Jubiläum

25 Jahre VIAG Interkom/o2: Ein Stück Mobilfunk-Geschichte

In diesem Monat feiert o2 (früher VIAG Interkom) seinen 25. Geburtstag als Mobil­funk-Netz­betreiber. Wir blicken auf die Geschichte zurück.
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In den 90er-Jahren gingen in Deutsch­land zunächst drei digi­tale Mobil­funk­netze an den Start: 1992 T-D1 von der Deut­schen Telekom und D2-Privat von Mannes­mann Mobil­funk (heute Voda­fone) auf 900 MHz (D-Netz = GSM900) und zwei Jahre später im Jahr 1994 E-Plus-Mobil­funk (E-Netz = DCS/GSM1800).

Das Bundes­land Bayern "wünschte" sich eine vierte Lizenz: Sie wurde für ein weiteres "E-Netz" vergeben an die Verei­nigte Indus­trie­anlagen Gesell­schaft (VIAG), eben­falls auf 1800 MHz. Nach einem Probe­lauf zur CeBIT 1998 star­tete VIAG Interkom offi­ziell am 1. Oktober 1998.

Auf der CeBIT 1998 durfte Autor Henning Gajek mit einer SIM-Karte mit der Rufnummer 0176-0xxxxxx tele­fonieren. Diese Rufnum­mern wurden nur an Mitar­beiter (und Test­kunden) ausge­geben und später alle wieder abge­schaltet. Eine "0" nach der Vorwahl war unge­wöhn­lich. Zum offi­ziellen Netz­start verwen­dete E2 dann ausschließ­lich die Vorwahl 0179. VIAG-Interkom-Chef Maximilian von Ardelt (l.) und Finanzchef Joachim Preisig (r.) bei der offiziellen Netz-Einweihung VIAG-Interkom-Chef Maximilian von Ardelt (l.) und Finanzchef Joachim Preisig (r.) bei der offiziellen Netz-Einweihung
Foto: dpa/Picture-Alliance
Schon lange vor diesem Termin gab es viele Gerüchte um das offi­ziell "E2" genannte vierte deut­sche Mobil­funk­netz. So sollten Tele­fonate ganz beson­ders preis­wert sein. Im Vergleich zu den Tarifen der etablierten Anbieter war VIAG Interkom dann zwar wirk­lich güns­tiger. So "bahn­bre­chend" wie erhofft waren die 29 Pfennig (umge­rechnet 15 Cent) pro Gesprächs­minute dann aber doch nicht.

Alle Netze mit einer SIM-Karte

Dafür bewahr­hei­tete sich ein anderes Gerücht: VIAG Interkom hatte mit dem schwei­zeri­schen Netz­betreiber Swisscom einen Deal über Trans­fer­roa­ming abge­schlossen. Das Revo­lutio­näre daran: Wo VIAG Interkom noch kein eigenes Netz hatte, konnten die Kunden manuell dank Swisscom-Roaming die drei anderen deut­schen Netze nutzen. Dazu musste das Handy neu gestartet werden und die PIN-Geheim­zahl der SIM-Karte um eine "1" ergänzt werden. Statt beispiels­weise "1234" dann "12341" eingeben und somit meldete sich das Gerät als Schweizer Kunde in allen deut­schen Netzen an. Fakt am Rande: In der Schweiz konnte die Swisscom-Kennung nicht genutzt werden, dafür gab es normales Roaming mit Swisscom über die IMSI (Mobil­funk­ken­nung) von VIAG-Interkom.

Geheim­tipp: VIAG-SIM-Karte

Auch wenn es niemals ein auto­mati­sches Handover vom VIAG-Netz zu den Netzen der Mitbe­werber gab, wurde eine VIAG-SIM-Karte über Nacht zum Geheim­tipp für best­mög­liche Erreich­bar­keit. Alle vier Netze mit einer Karte? Wo gab es das schon?

Es gab Anwender, die blieben gleich ganz auf der Swisscom-PIN und verzich­teten auf das VIAG eigene Netz. Das konnte man machen, aber es gab und gibt kein auto­mati­sches Handover zwischen Telekom und Mannes­mann (heute Voda­fone) oder E-Plus. Im Swisscom-Roaming wurden aus den 29 Pfennig pro Minute aber bis zu 1,99 DM (ca. 1 Euro). Zudem war die Erreich­bar­keit in den anderen deut­schen Netzen auch nicht immer zu hundert Prozent gewähr­leistet. Das Trans­fer­roa­ming war eher eine Notlö­sung. Auch bestimmte Rufnum­mern wie die Kurz­wahl "333" (für die Mailbox) wurden im Swisscom-Roaming teil­weise "miss­ver­standen" und als Verbin­dung nach Frank­reich abge­rechnet.

Doch das war nur eines von vielen Problemen, die VIAG Interkom in der ersten Zeit nach Netz­start hatte. Kunden erhielten mona­telang keine Rech­nungen. Danach wurde alles nach­berechnet, was in einen oder anderen Fall zu rich­tigen "Schock­rech­nungen" führte (beliebtes Thema die 1,99 DM pro Minute über die Swisscom-PIN).

VIAG - Very Inte­resting Adven­ture Game

Oft zeigte sich auch, dass die Rech­nungen schlicht und ergrei­fend falsch waren. Es dauerte Monate, bis VIAG Interkom das Chaos halb­wegs im Griff hatte. Zu diesem Zeit­punkt hatte der neue Netz­betreiber aber längst sein Image als "Very Inte­resting Adven­ture Game" (VIAG) weg, wie Kollege Henning Gajek den Konzern seiner­zeit nannte.

Der Hinter­grund: Bei Compu­ter­spielen gibt es Level, die man nur errei­chen kann, wenn man einen nied­rigeren Level erfolg­reich durch­quert hat. Wollte man bei VIAG irgend­eine Option buchen oder brauchte eine Auskunft, gab es verschie­dene Schwie­rig­keits­grade. War ein höheres Level erreicht, war das ein Erfolgs­erlebnis und blen­dete den Frust über verun­glückte Geschichten aus. Wohl dem, der von vorn­herein noch ein Zweit­netz im Einsatz hatte und so über gewisse Schwä­chen wie mangelnde Versor­gung oder Störungen hinweg­sehen konnte.

Ein Mobil­funk­ver­trag als "Real-Life-Adven­ture-Game". Das war für viele neu und span­nend. Fans bildeten User­foren im Netz und tauschten sich über Probleme, Effekte und mögliche Lösungen aus, unter Mithilfe von VIAG-Mitar­bei­tern, die das entweder in ihrer Frei­zeit erle­digten oder anonym blieben. Das legen­däre o-two-Forum bei yahoo­groups (inzwi­schen abge­schaltet) war jahre­lange Anlauf­stelle für unmög­liche Fälle, die alle gelöst wurden, unter Betei­ligung von teltarif.de-Redak­teur Henning Gajek.

Kurios: SIM-Nummern und Rufnum­mern über Kreuz vertauscht

Aber auch teltarif.de-Autor Markus Weidner hat ganz spezi­elle Erin­nerungen an die ersten Monate von VIAG Interkom. Direkt am Tag des Netz­starts wurden im VIAG-Interkom-Shop auf der Zeil in Frank­furt am Main zwei Verträge im damals einzigen Tarif, City­partner, abge­schlossen. Dazu wurden je ein Nokia 6150 erworben - damals das Flagg­schiff-Handy im neuen Netz.

Die Handys konnte er gleich mitnehmen, da Geräte in der Anfangs­zeit von VIAG Interkom nicht über den Vertrag subven­tio­niert wurden. Die SIM-Karten waren aber erst einen Tag später aktiv. Zum Start wurden die Aufträge noch manuell per Fax über­mit­telt. Da kam es wohl zu einem gewissen "Stau".

Immerhin konnten die SIM-Karten am 2. Oktober genutzt werden. Eine der beiden Rufnum­mern ist noch heute im Einsatz. Doch als nach Monaten die ersten Rech­nungen eintru­delten, zeigte sich ein ganz spezi­eller Fehler: SIM-Karten-Nummern und Rufnum­mern wurden mit einem anderen Kunden, der zufällig zur glei­chen Zeit im Laden war, über Kreuz vertauscht. Offenbar ein Versehen, der bei der manu­ellen Über­nahme der Akti­vie­rungs­daten passiert ist.

"Tauschen Sie einfach die SIM-Karten unter­ein­ander, dann passt es", so die dama­lige Empfeh­lung der Kunden­betreuung von VIAG Interkom. Das haben wir dann gemacht, auch wenn es natür­lich unprak­tisch war, dass sich die Rufnummer für Anrufer noch­mals geän­dert hat - wenn auch nur um wenige Ziffern.

teltarif.de-Autor Henning Gajek erhielt sein Start­paket am 7. Oktober mit dem Hinweis, das beilie­gende Formular auszu­füllen und an eine ganz bestimmte Fax-Nummer zu senden. "Nur diese Faxnummer und nur Frau Sowieso kann das akti­vieren", war die Anwei­sung. Gesagt getan. Morgens am 8. Oktober gefaxt, mittags lief die Karte. Die Rufnummer wurde durch Anruf eines anderen Handys ermit­telt. Am Mittag folgte der erste Anruf der Hotline: "Wir wollten Ihnen ihre Rufnummer mitteilen. Sie lautet 0179-6919xxx".

Keine Wunsch­ruf­num­mern?

Eigent­lich hatte VIAG Interkom vor, analog zu E-Plus Wunsch­ruf­num­mern zu vergeben, aber die Systeme konnten das irgendwie nicht hand­haben. Also vergab man zunächst Rufnum­mern mit vielen "9", weil bei "Vanity" (z.B. 0179-MUSTER = 0179-687837) kaum die Zahl "9" (WXYZ) vorkommen würde.

Als Neuheit präsen­tierte VIAG Interkom die City­zone und Mannes­mann war "not amused".

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