Breitband

Glasfaser-Anschlüsse: Wettbewerber sind der Telekom voraus

Glasfaser-Netze sind nach einhelliger Meinung die Zukunft des Breitband-Internet. Derzeit überlässt die Telekom ihren Wettbewerbern jedoch das Feld weitgehend.
Von Thorsten Neuhetzki

Martin Witt (rechts) und Torsten J. Gerpott bei der Vorstellung der Marktstudie des VATM Martin Witt (rechts) und Torsten J. Gerpott bei der Vorstellung der Marktstudie des VATM
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
In Deutschland streiten seit Jahren die Telekommunikationsanbieter darum, wie sie das Breitbandziel der Bundesregierung, bis 2018 einen Downstream von 50 MBit/s für alle anbieten zu können, erreichen sollen. Dabei geht es den meisten Anbietern auch darum, das Ziel nur als Zwischenziel verstanden zu wissen. In den Augen der meisten alternativen Anbieter ist ein echtes Glasfasernetz, das mindestens bis in die Gebäude der Nutzer führt, das einzige zukunftssichere Netz. Die Telekom hingegen setzt alles auf die Karte VDSL und VDSL Vectoring und baut kaum noch echte Glasfaseranschlüsse aus. Das schlägt sich auch in den Investments und den Ausbauzahlen nieder, die der VATM und Dialog Consult unter Prof. Torsten J. Gerpott jetzt vorgelegt haben.

Die Gesamtzahl der Breitbandanschlüsse wird der Studie zufolge dieses Jahr um knapp eine halbe Million (+ 1,6 Prozent) wachsen. Deutlich gewachsen ist 2016 der Anteil der FTTB/H-Anschlüsse, die - wenn auch noch auf niedrigem Gesamtniveau - eine Steigerung von 40 Prozent verzeichneten. Allerdings sind in Summe derzeit nur 791 000 Anschlüsse von den Kunden gebucht. Kabel-Anschlüsse bei denen die Glasfaser-Leitung in den Keller geht - wie bei Vodafone in Berlin-Köpenick - werden hier jedoch nicht mitgezählt.

Buchungsraten bei echter Glasfaser noch gering

Martin Witt (rechts) und Torsten J. Gerpott bei der Vorstellung der Marktstudie des VATM Martin Witt (rechts) und Torsten J. Gerpott bei der Vorstellung der Marktstudie des VATM
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Der FTTB/H-Anteil am Breitbandmarkt beträgt gerade einmal 2,2 Prozent. Technisch zu schalten wären nach Berechnungen von Gerpott derzeit 2,69 Millionen Anschlüsse. Viele Leitungen wurden jedoch im Rahmen von Ausbauarbeiten zunächst einmal prophylaktisch in die Keller der Gebäude gelegt, damit später nicht noch einmal die Bagger zum Verlegen anrücken müssen. Die Buchungsrate liegt entsprechend nur bei 29,4 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr haben die Anbieter 590 000 neue Leitungen technisch neu vorbereitet. 201 000 Leitungen wurden neu gebucht von den Kunden.

Bekannt ist aber, dass von den 791 000 Kunden, die eine FTTH/B-Leitung gebucht haben, gerade einmal 84 000 Kunden ihren Anschluss bei der Telekom gebucht haben. Die Telekom hat jedoch ihren Ausbau von echten Glasfaserleitungen bis auf wenige Neubau-Projekte weitgehend auf Eis gelegt und überlässt den weiteren Ausbau derzeit ihren Mitbewerbern. Nach Einschätzung von Gerpott hat die Telekom seit dem vergangenen Jahr höchstens eine vierstellige Zahl an "echten" Glasfaserleitungen neu gelegt. Immerhin wuchs die Zahl der Kunden, die die Anschlüsse gebucht haben, um 11 000.

Ärgerlich für alle Anbieter ist, dass ein großer Anteil der verlegten Leitungen derzeit brach liegt. Es ist also die dringende Aufgabe der Netzbetreiber, nicht nur neue Anschlüsse zuschalten, sondern diese auch zu vermarkten. Ein Problem bei der schleppenden Vermarktung dürfte teilweise hausgemacht sein: Die Kunden, die wirklich hohe Bandbreiten nachfragen würden, sprechen die meisten Glasfaser-Netzbetreiber heute noch nicht an. Die meisten Anbieter ihren Kunden nur Anschlüsse mit 200 MBit/s oder vergleichbaren Werten anbieten. Gigabit-Downstreams sucht man oft vergebens, auch wenn es technisch möglich wäre.

Dass die Nachfrage nach Glasfaserleitungen vergleichsweise gering ist, dürfte aber auch daran liegen, dass bei vielen Durchschnitts-Verbrauchern der Breitband-Bedarf noch nicht so hoch ist, wie er in einigen Jahren sein dürfte. Von den 24,1 Millionen DSL- und Glasfaserkunden haben nur 7,1 Prozent einen Anschluss mit mehr als 50 MBit/s gebucht. Immerhin: Binnen eines Jahres buchte eine Million Kunden derartige schnelle Anschlüsse, so dass jetzt 1,7 Millionen Kunden hohe Bandbreiten nutzen. Hinzu kommen die Kunden aus den Kabelnetzen. Immerhin 7,1 Millionen Anschlüsse sind in diesen Netzen geschaltet, über die gebuchten Bandbreiten gibt es aktuell aber keine Erhebung.

Wettbewerber verlieren im Gesamtmarkt

Wenden wir uns nach der Betrachtung der Anschlussformen und Bandbreiten dem Gesamt-Verhältnis zwischen Wettbewerbern und Telekom zu. Hier ist auffallend, dass die Telekom bei Anschlüssen, die sie als Wholesale-Anbieter unter ihrer Kontrolle hat, zulegt.

Die Kabelnetzbetreiber verbuchen ebenso wie die Telekom ein Plus von 0,4 Millionen Anschlüssen. Bei den Vorleistungsvarianten Resale legt die Telekom erneut um 0,6 Millionen Anschlüsse zu. Die Wettbewerber verlieren 1,1 Millionen TAL-basierte DSL-Anschlüsse und legen zum Teil aufgrund der Vectoring-Verdrängung bei Bitstrom um 0,6 Millionen zu, so dass unter dem Strich eine halbe Million DSL-Anschlüsse wegfallen. Das oben angesprochene Wachstum bei echten Glasfaserleitungen kann diesen Verlust nicht kompensieren. Bei den stationären Breitbandanschlüssen, die nicht auf Kabelnetze zurückgreifen, dominiert die Telekom mit einem Anteil von 69,7 Prozent den Markt (inkl. DSL Telekom Resale).

Martin Witt, Präsident des VATM und gleichzeitig Chef von 1&1, geht davon aus, dass die Telekom in Zukunft noch viel mehr Anschlüsse unter ihrer Kontrolle haben wird, weil Bitstream-Anschlüsse immer mehr auf dem Vormarsch seien und die Wettbewerber die letzte Meile zum Kunden nur noch mit DSL selbst beschalten können, nicht aber mit VDSL. "Bisher zahlten wir für die TAL einen Preis von 10,02 Euro", erklärt er. Mit Bitstream würden die Kosten dann auf 18,56 Euro für VDSL und sogar 19,10 Euro für VDSL 100 steigen. "So sind 80 Prozent der Marge einfach mal weg. Das Geld fehlt beim Ausbau nicht nur im Jahr 2016", so Witt. Zudem forderte der VATM-Präsident bei der Vorstellung der Marktzahlen in Berlin: "Wir müssen jetzt die Breitbandziele 2025 definieren und dürfen nicht beim Breitbandziel 2018 verharren!"

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