Berlin: LTE-Mobilfunknetz in U-Bahn weiter ausgebaut
Als Mitte der 1990er Jahre die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und der Netzbetreiber E-Plus beschlossen, den Berliner Untergrund auszubauen, war das eine kleine Sensation. Viele Marktteilnehmer und Nutzern "belächelten" das Angebot. Braucht man in der U-Bahn unbedingt Netz?
BVG und E-Plus schlossen damals einen Exklusivpakt. Vielleicht hängt auf dem einen oder anderen Bahnhof noch ein grüner Aufkleber: "Hier können Sie mit E-Plus telefonieren".
Telekom und Mannesmann/Vodafone lernten bald, dass auch sie in den Untergrund mussten. Da aber die BVG nur einen "Generalunternehmer" unter Tage haben wollte, wurde ein Konsortiumsvertrag geschlossen. E-Plus übernahm für Telekom und Vodafone die Netzversorgung gleich mit.
Erst später durfte auch Telekom ("T-D1") und Mannesmann/Vodafone ("D2") im Berliner Untergrund senden. Vorher gab es überall Schilder von E-Plus.
Foto: privat / teltarif.de
In für die Öffentlichkeit versteckten Räumen tief im Untergrund wurden die Mobilfunksender der Netzbetreiber montiert und deren Ausgangssignale in gemultiplexte Lichtsignale umgewandelt, um das Signal teils über viele hundert Meter Kabel übertragen zu können. Dazu werden die Signale aller beteiligten Netze gemischt und am Zielpunkt über Antennen in den Tunnels oder U-Bahnhöfen wieder ausgestrahlt.
Eine Spezial_Mehrband-Antenne für die Berliner U-Bahn
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Als Antenne kann auch ein sogenanntes Schlitzkabel dienen, das ist ein Koaxkabel mit Löchern, woraus die Funksignale austreten und den Nutzer im Zug erreichen können.
Links: Schlitzkabel, Koaxkabel mit Löchern. Rechts: Einblick in eine Antenne, die viele kleine Elemente enthält.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Telefónica "erbt" den Untergrund
E-Plus fusionierte mit o2-Telefónica und so erbte das Unternehmen die "Rechte", den Berliner Untergrund zu versorgen.
2G kam in die Jahre
Inzwischen war die Technik vorangeschritten. 2G (GSM) war nur noch für Sprachtelefonie zu gebrauchen, die übertragbaren und zu übertragenden Datenmengen sorgten meistens für Stillstand. UMTS (3G) wurde inzwischen abgeschaltet und 4G-Technik hatte zunächst nur o2 selbst am Start.
Die Folge: Kunden von Telekom und Vodafone waren im Untergrund quasi abgeschnitten, Kunden von o2 (und ehemalige E-Plus-Kunden) waren spürbar im Vorteil. Wer sich auskannte, verwendete ein Dual-SIM-Handy mit mindestens einer SIM-Karte im o2-Netz.
Unter Tage arbeiten ist nicht einfach
Dazu kam die Problematik, dass das Arbeiten im Untergrund nur zu bestimmten Tageszeiten (z.B. in den Betriebspausen) und nur nach Durchlaufen bestimmter umständlicher Genehmigungsprozeduren (Bauordnung, Denkmalschutz usw.) möglich ist. Zusätzlich besteht die Pflicht zur Teilnahme eines Sicherheitsbeauftragten der BVG an den Bauarbeiten. Das verzögert(e) den Ausbau ungemein.
Das Einbauen von Sendeanlagen und Multiplexern im Untergrund erforderte viele Betriebsräume, die aufgrund der Wärme im Untergrund klimatisiert werden müssen, und auch hier ist ein Zugang nicht jederzeit ohne erneute Bürokratie und Abstimmung möglich.
Umzug beschlossen
Im BTS-Hotel irgendwo in Berlin. Die Sendeeinheiten der Netzbetreiber Telekom, Vodafone und Telefónica. Die Signale werden gemischt und per Glasfaser in den Untergrund geschickt.
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Also wurde schon vor Jahren beschlossen, die Technik aus dem Untergrund herauszuholen und in sogenannte BTS-Hotels zu verfrachten. Das sind gesicherte Technik-Räume, die über ganz Berlin verteilt sind. Darin hat jeder Netzbetreiber seine Racks mit den Sendestationen und der gemeinsamen Multiplexer-Einheit aufgebaut. Diese zusammengemischten Signale werden dann über Glasfaser in den Untergrund verbracht und vor Ort erneut in Funksignale auf 700 bis hoch auf idealerweise 3600 MHz (je nach Standort) umgewandelt und ausgestrahlt.
Wo diese BTS-Hotels genau sind, soll geheim bleiben. Man hat verständliche Bedenken, dass gewisse Menschen oder Gruppierungen, denen das Anrichten von Chaos am Herzen liegt, auf dumme Gedanken kommen könnten. Zudem hat sich bekanntermaßen auch die geopolitische Sicherheitslage in Europa in den vergangenen Jahren verändert.
Es geht voran
Klimatisierter Server-Raum irgendwo in Berlin. Hier werden die Systeme verwaltet und die Signale weitergeleitet.
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Nun gibt es so etwas wie einen Lichtblick: Nach jahrelangen Verzögerungen soll der Ausbau eines schnellen Handynetzes in der Berliner U-Bahn nun tatsächlich in absehbarer Zeit weitgehend fertig sein. Der Ärger vieler Fahrgäste über gar keine oder unendlich langsame Handyverbindungen (speziell für Kunden von Telekom und Vodafone) könnte damit irgendwann der Vergangenheit angehören.
Im Juli seien weitere Bereiche in den Linien U1, U2 und U3 von der Mobilfunkfirma o2-Telefónica, die für den Ausbau der technischen Infrastruktur verantwortlich ist, mit einem LTE-Netz fertiggestellt worden, antwortete die Senatswirtschaftsverwaltung auf eine CDU-Anfrage.
teltarif.de hat sich immer wieder im Untergrund umgeschaut und festgestellt, es hat sich wirklich einiges getan.
Ist bis 2024 alles fertig?
Bis etwa März 2024 will Telefónica das neue LTE-Mobilfunksystem vollständig errichtet haben. Telekom und Vodafone können sich dann dort, wo sie bisher noch nicht sind, auch auf diese Systeme aufschalten oder haben das schon getan.
Der Teufel liegt im Detail
Störungen verschiedener Art hatten in der Vergangenheit "den zügigen Ausbau zeitweise behindert", hieß es. Ein Handicap war beispielsweise ein politisch gewollter und unglaublich schneller Ausbau des Behördenfunks im Untergrund, der im Detail als "geheim" gilt, was bedeutet, die Techniker von Telefónica mussten in dieser Zeit "warten".
Wo geht es inzwischen?
Aktuelle Ausbaukarte: Grün: Oberirdisch, Rot: Unterirdisch, Blau: fehlt noch. Violetter-Kreis: Telekom ok, Vodafone in Kürze. Das gesamte Strecken-Netz sollte mit o2 versorgt sein.
Grafik: teltarif.de
Inzwischen sind aber große Teile der U-Bahnlinien auch für die Wettbewerber am LTE-Netz.
Versorgt sind bisher:
- U1 - Uhlandstr. bis Kurfürstenstr.
- U2 - Deutsche Oper bis Pankow
- U3 - Hohenzollernplatz bis Kurfürstenstr.
- U4 - Nollendorfplatz bis Innsbrucker Platz
- U5 - Hönow bis Hauptbahnhof
- U6 - Afrikanische Str. bis Alt Mariendorf
- U7 - Bayerischer Platz bis Rudow
- U8 - Wittenau bis Hermannstraße
- U9 - Osloer Straße bis Berliner Str.
Erst jüngst (im Juli 2023) wurden weitere Bereiche auf der U1, U2 und U3 infrastrukturseitig von o2 Telefónica fertiggestellt, die Aufschaltung der beiden Netzbetreiber Telekom und Vodafone ist insofern auch hier möglich. Aber: Speziell im Westteil Berlins muss noch einiges getan werden.
Gibt es auch 5G im Untergrund?
Das 5G-Netz wurde als Test von Telefónica auf einigen Strecken bereits aktiviert. Die Versorgung mit 5G auf allen Strecken wird vorbereitet, was dann relativ schnell gehen könnte, weil die Sendertechnik in den BTS-Hotels verbaut wird und die Anlagen im Untergrund breitbandig ausgelegt sind und alle Protokolle und Modulationsverfahren ausstrahlen können.
Deswegen ist man in Berlin optimistisch: Diese Technologie könnte dann "schon recht bald im Anschluss an den vollständigen LTE-Mobilfunkausbau genutzt werden."
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Die Berliner U-Bahnlinie U2 war wegen Bauschäden lange Zeit unterbrochen.
Foto: Picture Alliance/dpa
Eine vollständige Versorgung eines U-Bahn-Systems sollte eigentlich heute zum Standard gehören. Aber im Detail ist das alles kompliziert und zeitraubend. Ob bis 2024 alles fertig wird? Schön wäre es. Die Aufgabe der Politik wäre es, die für Außenstehende "bürokratisch wirkenden" Strukturen der U-Bahn-Verwaltung auf den Prüfstand zu stellen. Wenn der Behördenfunk binnen eines Jahres verbaut werden konnte, wenn das von vielen Kunden vermisste ehemalige Unternehmen E-Plus binnen eines Jahres 3G ausrollen konnte, müsste mit dem gleichen politischen Druck auch eine Beschleunigung des öffentlichen Mobilfunks möglich sein.
Schon früher hatten wir über den Ausbau der U-Bahn berichtet.