Jubiläum

25 Jahre VIAG Interkom/o2: Ein Stück Mobilfunk-Geschichte

In diesem Monat feiert o2 (früher VIAG Interkom) seinen 25. Geburtstag als Mobil­funk-Netz­betreiber. Wir blicken auf die Geschichte zurück.
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In den 90er-Jahren gingen in Deutsch­land zunächst drei digi­tale Mobil­funk­netze an den Start: 1992 T-D1 von der Deut­schen Telekom und D2-Privat von Mannes­mann Mobil­funk (heute Voda­fone) auf 900 MHz (D-Netz = GSM900) und zwei Jahre später im Jahr 1994 E-Plus-Mobil­funk (E-Netz = DCS/GSM1800).

Das Bundes­land Bayern "wünschte" sich eine vierte Lizenz: Sie wurde für ein weiteres "E-Netz" vergeben an die Verei­nigte Indus­trie­anlagen Gesell­schaft (VIAG), eben­falls auf 1800 MHz. Nach einem Probe­lauf zur CeBIT 1998 star­tete VIAG Interkom offi­ziell am 1. Oktober 1998.

Auf der CeBIT 1998 durfte Autor Henning Gajek mit einer SIM-Karte mit der Rufnummer 0176-0xxxxxx tele­fonieren. Diese Rufnum­mern wurden nur an Mitar­beiter (und Test­kunden) ausge­geben und später alle wieder abge­schaltet. Eine "0" nach der Vorwahl war unge­wöhn­lich. Zum offi­ziellen Netz­start verwen­dete E2 dann ausschließ­lich die Vorwahl 0179. VIAG-Interkom-Chef Maximilian von Ardelt (l.) und Finanzchef Joachim Preisig (r.) bei der offiziellen Netz-Einweihung VIAG-Interkom-Chef Maximilian von Ardelt (l.) und Finanzchef Joachim Preisig (r.) bei der offiziellen Netz-Einweihung
Foto: dpa/Picture-Alliance
Schon lange vor diesem Termin gab es viele Gerüchte um das offi­ziell "E2" genannte vierte deut­sche Mobil­funk­netz. So sollten Tele­fonate ganz beson­ders preis­wert sein. Im Vergleich zu den Tarifen der etablierten Anbieter war VIAG Interkom dann zwar wirk­lich güns­tiger. So "bahn­bre­chend" wie erhofft waren die 29 Pfennig (umge­rechnet 15 Cent) pro Gesprächs­minute dann aber doch nicht.

Alle Netze mit einer SIM-Karte

Dafür bewahr­hei­tete sich ein anderes Gerücht: VIAG Interkom hatte mit dem schwei­zeri­schen Netz­betreiber Swisscom einen Deal über Trans­fer­roa­ming abge­schlossen. Das Revo­lutio­näre daran: Wo VIAG Interkom noch kein eigenes Netz hatte, konnten die Kunden manuell dank Swisscom-Roaming die drei anderen deut­schen Netze nutzen. Dazu musste das Handy neu gestartet werden und die PIN-Geheim­zahl der SIM-Karte um eine "1" ergänzt werden. Statt beispiels­weise "1234" dann "12341" eingeben und somit meldete sich das Gerät als Schweizer Kunde in allen deut­schen Netzen an. Fakt am Rande: In der Schweiz konnte die Swisscom-Kennung nicht genutzt werden, dafür gab es normales Roaming mit Swisscom über die IMSI (Mobil­funk­ken­nung) von VIAG-Interkom.

Geheim­tipp: VIAG-SIM-Karte

Auch wenn es niemals ein auto­mati­sches Handover vom VIAG-Netz zu den Netzen der Mitbe­werber gab, wurde eine VIAG-SIM-Karte über Nacht zum Geheim­tipp für best­mög­liche Erreich­bar­keit. Alle vier Netze mit einer Karte? Wo gab es das schon?

Es gab Anwender, die blieben gleich ganz auf der Swisscom-PIN und verzich­teten auf das VIAG eigene Netz. Das konnte man machen, aber es gab und gibt kein auto­mati­sches Handover zwischen Telekom und Mannes­mann (heute Voda­fone) oder E-Plus. Im Swisscom-Roaming wurden aus den 29 Pfennig pro Minute aber bis zu 1,99 DM (ca. 1 Euro). Zudem war die Erreich­bar­keit in den anderen deut­schen Netzen auch nicht immer zu hundert Prozent gewähr­leistet. Das Trans­fer­roa­ming war eher eine Notlö­sung. Auch bestimmte Rufnum­mern wie die Kurz­wahl "333" (für die Mailbox) wurden im Swisscom-Roaming teil­weise "miss­ver­standen" und als Verbin­dung nach Frank­reich abge­rechnet.

Doch das war nur eines von vielen Problemen, die VIAG Interkom in der ersten Zeit nach Netz­start hatte. Kunden erhielten mona­telang keine Rech­nungen. Danach wurde alles nach­berechnet, was in einen oder anderen Fall zu rich­tigen "Schock­rech­nungen" führte (beliebtes Thema die 1,99 DM pro Minute über die Swisscom-PIN).

VIAG - Very Inte­resting Adven­ture Game

Oft zeigte sich auch, dass die Rech­nungen schlicht und ergrei­fend falsch waren. Es dauerte Monate, bis VIAG Interkom das Chaos halb­wegs im Griff hatte. Zu diesem Zeit­punkt hatte der neue Netz­betreiber aber längst sein Image als "Very Inte­resting Adven­ture Game" (VIAG) weg, wie Kollege Henning Gajek den Konzern seiner­zeit nannte.

Der Hinter­grund: Bei Compu­ter­spielen gibt es Level, die man nur errei­chen kann, wenn man einen nied­rigeren Level erfolg­reich durch­quert hat. Wollte man bei VIAG irgend­eine Option buchen oder brauchte eine Auskunft, gab es verschie­dene Schwie­rig­keits­grade. War ein höheres Level erreicht, war das ein Erfolgs­erlebnis und blen­dete den Frust über verun­glückte Geschichten aus. Wohl dem, der von vorn­herein noch ein Zweit­netz im Einsatz hatte und so über gewisse Schwä­chen wie mangelnde Versor­gung oder Störungen hinweg­sehen konnte.

Ein Mobil­funk­ver­trag als "Real-Life-Adven­ture-Game". Das war für viele neu und span­nend. Fans bildeten User­foren im Netz und tauschten sich über Probleme, Effekte und mögliche Lösungen aus, unter Mithilfe von VIAG-Mitar­bei­tern, die das entweder in ihrer Frei­zeit erle­digten oder anonym blieben. Das legen­däre o-two-Forum bei yahoo­groups (inzwi­schen abge­schaltet) war jahre­lange Anlauf­stelle für unmög­liche Fälle, die alle gelöst wurden, unter Betei­ligung von teltarif.de-Redak­teur Henning Gajek.

Kurios: SIM-Nummern und Rufnum­mern über Kreuz vertauscht

Aber auch teltarif.de-Autor Markus Weidner hat ganz spezi­elle Erin­nerungen an die ersten Monate von VIAG Interkom. Direkt am Tag des Netz­starts wurden im VIAG-Interkom-Shop auf der Zeil in Frank­furt am Main zwei Verträge im damals einzigen Tarif, City­partner, abge­schlossen. Dazu wurden je ein Nokia 6150 erworben - damals das Flagg­schiff-Handy im neuen Netz.

Die Handys konnte er gleich mitnehmen, da Geräte in der Anfangs­zeit von VIAG Interkom nicht über den Vertrag subven­tio­niert wurden. Die SIM-Karten waren aber erst einen Tag später aktiv. Zum Start wurden die Aufträge noch manuell per Fax über­mit­telt. Da kam es wohl zu einem gewissen "Stau".

Immerhin konnten die SIM-Karten am 2. Oktober genutzt werden. Eine der beiden Rufnum­mern ist noch heute im Einsatz. Doch als nach Monaten die ersten Rech­nungen eintru­delten, zeigte sich ein ganz spezi­eller Fehler: SIM-Karten-Nummern und Rufnum­mern wurden mit einem anderen Kunden, der zufällig zur glei­chen Zeit im Laden war, über Kreuz vertauscht. Offenbar ein Versehen, der bei der manu­ellen Über­nahme der Akti­vie­rungs­daten passiert ist.

"Tauschen Sie einfach die SIM-Karten unter­ein­ander, dann passt es", so die dama­lige Empfeh­lung der Kunden­betreuung von VIAG Interkom. Das haben wir dann gemacht, auch wenn es natür­lich unprak­tisch war, dass sich die Rufnummer für Anrufer noch­mals geän­dert hat - wenn auch nur um wenige Ziffern.

teltarif.de-Autor Henning Gajek erhielt sein Start­paket am 7. Oktober mit dem Hinweis, das beilie­gende Formular auszu­füllen und an eine ganz bestimmte Fax-Nummer zu senden. "Nur diese Faxnummer und nur Frau Sowieso kann das akti­vieren", war die Anwei­sung. Gesagt getan. Morgens am 8. Oktober gefaxt, mittags lief die Karte. Die Rufnummer wurde durch Anruf eines anderen Handys ermit­telt. Am Mittag folgte der erste Anruf der Hotline: "Wir wollten Ihnen ihre Rufnummer mitteilen. Sie lautet 0179-6919xxx".

Keine Wunsch­ruf­num­mern?

Eigent­lich hatte VIAG Interkom vor, analog zu E-Plus Wunsch­ruf­num­mern zu vergeben, aber die Systeme konnten das irgendwie nicht hand­haben. Also vergab man zunächst Rufnum­mern mit vielen "9", weil bei "Vanity" (z.B. 0179-MUSTER = 0179-687837) kaum die Zahl "9" (WXYZ) vorkommen würde.

Die City­zone

VIAG Interkom hatte zu Beginn einige gute Ideen. Die "City­zone" erlaubte es, in einer Art "Nahbe­reich" güns­tigere Mobil­funk­gespräche zu führen. Auf dem Display des Handys wurde dazu der Vorwahl-Bereich ange­zeigt, der größer als der "Nahbe­reich" der Telekom war. 0179-6919xxx steht beispiels­weise für die City-Zone Mann­heim-Ludwigs­hafen (und drum­herum) mit den Vorwahlen 062x und 062xx.

Das Handy konnte anhand von Sender­stand­ort­koor­dinaten, die über einen freien SMS-CB-(Cell­broad­cast)-Kanal ausge­strahlt wurden, fest­stellen, ob es in der City­zone war oder nicht.

Genion-Start im Sommer 1999

Hatte viele Fans und wird sehnsüchtig vermisst: Das  Genion-Männchen Hatte viele Fans und wird sehnsüchtig vermisst: Das
Genion-Männchen
Grafik: VIAG Interkom (heute o2-Telefónica)
Im Früh­jahr 1999 star­tete der Test­betrieb für das "Killer-Feature", das eigent­lich schon zum Netz­start erwartet wurde: Die Home­zone wurde auf Herz und Nieren getestet, bevor sie im Juli des glei­chen Jahres unter dem Namen Genion offi­ziell in die Vermark­tung ging. Eine Fest­netz­nummer auf dem Handy - das war damals wirk­lich einzig­artig.

Auch der Genion-Start verlief holprig. Teil­weise hatten die Kunden das Home­zone-Häus­chen an Orten auf dem Handy-Display, wo es gar nicht sein sollte. Dafür funkte ausge­rechnet in der "echten" Home­zone eine weiter entfernte Basis­sta­tion dazwi­schen, sodass die Fest­netz­nummer nicht erreichbar war, wenn sie nicht kosten­pflichtig vom Kunden weiter­geleitet wurde.

In manchen Orts­netzen gab es zudem Routing-Probleme, sodass die Fest­netz­nummer aus Fremd­netzen nicht oder nur einge­schränkt erreichbar war. Teil­weise dauerte es mehrere Monate, bis diese Fehler gefunden wurden. Bis dahin war aus Kunden­sicht viel Geduld, Nach­sicht und Expe­rimen­tier­freude gefragt.

D2-Mannes­mann blockiert VIAG-Roamer

Bei einer Pres­sekon­ferenz erklärten teil­neh­mende Jour­nalisten dem verblüfften Mannes­mann-Chef Jürgen von Kucz­kowski die Funk­tion des Swisscom-Roamings. Seine Reak­tion war heftig: "Das werde ich verhin­dern" und fortan gab es bei Versu­chen mit Swisscom-Kennung ins Mannes­mann-Netz einzu­buchen zuneh­mend Probleme. Auch aus Kosten­gründen (der Umweg über die Schweiz war damals recht teuer) sann VIAG nach mögli­chen Alter­nativ­lösungen.

LOOP-Start und National Roaming im Telekom-Netz

Marken, die Mobilfunkgeschichte geschrieben haben Marken, die Mobilfunkgeschichte geschrieben haben
Logos: VIAG Interkom / E-Plus / heute noch Telefónica (o2) Germany
Unter­dessen star­tete VIAG Interkom mit LOOP ein eigenes Prepaid-Produkt. Dieses funk­tio­nierte nur im eigenen Netz. Swisscom-Roaming wurde für Prepaid nicht mehr einge­führt, zumal dessen Tage ohnehin gezählt waren.

Im Zusam­men­hang mit der "Marke Loop" kam es zu unschönen Vorgängen. Eine "Loop" ist in der Musik­welt ein gängiger Begriff. Auf einmal sahen sich Musiker mit Marken­rechts­klagen konfron­tiert, die Öffent­lich­keit nahm die Vorgänge mit "Befremden" zur Kenntnis. Auch ein privater VIAG Interkom-Fan, der auf der Seite 0179.com mit Tipps und Hinweisen zum Netz weiter­helfen wollte, wurde juris­tisch behel­ligt. Erst nach massiven Inter­ven­tionen wurde eine "fried­liche Lösung" gefunden, die Inhalte der Seite wurden leider unwie­der­bring­lich gelöscht.

Über­raschung: Roaming-Abkommen mit der Telekom

Völlig über­raschend konnte VIAG Interkom ein Roaming-Abkommen mit der Telekom abschließen. T-Mobile-Chef Kai-Uwe Ricke erklärte den verblüfften Jour­nalisten die Details und betonte, dass sich das für T-Mobile (heute Telekom) durchaus lohnen würde. Als Alter­native konnte sich VIAG Interkom National Roaming mit der Deut­schen Telekom sichern.

Das Roaming im Telekom-Netz funk­tio­nierte ohne Extra-PIN und ohne Aufpreis bei allen Tele­fonaten. Ledig­lich der Abrech­nungs­takt war etwas schlechter als im eigenen Netz. Später wurden an den "Netz­grenzen" von VIAG Interkom sogar Handover ins Telekom-Netz einge­richtet. Sprich: Die Gespräche rissen nicht mehr ab, wenn man den Abde­ckungs­bereich des VIAG-Netzes verließ.

Güns­tige Telekom-SIM-Karte von VIAG-Interkom

Es gab nicht wenige Kunden, die damals eine VIAG-SIM-Karte als güns­tigere Alter­native zu Original-Telekom-D1-Verträgen ansahen. Teil­weise wurden alte GSM900-only-Geräte verwendet, womit niemals ein Einbu­chen ins Original-VIAG-Netz möglich gewesen wäre. Ein Berliner Taxi-Fahrer stellte teltarif.de-Autor Henning Gajek stolz seine "kosten­güns­tige" Lösung vor.

Wohl aus Angst einer mögli­chen Beschwerde des Konkur­renten E-Plus ("Wett­bewerbs­vor­teil") beschloss VIAG, das Roaming mit der Telekom auslaufen zulassen, nicht auf einen Schlag, sondern phasen­weise.

Ende des D1-Roamings erschreckt Kunden

Vor 25 Jahren ging VIAG Interkom an den Start Vor 25 Jahren ging VIAG Interkom an den Start
Logo: VIAG Interkom, Montage: teltarif.de
So wurde das "D1-Roaming" für VIAG bzw. nach der Umbe­nen­nung für o2-Kunden zum Ärgernis. Aus "Kosten­gründen" wurde das Netz des Bonner Konzerns für o2-Kunden in Regionen gesperrt, in denen VIAG/o2 glaubte, das eigene Netz schon ausrei­chend ausge­baut zu haben. Doch die gesperrten Zonen und die eigene Netz-Versor­gung passten nicht immer zusammen.

Über Nacht standen viele Nutzer ohne Vorwar­nung oder sach­kun­dige Bera­tung plötz­lich ohne Netz da. Die Hotline zeigte sich ratlos oder verwei­gerte eine außer­ordent­liche Kündi­gung. Die Folge: Böse Berichte in Fern­seh­maga­zinen oder in Publi­kums­zeit­schriften, die entspre­chend große Schlag­zeilen titelten. Viele Kunden durften nun doch vorzeitig kündigen, andere erhielten Gutschriften und in einigen Fällen waren die neuen VIAG/o2-Sender bald online, womit das Problem gelöst war.

Ein großer Mess­stel­len­betreiber, der Heizungs­ther­mostate über das Netz von VIAG/o2 auslesen wollte, war recht­zeitig infor­miert worden und musste in Rekord­zeit bundes­weit SIM-Karten austau­schen, um nicht ohne Netz dazu­stehen. Sukzes­sive baute Telefónica sein eigenes GSM-Netz "nahezu flächen­deckend" aus, sodass das Telekom-Roaming am Ende als "verzichtbar" ange­sehen wurde.

Dafür wurde der UMTS-Netz­ausbau aus Kosten­gründen viel zu früh beendet. Verließ man die Ballungs­zen­tren, mussten Kunden mit GPRS oder besten­falls EDGE für den mobilen Internet-Zugang leben.

Bei der legen­dären UMTS-Auktion im Jahre 2000 wurde UMTS von der Regu­lie­rungs­behörde als "neuer eigener Dienst" ange­sehen, VIAG Interkom erhielt dafür die Vorwahl 0159 reser­viert. Später wurde daraus der Bereich 01590 gefolgt von sieben Ziffern zur Nutzung frei­gegeben. Die rest­lichen Nummern­kreise bleiben reser­viert, dürften aber wohl kaum jemals zu Einsatz kommen.

E-Plus-Über­nahme und Netz-Zusam­men­legung

Mit der Zusam­men­legung der Unter­nehmen E-Plus und o2-Telefónica im Jahr 2014 konnten alle Kunden zunächst "zwei Netze" verwenden, die sich gegen­seitig Roaming gewährten. Was anfangs ein Vorteil war, änderte sich schnell. In gewissen Regionen wurde den verblie­benen Kunden viel Tole­ranz abver­langt. Zwar gab es auf einmal 3G-Versor­gung, wo o2-Kunden vorher nichts hatten, dafür verschwand das Netz an Stellen, wo E-Plus Kunden vorher noch Netz gehabt hatten.

In einem beispiel­losen Gewaltakt wurden die Netze von E-Plus und o2 im Rekord-Tempo zusam­men­gelegt. Noch nie sei in Deutsch­land eine so gigan­tische Netz­fusion umge­setzt worden, berich­teten Einge­weihte.

Vom alten E-Plus-Netz blieb nur die Netz-Kennung 262-03 übrig, die bishe­rige Kennung 262-07 (VIAG Interkom) wurde nicht mehr neu vergeben, kann aber dauer­haft im Netz 262-03 roamen. Bei LTE (4G) und 5G ging o2-Telefónica von Anfang an auch in die Fläche. Auch wenn der Ausbau nach wie vor nicht ganz mit dem der Telekom mithalten kann, gegen­über Voda­fone ist o2 an manchen Stellen längst leicht im Vorteil.

o2 Genion - die Home­zone wird bundes­weit

Mit dem Start von o2-Genion musste sich der Kunde in seiner Home­zone befinden, um kostenlos über die Fest­netz­nummer erreichbar zu sein, andern­falls hätte ihn die Weiter­lei­tung Geld gekostet. Auch abge­hende Anrufe waren nur aus der Home­zone güns­tiger. Der Aufwand, die Home­zone richtig einzu­richten und passend zur Lage der Sender optimal zu posi­tio­nieren, wurde aufge­geben. Einzige Bedin­gung: Der Kunde muss erklären, einen Bezug zum gewählten Orts­netz zu haben (in der Regel der Wohn­sitz und die Rech­nungs­adresse) und dann ist man unter der Fest­netz­nummer bundes­weit im o2-Netz ohne Kosten für den Ange­rufenen erreichbar, inter­national kommen ggfs. die Roaming-Weiter­lei­tungs­kosten außer­halb der EU dazu.

Kompli­zierter Vorwahlen-Mix und Abruf der Mailbox

Im fusio­nierten Netz von E-Plus und o2 sind einige Beson­der­heiten geblieben. Die Mailbox kann wahl­weise mit der Kurz­wahl 9911 (aus E-Plus Zeiten) oder 333 (aus VIAG/o2-Zeiten) abge­fragt werden. Wer direkt auf die Mailbox spre­chen oder dorthin will, muss wissen, dass die Vorwahlen 01575, 01577, 01578, 0163, 0177 und 0178 den "Infix" 99 haben, also 0163-99-0123456 für 0163-0123456. Die Vorwahlen 01590, 0176 und 0179 haben den Infix 33. Also 01590-33-0123456 für den Anschluss 01590-0123456. Diese Nomen­klatur gilt auch, wenn die Rufnummer zu einem anderen Netz portiert wurde. Vor 25 Jahren ging VIAG Interkom an den Start Vor 25 Jahren ging VIAG Interkom an den Start
Logo: VIAG Interkom, Montage: teltarif.de
Ehema­lige E-Plus-Kunden hatten eine Zeit lang mit Nach­teilen zu kämpfen, die mögli­chen Daten­raten waren aus schwer verständ­lichen Gründen nied­riger als bei Original-o2-Kunden. Ehema­lige E-Plus-Tarife mussten mit allerlei Rabatten auf das o2-Tarif­system "abge­bildet" werden. Viele Kunden dürften aber längst in Original-o2-Tarife gewech­selt sein. Die Original-E-Plus-SIM-Karten oder Original-VIAG-Interkom-SIM-Karten funk­tio­nieren im Prinzip heute noch, aller­dings sind bestimmte Funk­tionen, wie das Einbu­chen in das 4G/LTE oder 5G-Netz, damit nicht möglich, weil das Innen­leben der SIM-Karte die neuen Proto­kolle und Mecha­nismen nicht kennt oder nicht versteht. Ein SIM-Karten-Tausch sollte in diesen Fällen kostenlos sein, ist aber in den aller­meisten Fällen längst erfolgt. Auch die Swisscom-Funk­tion von VIAG-SIM-Karten aus der Start­phase hat schon lange keine Wirkung mehr, das Gerät findet schlicht kein Netz.

Stei­gende Popu­larität lässt Netz­last ansteigen

Netz­ausbau ist das eine, die Kapa­zität der Zulei­tungen zu den Basis­sta­tionen und des Vermitt­lungs­netzes ist aber mindes­tens genauso wichtig, wenn die Kunden einen brauch­baren mobilen Internet-Zugang zur Verfü­gung haben sollen. In dieser Diszi­plin ist im o2-Netz stel­len­weise "noch Luft nach oben". Unter dem Strich ist o2-Telefónica hier Opfer seines eigenen Erfolgs. Güns­tige Tarife - auch von Discoun­tern, die das Netz mitnutzen dürfen - sorgen dafür, dass sich viele Kunden für das Netz des Konzerns entscheiden.

Mehr Kunden bedeutet aber an stark frequen­tierten Orten auch, dass mehr Kapa­zität benö­tigt wird. Und hier kommen die Tech­niker den Anfor­derungen oft nicht so schnell hinterher, wie es aus Kunden­sicht wünschens­wert und wichtig wäre.

1&1 verab­schiedet sich aus dem o2-Netz

In Zukunft könnte sich die Last-Situa­tion im o2-Netz wieder etwas entspannen. Tele­foniert ein Groß­teil der Mobil­funk­kunden von 1&1 derzeit im o2-Netz, so hat sich 1&1 mitt­ler­weile für eine National-Roaming-Part­ner­schaft mit Voda­fone entschieden. Perspek­tivisch werden die Kunden, die derzeit noch das o2-Netz mitnutzen, demnach ins eigene Netz von 1&1 - inklu­sive Voda­fone-Roaming - verlegt, das wird schub­weise ab 2024 der Fall sein.

Inno­vativ: Weiter­surf-Garantie

Dass o2 auch heute noch weiß, wie Inno­vation geht, zeigte die Telefónica-Marke mit der Weiter­surf-Garantie in ihren aktu­ellen Prepaid-Tarifen. Nach Verbrauch des High­speed-Daten­volu­mens haben die Kunden so immer noch bis zu 384 kBit/s zur Verfü­gung. Abseits von Video-Strea­ming dürfte das für die meisten Anwen­dungen ausrei­chend sein.

Schade ist in diesem Zusam­men­hang, dass es diese Weiter­surf-Garantie für Vertrags­kunden nicht mehr gibt. Warum Telefónica ausge­rechnet dieje­nigen Kunden bestraft, die sich fest an das Unter­nehmen binden, wissen maximal dieje­nigen, die sich diese Tarif­politik ausge­dacht haben.

Krachend geschei­tert ist auch der Versuch von Telefónica, Preis­erhö­hungen im deut­schen Mobil­funk­markt einzu­führen. Während o2-Neukunden nun monat­lich 3 Euro mehr als früher bezahlen (bei in der Regel auch verbes­serten Inklu­siv­leis­tungen), haben Telekom und Voda­fone ihre Mobil­funk-Grund­gebühren nicht erhöht, zum Teil aber eben­falls die Inklu­siv­leis­tungen verbes­sert.

Für alle Fälle: Die Kraft der zwei SIM-Karten

Heutige Smart­phones haben ab Werk einen SIM-Karten­schacht für zwei SIM-Karten oder bieten die Möglich­keit, mehrere eSIM-Profile zu instal­lieren, von denen zwei gleich­zeitig auf Empfang sein können. Für den güns­tigen Alltag kann eine SIM-Karte im o2-Netz genutzt werden. Als Ausweich­netz kann es eine SIM-Karte von der Telekom oder je nach Region auch von Voda­fone sein.

Die Zwei­karten-Lösung kann auch inter­essant sein, wenn ein Wechsel aus einem anderen Netz hin zu o2 ansteht. So besteht die Möglich­keit, im Alltag auszu­testen, wie gut die Versor­gung ist.

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