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Editorial: Kostenloses WLAN auch im Nahverkehr?

Lohnt sich die teure Aufrüstung von Nahverkehrszügen mit WLAN-Hotspots? Und falls ja: Sollten alle Züge ausgestattet werden oder nur bestimmte? Und wie können Züge in Zukunft konstruiert werden, damit sie weniger Mobilfunk-Verstärker benötigen?
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Für Politiker ist es immer einfach, etwas zu fordern, müssen sie die aus den Forderungen folgenden Kosten am Ende doch nicht selber tragen, sondern die Bürger mit ihren Steuern. Im konkreten Fall ist es sogar besonders einfach für Bundesverkehrsminister Dobrindt: Wird seine Forderung umgesetzt, alle Personenzüge der Bahn mit kostenlosem WLAN aufzurüsten, also nicht nur ICEs, sondern auch Regionalbahnen und S-Bahnen, dann zahlen am Ende dafür die Bundesländer und Gemeinden, die den Regionalverkehr bestellen, und nicht der Bund. Denn die Bahn wird gestiegene Kosten durch Einbau und Betrieb von Hotspots immer umlegen.

Aber nicht nur die Frage nach den Kosten lässt Dobrindts Forderung fragwürdig erscheinen, sondern auch die Frage nach dem Nutzen. Zweifellos gleicht so mancher ICE-Wagen an Tagesrandverbindungen einem Großraumbüro, in dem zahllose Manager morgens noch schnell die Präsentation für den Termin nachher nochmal durchgehen oder abends den nächsten Arbeitstag vorbereiten. Hier über eine stabile Datenverbindung zu verfügen, um Dokumente austauschen oder Details im Internet recherchieren zu können, hat einen hohen Wert. Und zu Recht ist öffentlich intensiv darüber diskutiert worden, dass diese Hotspots lange Zeit leider nicht so gut funktionierten, wie sie sollten. Inzwischen hat die Bahn freilich erheblich nachgebessert, die verfügbaren Datenraten liegen auf vielen Strecken wieder in Bereichen, mit denen normales Websurfen möglich ist. Seit kurzem ist die Nutzung des Hotspots im ICE in der 1. Klasse inklusive, die 2. Klasse soll folgen.

Kostenloses WLAN im Nahverkehr Kostenloses WLAN im Nahverkehr
Bild: dpa
Im Nahverkehr sind aber die Fahrzeiten oft viel zu kurz, um großartig zu arbeiten. Kaum hat man den Laptop aufgeklappt und sich im Netz angemeldet, müsste man schon wieder alles einpacken, weil man sich der Zielstation nähert. Auf der Berliner Ring-S-Bahn dürfte die durchschnittliche Aufenthaltszeit der Fahrgäste im Zug um die zehn Minuten betragen, entsprechend 4 bis 5 Stationen. Länger als 30 Minuten dauert keine (fahrplanmäßige) Fahrt, denn bei noch längeren Strecken wäre es schneller, in der Gegenrichtung zu fahren. Die Umrundung des Rings dauert genau eine Stunde. Der Ring liegt auch komplett oberirdisch im Stadtgebiet, so dass der Großteil der Ringstrecke von allen vier Netzen gut bis sehr gut versorgt wird. Warum sollte man hier den Aufwand betreiben, Hotspots einzubauen?

Anders auf so mancher Regionalexpresslinie. Die Fahrtzeit der Linie RE 5 von Falkenberg (Elster) über Berlin bis nach Stralsund beträgt über viereinhalb Stunden. Zwischen Berlin und Stralsund liegt die Fahrzeit mit knapp über drei Stunden nur eine halbe Stunde über der des nur gelegentlich auf dieser Strecke verkehrenden ICE. Es ergibt also meist keinen Sinn, auf den nächsten ICE zu warten, wenn man zu einer bestimmten Zeit aus von Berlin an die Ostsee fahren will, sondern man nimmt dann den Regionalexpress. Entsprechend viele "Fernfahrer" befinden sich in den Zügen, und entsprechend höher ist der Bedarf an Ausstattung im Zug: Toilette, Getränke- und Snackautomat und künftig vielleicht auch ein Hotspot. Letzterer wäre auf der genannten Strecke ein echter Mehrwert, da der Zug lange Zeit durch dünn besiedelte und mobilfunktechnisch nur schlecht erschlossene Gebiete fährt.

Angesichts des großen Spektrums muss am Ende für jede Linie einzeln entschieden werden, welche Serviceangebote im Zug nötig sind, nicht nur bezüglich der Datenversorgung via WLAN. Öffentliche Dienste mit der "Gießkanne" zu fordern, ergibt in Zeiten knapper öffentlicher Finanzen einfach keinen Sinn mehr. Wie viele der in den 60er und 70er Jahren in Massen errichteten öffentlichen Schwimmbäder sind schon längst wieder geschlossen, während die damals für den Bau aufgewendeten Gelder weiterhin Teil der kommunalen Schulden sind? Mit ähnlicher Versorgungsmentalität fordert die Politik heute WLAN überall, vergisst aber dabei, dass WLAN in Nahverkehrszügen allenfalls für einen Teil der Fahrgäste von Interesse ist.

Lesen Sie auf Seite 2, was bei der Entwicklung neuer Züge zugunsten einer besseren Mobilfunkleistung im Zug gemacht werden kann.

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