Handynetz überall: Telekom funkt aus der Stratosphäre
Flächendeckender Mobilfunk, wirklich überall - bislang ein Traum. Eine Lösung: Sendemasten aufbauen, doch viele Sender stoßen auf Bedenken oder Ablehnung. Ein andere Lösung: Fliegende Sendestationen in der Luft. Lange galt das als "verrückte Idee", doch es ist offenbar möglich.
Die Deutsche Telekom hat gemeinsam mit ihrem in Cambridge (UK) beheimateten Technologiepartner Stratospheric Platforms Limited (SPL) die weltweit erste erfolgreiche Demonstration von LTE(4G)-Sprach- und Datenverbindungen über eine am Rand der Stratosphäre fliegende Plattform durchgeführt, die vollständig in ein kommerzielles Mobilfunknetz integriert war.
Testflüge bei Tussenhausen
Ein Flugzeug der Marke H3Grob G520, die im bayrischen Tussenhausen hergestellt wird. Auf der Unterseite sind die Antennen sichtbar.
Foto: Deutsche Telekom
Anfang Oktober wurden bei Tussenhausen (Bayern) bei mehreren Testflügen mit einem ferngesteuerten Flugzeugsystem vom Typ H3Grob G520 in einer Höhe von ca. 14 Kilometern (45.000 Fuss, FL450) Sprach- und Datenverbindungen über die am Flugzeug verbauten Antennen durchgeführt. Hierbei waren Voice-over-LTE-Anrufe (VoLTE), Videoanrufe, Datendownloads und Web-Browsing auf einem Standard- Smartphone möglich. Das Smartphone war während des Tests über die Antennen am Flugzeug mit dem terrestrischen Mobilfunknetz der Telekom Deutschland verbunden. Der Stratosphärentest zeigte im 2,1-GHz-Bereich Download-Geschwindigkeiten von 70 MBit/s und Upload-Geschwindigkeiten von 20 MBit/s über eine Kanalbandbreite von 10 MHz.
Freie Sicht, 100 km Zelldurchmesser
Durch die große Flughöhe und eine nahezu freie Sicht auf den Boden kann ein Flugzeug mit speziellen Antennen Funkzellen von bis zu 100 Kilometern Durchmesser versorgen und dabei das bestehende Mobilfunknetz am Boden ergänzen. Gerade in Bereichen, die z.B. durch geografische Höhenzüge bislang in einem Funkschatten liegen, die sogenannten „weißen Flecken“, wäre zukünftig eine Mobilfunknutzung möglich. Für Kunden erfolgt dabei der Übergang der Verbindung von einem klassischen Mobilfunkmast zu einer fliegenden Antenne reibungslos und unbemerkt.
Sendemast "fliegt" mit Wasserstoff
Die Planarantennen senden auf 2,1 GHz in LTE oder 5G, je nachdem was gefragt ist.
Foto: Deutsche Telekom
Am Unternehmen "Stratospheric Platforms (SPL)" ist die Deutsche Telekom als Aktionär beteiligt und einer der ersten Kunden. SPL entwickelt eine mit Wasserstoff-Brennstoffzellen betriebene, langlebige Plattform, die Kommunikationsnutzlast und die dazugehörige Infrastruktur, die als "Telekommunikationsmast" in der Stratosphäre betrieben werden soll. Der Vorteil: Als "Abgase" entsteht nur normaler Wasserdampf.
Endlich überall Netz?
Diese Plattform soll eine hochwertige, allgegenwärtige 4G- und 5G-Abdeckung bieten, welche für Netzbetreiber am Ende kostengünstiger sein soll, als dies mit den derzeitig üblichen terrestrischen Mastlösungen möglich ist. Die Dienste aus der Stratosphäre sollen neben den bestehenden terrestrischen Kommunikationsnetzen betrieben und vollständig in diese integriert werden. Das wird dann auch die Bereitstellung von Breitbandverbindungen in ländlichen Gebieten und für mobile Netzwerkdienste auf der grünen Wiese in unversorgten Gebieten möglich machen.
„Wir haben gezeigt, dass wir zukünftig schnelles Internet und Konnektivität überall hinbringen können. Das vereinte Knowhow der SPL mit der Mobilfunk-Kompetenz der Telekom ist die Basis dieser neuen Technologie“, sagt Bruno Jacobfeuerborn, für die Deutsche Telekom Aufsichtsratsmitglied bei SPL und Geschäftsführer der Telekom Tochter Deutsche Funkturm. „Gerade in Bereichen, die durch klassische Mobilfunkmasten nur schwer zu erschließen sind, werden fliegende Basisstationen eine sinnvolle und kosteneffiziente Ergänzung unseres Mobilfunknetzes sein.“
Internationale Kooperation
Ground Control ruft fliegende Basis: Alle Messwerte im Blick.
Foto: Deutsche Telekom
SPL arbeitet zusammen mit anderen Partnern an der Entwicklung eines wasserstoffbetriebenen, ferngesteuerten Flugzeugs, der damit verbundenen Kommunikationskapazität und der zugehörigen terrestrischen Infrastruktur. Ferner wird SPL das komplette "Ökosystem" des Produktions- und Dienstleistungspartners, das erforderlich ist, um die Technologie in einem kommerziellen Netz zu integrieren ausrüsten. Der erste Flug ist für Mitte 2022 geplant. Bei SPL geht man davon aus, dass die Lösung 2024 kommerziell verfügbar sein wird.
SPL: Telekom entscheidend beteiligt
Das Unternehmen SPL wurde 2014 gegründet, die Deutsche Telekom AG wurde 2016 Aktionär. Sie hält derzeit einen Anteil von 38 Prozent und verfügt über Exklusivlizenzen für den Betrieb dieser Technologie, sobald sie kommerziell einsetzbar ist, in 18 Ländern auf der ganzen Welt. Damit könnten über 500 Millionen Menschen weltweit von dieser Technologie profitieren.
Technische Details
Sendestationen an Bord: Letzte Checks vor dem Abflug.
Foto: Deutsche Telekom
SPL hatte von Anfang an, eine Plattform im Sinn, die als "normales Zivilflugzeug mit behördlicher Musterzulassung" betrieben werden kann. Die Plattform hat etwa 60 Meter Spannweite, was der Spannweite einer Boeing 747 entspricht - wiegt aber "nur" etwa 3,5 Tonnen.
Das Kommunikationssystem auf der Plattform besteht aus einer "Backhaul"-Antenne, die über Millimeterwellen in das terrestrische Netz des Mobilfunknetzbetreibers eingespeist wird, und einer großen "Fronthaul"-Antenne (über 3 Meter Durchmesser), die Kommunikationsdienste direkt an ein normales Smartphone, Laptops und andere Verbrauchergeräte liefert. Die nächste Generation der Entwicklung, die bereits von Stratospheric Platforms patentiert wurde, wird noch effizienter sein, dann sollen die Plattformen untereinander verbunden sein, anstatt als einzelne "Masten am Himmel" zu arbeiten.
Technisch mit an Bord sind der Luftfahrtkonzern Northrop Grumman (USA), Bombardier Belfast (UK), Thales (UK) und NATS (UK).
Vorteile gegenüber Satelliten
Mit fliegenden Basisstationen sollte es ab 2024 keine Funklöcher mehr geben.
Foto: Deutsche Telekom
Die Plattform ist im Wesentlichen ein fliegender Mobilfunkmast und kann im Gegensatz zu Satelliten eine direkte Verbindung zu den Endgeräten des Kunden herstellen. Das geht bei Satelliten nicht, denn sie arbeiten aus mehr als der zehnfachen Entfernung von der Erde und können daher nicht mit der "niedrigen Latenz" konkurrieren, die das System der Stratosphären-Plattformen bietet - was eine wesentliche Voraussetzung für 5G-Dienste ist.
Im Vergleich zur Solarenergie hat SPL einen enormen Leistungsvorteil durch den Wasserstoffantrieb (Brennstoffzelle). Die fliegende Antenne bietet am Boden eine Abdeckung, die etwa 500 terrestrischen "Zellen" entspricht, und ermöglicht aufgrund des Signalwinkels von oben eine nahezu 100-prozentige Abdeckung von hoher Qualität über ein Gebiet mit einem Durchmesser von bis zu 140 km.
Im Gegensatz zu Solarzellen, die von Natur nicht genügend Strom erzeugen können (z.B. Nachts) liefert das SPL-Modell unabhängig von Jahres- und Tageszeiten rund um die Uhr Strom. Eine Satellitenabdeckung sei aufgrund der geringen Sendeleistung, der breiten Abstrahlfläche und der niedrigen Datenübertragungsraten deutlich schlechter als bei der Stratosphären-Lösung von SPL.
Modular einsetzbar
Die fliegenden Basisstationen können schrittweise und nach Bedarf eingesetzt werden. Es lassen sich jederzeit kurzfristig Anpassungen an "Standort" oder die Kapazität durchführen. Jede Plattform kann bis zu 2 Wochen ohne Nachladen fliegen. Der Netzbetreiber muss nur rechtzeitig eine Reserveplattform starten. Sobald eine Plattform gestartet ist, kann sie kurz darauf verwendet werden, bei Satelliten dauert es viel länger bis alle Satelliten (Konstellation) verfügbar sind.
Wenn ein Ferienflieger Verspätung hat oder ausfällt, bekommen Kunden Probleme. Hier braucht es politischen Druck.