Notruf?

Notruf an 110: Rettung ohne Standort-Info?

Wer in Not die 110 wählt, kann teils nicht geortet werden. Technisch problemlos möglich, aber rechtlich problematisch - in Baden-Württemberg.
Von mit Material von dpa

Wegen recht­licher Hürden in Baden-Würt­tem­berg kann die Polizei Notrufe an die 110 im Südwesten und ander­orts in Deutsch­land nicht rasch zurück­ver­folgen. Die Ortungs­daten aus ganz Deutsch­land fließen zwar zentral nach Baden-Würt­tem­berg, können wegen der Rechts­lage aber nicht abge­rufen und weiter­gegeben werden, wie das Innen­minis­terium bestä­tigte. Es sei unklar, ob das hiesige Poli­zei­gesetz dafür eine ausrei­chende Rechts­grund­lage biete. Man suche aber derzeit mit dem Landes­daten­schutz­beauf­tragten nach einer prak­tika­blen Lösung, so ein Spre­cher.

AML über­mit­telt Stand­ort­daten- tech­nisch problemlos

Aufkleber auf einem Polizeiauto mit "Werbung" für den Notruf 110 - im Ernstfall könnte die 112 hilfreicher sein. Aufkleber auf einem Polizeiauto mit "Werbung" für den Notruf 110 - im Ernstfall könnte die 112 hilfreicher sein.
Foto: Picture Alliance/dpa
Tech­nisch ist eine Ortung über das Verfahren „Advanced Mobile Loca­tion“ (AML) möglich. Dabei werden auf einem Smart­phone beim Wählen des Notrufs verschie­dene Sensoren wie das GPS einge­schaltet und die Daten auto­matisch über­tragen. In Frei­burg im Breisgau (Leit­stelle Frei­burg-Hoch­schwarz­wald) steht der zentrale AML-Server für ganz Deutsch­land in der inte­grierten Leit­stelle (ILS).

EU-Recht schreibt Über­mitt­lung vor

Das EU-Recht schreibt die Über­mitt­lung der Ortungs­daten vor. Für den Umgang mit den Daten fehle aber die Rechts­grund­lage, kriti­siert der Landes­beauf­tragte für den Daten­schutz. Nur im Einzel­fall dürfe der Standort hilf­loser Personen ermit­telt werden. Aller­dings fordere der euro­päi­sche Gesetz­geber eine auto­mati­sche Über­mitt­lung des Stand­orts, sobald man die 110 wählt.

Deshalb brauche es eine Rechts­grund­lage, die klar­stelle, was mit den Daten gemacht werden dürfe. „Dies gilt insbe­son­dere im Falle der Polizei, die nicht nur dafür zuständig ist, in Notlagen zu helfen, also Gefahren abzu­wehren, sondern auch im Falle von Anhalts­punkten für Straf­taten zu ermit­teln“, so ein Spre­cher des Landes­daten­schutz­beauf­tragten. Die Stand­ort­daten dürften ausschließ­lich zur Hilfe­leis­tung verwendet werden, so die Forde­rung. „Dies auch mit Blick darauf, dass Menschen nicht aus Angst vor der auto­mati­sierten Standort­über­mitt­lung von einem Anwählen des Notrufs absehen sollten.“

Alter­native 112 - mit Stand­ort­daten

Inter­essan­ter­weise gibt es diese recht­lichen Probleme bei Anwahl der inter­natio­nalen Notruf­nummer 112 nicht. Hier werden eben­falls die Stand­ort­daten über­mit­telt und können auch genutzt werden, was im Ernst­fall wert­volle Sekunden bedeuten kann, um die Rettungs­kräfte an die rich­tige Stelle zu schi­cken.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Gibt es einen Notfall, besser die 112 (eins-eins-zwo) anrufen. Diese Nummer funk­tio­niert auch, wenn nur das "falsche" Mobil­funk­netz verfügbar ist (weil der eigene Anbieter dort noch nicht versorgen kann oder will) und landet direkt bei den Rettungs­leit­stellen, die eben­falls über AML verfügen (sollten).

Wenn ein Unfall passiert, kann es auch sein, dass der eCall (euro­päi­scher Notruf) im Auto schon längst Alarm geschlagen und auch die Koor­dinaten über­mit­telt hat. Wer Hilfe braucht, muss auch selbst mithelfen (indem er der Über­mitt­lung der Daten zustimmt), soweit das möglich ist. Den Daten­schüt­zern sollte möglichst schnell eine prak­tikable Lösung einfallen, um solche Verwick­lungen zu vermeiden, denn im Falle eines Falles kommt es auf jede Sekunde an.

Wer der Polizei nur etwas (anonym) mitteilen möchte, kann die regu­läre Fest­netz­nummer der nächsten Poli­zei­wache anrufen, diese steht im Tele­fon­buch bzw. auf der Webseite der Polizei. Die eigenen Stand­ort­koor­dinaten werden dabei nicht über­mit­telt. Das Netz "weiß" nur, aus welcher Funk­zelle der Anruf kommt.

Was viele nicht wissen: Bei Wahl der 112 können auch "fremde Netze" genutzt werden.

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