse nutzen, um es im nächsten Jahr besser zu machen.

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