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Editorial: Wer traut sich an die nächste Akku-Revolution?

Dreifache Kapazität bei gleichem Gewicht in greifbarer Nähe
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Beispiel Elektronenspeicher: Derzeit sind es Übergangsmetalle (v. a. Kobalt und Mangan, bei einem bestimmten Typ auch Eisen) an der positiven Elektrode, die den Gegenpol zum Lithium bilden, beim Laden also Elektronen abgeben und beim Entladen wieder aufnehmen. Für den Akku ist es energetisch am besten, wenn diese Übergangsmetalle beim Laden die Elektronen nur unter "Druck" (also hoher Spannung!) abgeben, bzw. beim Entladen die Elektronen begierig wieder aufnehmen. Das ist aber nur dann der Fall, wenn den Metallen bereits vorweg Elektronen weggenommen wurden, sie also bereits im entladenen Akku relativ stark ionisiert vorliegen.

Aber auch diese vorab abgenommenen Elektronen müssen im Akku gespeichert werden, bei einem wiederum anderem Stoff. Meist wird dafür Sauerstoff verwendet, der begierig Elektronen aufnimmt. Sauerstoff dient dann als "permanenter" Elektronenspeicher, der den "variablen" Elektronenspeicher, nämlich das Übergangsmetall an der positiven Elektrode, im mittelstark ionisierten Zustand hält. Beim Laden wird das Übergangsmetall dann noch stärker ionisiert, der Sauerstoff bleibt hingegen unverändert.

Diese doppelte Aufgabenverteilung ist nicht unproblematisch: Zum einen macht sie auch die negative Elektrode schwer. Nicht nur die Übergangsmetallatome sind schon schwer, es kommen auch noch zahlreiche Sauerstoffatome hinzu. Gibt zudem statt des Übergangsmetalls der Sauerstoff die Elektronen ab, wie es insbesondere bei hohen Ladespannungen und -strömen sowie auch ohne Ladevorgang bei hohem Ladezustand und höheren Temperaturen passieren kann, entsteht Sauerstoffgas. Dieses kann an anderer Stelle im Akku schädliche Reaktionen auslösen oder gar zum Bersten der versiegelten Zellen führen.

Falsche Reaktionen führen zu Sauerstoff-Entstehung

Im Regelfall wird durch die falschen Reaktionen entstehender Sauerstoff über ein Überdruckventil einfach abgeblasen. Doch damit ist den Elektronen, die beim Laden vom Ladegerät von der positiven zur negativen Elektrode gepumpt wurden, der Rückweg verbaut: Die Übergangsmetalle, die diese Elektronen normalerweise aufnehmen würden, haben sich ja schon stattdessen bei den Sauerstoffionen bedient. Und die dabei aus den Sauerstoffionen entstandenen Sauerstoffmoleküle wurden abgeblasen, stehen also ebenfalls nicht mehr zur Elektronenaufnahme zur Verfügung.

Die Folge: Je mehr Sauerstoff ein Li-Ion-Akku verloren hat, desto weniger Energie kann diesem beim Entladen entnommen werden. Diese Energie kann auch beim nächsten Ladeprozess nicht mehr aufgefüllt werden. So, wie der Sauerstoff aus dem Überdruckventil entweicht (oder, schlimmer, Nebenreaktionen im Akku veranlasst) geht der zugehörige Teil der Kapazität unwiderruflich verloren. Diese Sauerstoff-Ausgasung von der positiven Elektrode, zusammen mit der direkten Ablagerung von Lithium-Metall an der negativen, ist schuld an der nur kurzen Haltbarkeit der Lithium-Ionen-Akkus der ersten Generationen.

Ist Schwefel die Lösung?

Langer Rede, kurzer Sinn: Es wäre viel effizienter, die Rolle des Lithium-Gegenspielers direkt einem Nichtmetall zu übertragen, nicht einem durch Nichtmetalle vorionisiertem Metall. Heißester Kandidat dafür ist derzeit Schwefel. Größtes Problem ist derzeit, dass der Schwefel dazu tendiert, sich wie auch die Lithium-Ionen im Elektrolyten zu lösen, und dann teils von der positiven zur negativen Elektrode zu wandern und an letzterer zu verharren. Damit kommt es analog zum oben geschilderten Sauerstoffschwund zum Verlust des Lithium-Gegenspielers. Somit halten experimentelle Lithium-Schwefel-Zellen oft nur einige Dutzend Ladezyklen durch.

Forscher setzen auf Schwefel

Eine mögliche Lösung (im chemischen Sinne eigentlich eher eine Un-Lösung) des Schwefel-Problems ist, einen Elektrolyten zu finden, der Litihum-Ionen löst und leitet, Schwefel-Ionen aber nicht. Dann wäre der Schwefel gezwungen, an Ort und Stelle zu verbleiben.

Andere Forscher setzen darauf, den Schwefel in der positiven Elektrode einzusperren: Wenn man heißen, flüssigen Schwefel mit porösem Graphit mischt, setzt sich der Schwefel bevorzugt in Hohlkörpern im Graphit ab. Dr. Falko Böttger-Hiller [Link entfernt] von der TU Chemnitz ist es in seiner Doktorarbeit gelungen, gezielt Graphit mit "Nanolöchern" herzustellen. Die Schale rund um die jeweiligen Löcher ist dünn genug, um beim "Betanken" mit flüssigem Schwefel bei 140 °C diesem das Eindringen zu ermöglichen, und zugleich dick genug, um anschließend beim Akkubetrieb den Schwefel festzuhalten: Eine Testzelle mit der Kohlenstoff-Schwefel-Elektrode als positivem Pol und Lithium-Metall als negativem Pol hatte nach 500 Zyklen immer noch 70% der Ausgangskapazität!

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Schritte vom funktionierenden Prototypen zur einsatzfähigen Zelle noch nötig sind.

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