Editorial: (über)regional!?
Wofür darf eine Ortsnetzrufnummer verwendet werden?
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Früher, ganz früher zu Zeiten des analogen Ortsnetzes galt: Hatte
eine Firma eine Rufnummer, die mit 04161 begann, dann konnte sich
der Anrufer auch ziemlich sicher sein, mit einem Mitarbeiter der Firma in
Buxtehude verbunden zu werden, wenn er dort anruft. Denn Weiterschaltungen
zu anderen Rufnummern waren zwar technisch möglich, aber selten, und sie
waren so gut wie immer mit auffälligen zusätzlichen Verzögerungen und
Knacken in der Leitung beim Rufaufbau und meist auch mit verschlechterter
Qualität beim eigentlichen Gespräch verbunden. Im heutigen digitalen
Telefonnetz merkt man hingegen davon nichts mehr. Ob ein Anruf bei einer
04161-Nummer wirklich nach Buxtehude geht, oder zu einem Callcenter bei
Chemnitz, macht für den Anrufer keinen merklichen Unterschied mehr.
Wofür darf eine Ortsnetzrufnummer verwendet werden?
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Eine Entrümpelungsfirma machte sich diesen Umstand zu nutze, um ihre
Dienste quasi bundesweit "verbrauchernah" anzubieten. Wahrscheinlich
erbrachte sie die Dienste nicht selber, sondern vermittelte die von den
Kunden erteilten Aufträge gegen Provision an andere Unternehmen vor Ort
weiter. Der Kunde bekam dadurch zwar die vereinbarte Leistung - hier die
Entrümpelung - aber möglicherweise zu schlechteren Konditionen, als wenn
er direkt ein Unternehmen vor Ort beauftragt hätte, da das ausführende
Unternehmen die Provisionen zusätzlich bezahlen musste. Andererseits sind
solche Vermittlungsleistungen nicht immer negativ. So ist durchaus
denkbar, dass der Vermittler auch darauf achtete, dass die Entrümpler vor
Ort ihre Arbeit gut machten und bei zu vielen Beschwerden dann den
jeweiligen Dienstleister wechselte, und so den Anrufern auch einen
Mehrwert bot. Zudem kann ein Vermittler zu Gunsten der Kunden auch
darauf achten, dass Preisexzesse nach oben unterbleiben.
Für die Bundesnetzagentur waren die vielen betriebenen Rufnummern jedoch allein Grund genug, deren Abschaltung wegen Wettbewerbsverstoßes und irreführender Werbung zu verfügen. Die Frage, ob die "bundesweite" Entrümpelungs-Agentur den Kunden also Vorteile (Qualitätskontrolle, einheitliche Preise etc.) oder Nachteile (Aufpreise im Vergleich zum direkten Kontakt zu einem lokalen Anbieter) bot, hat die Bundesnetzagentur nicht geprüft. Es reichte für die Abschaltung, dass die Entrümpelungs-Agentur keinen Hinweis über die Weiterschaltung des Anrufes gab.
Dabei ist es bei vielen Dienstleistungen heute gang und gäbe, dass diese über einen Vermittler gebucht werden. Wer erinnert sich noch an die Taxirufsäulen, die es früher an vielen Taxi-Stellplätzen gab, und deren Nummern sogar im Telefonbuch standen? So konnte man direkt ein Taxi zu sich rufen, indem man eine Taxirufsäule in der Nähe anrief: Der erste dort wartende Taxifahrer nahm den Anruf entgegen, notierte sich die Adresse, und holte einen ab. Doch hatte man Pech, wenn dort gerade kein Taxi wartete. Und freie Taxis, die sich gerade noch auf der Fahrt zu einem Warteplatz befanden, waren gar nicht erreichbar. Heute ist es daher üblich, Taxis per Anruf oder App über eine Taxizentrale zu bestellen, die die Aufträge direkt in die Taxen überträgt, und da ist eigentlich egal, ob der Anruf in Berlin, Stuttgart oder Schwerin in einem Callcenter landet. Hauptsache, der Callcenter-Mitarbeiter ist kompetent, und darüber informiert, dass ich gerade eine Frankfurter Taxirufnummer gewählt habe, so dass er ein Taxi in Frankfurt zur dortigen Schwanthalerstraße losschickt, und nicht etwa eines in München.
Vermittlung immer üblicher
Im Bereich der Lieferung von warmen Mahlzeiten haben Portale wie pizza.de oder lieferando.de inzwischen einen erheblichen Marktanteil erreicht. Auch hier haben die Anbieter vor Ort zunächst den Nachteil, Vermittlungsprovision an die Portale zahlen zu müssen. Sie haben aber zugleich den Vorteil, andere Marketing-Aktivitäten (z.B. eigene Kampagnen mit Wurfflyern) reduzieren zu können. Auch, wenn diese Firmen bundesweit auf ihren Plakaten mit leckerem Essen werben, erwartet keiner, dass sie das Essen selber herstellen.
Es ist zudem nur eine Frage der Zeit, bis pizza.de und Co. damit anfangen werden, regionale Rufummern anzubieten, über die man bestellen kann. Nicht jeder bestellt sein Abendessen gerne per App. Und die regionalen Rufnummern haben auch hier den Vorteil, dass der Mitarbeiter im zentralen Callcenter gleich weiß, dass der Kunde aus Berlin anruft und nicht aus Stuttgart.
Klar hat solcher Rufnummern-Spam auch zur Folge, dass immer mehr Nummern vergeben werden und entsprechend die Nummernknappheit zunehmen könnte. Andererseits reicht der Rufnummernraum in Deutschland aus, um jedem Bürger ungefähr einhundert Rufnummern zuordnen zu können. Wir werden es also verkraften, wenn einige Vermittler - Taxi, Essenslieferung, Heizungsnotdienst, ärztlicher Hausbesuch, Entsorgung, Strom, Gas, Telefon usw. usf. - jeweils einige tausend Ortsnetznummern belegen.
Klar ist es nötig und richtig, Firmen zu sanktionieren, die die Möglichkeiten hinter der Schaltung regionaler Rufnummern zur Abzocke von Verbrauchern missbrauchen. Doch dafür sollten m.E. die (oft leider viel zu untätigen) Gewerbeaufsichtsämter und Wettbewerbsbehörden zuständig sein, und nicht die Bundesnetzagentur. Denn derzeit haben wir den Zustand, dass jeder Privatkunde gegängelt wird, der sich eine VOIP-Nummer an seinem Geburtsort schalten lassen will, so dass er für seine deutschen Freunde günstig erreichbar ist, auch, wenn er jetzt im Ausland lebt. Muss das sein?