Nachgemessen

Bayern: Mobilfunk-Netzbetreiber erfüllen die Auflagen nicht

Die drei etablierten Mobil­funk­anbieter meldeten der Bundes­netz­agentur eine "fast voll­stän­dige" Erfül­lung der Auflagen. Bayern misst nach und hat deut­liche Zweifel.
Von mit Material von dpa

Im Bundes­land "Frei­staat Bayern" ticken die Uhren anders. Der zustän­dige Minister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat in Bayern nach­messen lassen. Dazu bediente er sich der renom­mierten Firma Rohde und Schwarz in München, die seit den 1950er Jahren Sender- und Empfänger-Mess­technik von höchster Qualität baut, welche welt­weit einge­setzt wird, nicht nur von Mobil­funk­netz­betrei­bern, sondern auch von staat­lichen Stellen. Hubert Aiwanger, stellv. Ministerpräsident und bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landentwicklung und Energie Hubert Aiwanger, stellv. Ministerpräsident und bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landentwicklung und Energie, hat die Netze nachmessen lassen.
Foto: Picture Alliance/dpa
In einer Pres­sekon­ferenz warf der Minister heute den Netz­betrei­bern vor: "Die Mobil­funk-Netz­betreiber erfüllen die Auflagen nicht."

5000 km nach­gemessen

Aktu­elle Messungen entlang von rund 5000 Kilo­metern Bundes­straßen und Bahn­stre­cken in Bayern zeigen ihm: "Die Netz­betreiber erfüllen die Auflagen im Frei­staat nicht". Die Bundes­netz­agentur müsse jetzt "Straf­zah­lungen gegen­über den Netz­betrei­bern prüfen". Und er geht davon aus, dass es "einige Millionen pro Anbieter" werden könnten.

Seit dem Jahres­wechsel müssen Mobil­funk­nutzer an den meisten Bundes­straßen und Bahn­stre­cken mit mindes­tens 100 MBit/s versorgt werden. Tech­nisch ist das auf 98 Prozent der nach­gemes­senen Bundes­straßen und 96 Prozent der Bahn­stre­cken im Frei­staat möglich.

Telekom liegt vorne

Am besten schnitt bei den Messungen im Auftrag des Minis­teriums die Deut­sche Telekom ab: Sie erfüllt die Vorgaben jeweils zu rund 90 Prozent. Voda­fone kam auf 89 und 82 Prozent, Telefónica (o2) nur auf 82 und 79 Prozent. Werte, die vermut­lich auch außer­halb Bayerns weitaus realis­tischer als die offi­ziellen 98 bis 99 Prozent sein dürften.

Extreme schlechte Abde­ckungen in Zügen

An einigen (Bahn-)Stre­cken stellten die Spezia­listen der vom Minis­terium beauf­tragten Firma Rohde & Schwarz beson­ders geringe Erfül­lungs­quoten fest, zum Beispiel: München Ostbahnhof - Frei­las­sing (Telefónica 62 Prozent), Nürn­berg - Hof (Telefónica 65 Prozent), Platt­ling - Baye­risch Eisen­stein (Voda­fone 67 Prozent) oder auf der Bahn­strecke Lindau - Ulm (Telefónica 67 Prozent). Bahn­stre­cken sind ein spezi­elles Problem, weil die Netz­betreiber hier auf die Koope­ration mit der Bahn ange­wiesen sind, die hat Angst um die Sicher­heit an der Strecke. Zum Auf- oder Umbau müssten Stre­cken gesperrt oder Ruhe­pausen abge­wartet werden.

Sofern es keine recht­lichen und tatsäch­lichen Hinde­rungs­gründe für den Ausbau gab, wären die gesetz­lichen Auflagen zum zweiten Mal hinter­ein­ander nicht erfüllt, betonte Aiwanger.

Gegen­sei­tige Anrech­nung schönt Ergebnis

Aller­dings gibt es eine wich­tige Einschrän­kung: "Mit der neuen Anrech­nungs­klausel kann der Ausbau aller Netz­betreiber zusam­men­gerechnet werden. Wird ein Abschnitt von einem Netz­betreiber versorgt, gilt die Auflage als erfüllt." Damit kämen sie tatsäch­lich auf 98 und 96 Prozent Abde­ckung. "Dieses Zusam­men­rechnen nutzt aber den Kunden nichts, weil kein Betreiber flächen­deckend und durch­gehend liefert und niemand drei unter­schied­liche SIM-Karten im Gerät hat", kriti­sierte Aiwanger, der dabei von "normalen" Kunden ausgeht, weniger von infor­mierten Nutzern von Dual-SIM oder Multi-SIM-Geräten. Für Aiwanger ist klar: "Was bleibt, ist ein Flicken­tep­pich."

o2: Wir haben die Auflagen erfüllt

Eine Telefónica-(o2)-Spre­cherin erklärte gegen­über der dpa dazu, ihr Unter­nehmen habe die Versor­gungs­auf­lagen der Bundes­netz­agentur "in allen Bundes­län­dern erfüllt". Die Messungen seien bis 3. Dezember erfolgt - im Dezember habe Telefónica aber mehr als 100 Baumaß­nahmen fertig gestellt und so die Versor­gung weiter verbes­sert.

Aiwanger: Ausschrei­bung statt Auktion

Die nächsten Frequenz­ver­gaben im Jahr 2025 müssten über Ausschrei­bungen laufen, forderte Aiwanger. Zwar brächten Verstei­gerungen dem Staat viel Geld, aber den Bürgern keine opti­male Versor­gung. In Zukunft müsse das Geld direkt in den Ausbau fließen: Wer den Zuschlag erhalte, müsse sich zum Ausbau des Netzes verpflichten.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Man mag die zupa­ckende Art des baye­rischen Wirt­schafts­minis­ters mögen oder auch nicht, aber hier hat er ein Thema entdeckt, was den privaten und geschäft­lichen Mobil­funk­netzern auf den Nägeln brennt. Sie wollen endlich einen "flächen­deckenden" Ausbau, überall da, wo sie sich bewegen oder aufhalten. Also auch auf Straßen und Bahn­stre­cken (in Zügen) oder an land­schaft­lich schönen Stellen. Also überall, wo sie arbeiten (z.B. Waren auslie­fern oder Service bieten) oder wo sie Urlaub machen.

Aiwanger denkt prag­matisch: Auktionen bringen erst mal nichts, was fehlt sind knall­harte Vorgaben zum Ausbau.

Wer aktuell nicht die aller­neu­este Handy­technik besitzt, kann weite Teile der neuen 5G-Netze auf 700 MHz (n28) derzeit über­haupt nicht nutzen. Das heißt, die Netze sind also noch weniger brauchbar als bisher bekannt.

Klar, die Firma Rhode & Schwarz hat beim Messen nicht erfasst, wo Beden­ken­träger, also unein­sich­tige Grund­stücks­eigen­tümer, über­vor­sich­tige Behörden oder gesetz­liche Vorgaben den Bau von Stationen verhin­dern. Aber sie liefert weitaus realis­tischere Zahlen als die bishe­rigen Jubel­mel­dungen.

So oder so gibt es noch viel zu tun. Ob nun Millio­nen­strafen der Netz­agentur den Netz­ausbau beschleu­nigen werden? Viel­leicht sollte die Bundes­netz­agentur auch bei den Beden­ken­trä­gern und Ausbau­ver­hin­derern entspre­chende Bußgelder verhängen.

Zunächst wurde kolpor­tiert, die Bundes­netz­agentur plane, pro fehlendem Sende­standort 50.000 Euro Bußgeld zu verhängen. So streng wird sie aber zunächst wohl doch nicht sein.

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