Kooperation

Stadt Münster: Ganzheitlich Glasfaser bis in die Wohnung

Sprach die Telekom bisher von Glas­fa­ser­ausbau, war bislang gerne bis zum Verteiler auf der Straße (FTTC) gemeint. Doch jetzt steht der Voll­ausbau bis in die Wohnung (FTTH) auf der Agenda.
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In der Stadt Münster haben sich die örtli­chen Stadt­werke ("Wir kennen unsere Stadt genau und wissen, wie man passive Netze verlegt") und die Deut­sche Telekom zusam­men­getan, um in den nächsten 10 Jahren "schnelles Netz" für 160.000 Haus­halte oder 40.000 Gebäude anzu­schließen.

Gemeinsam in Konkur­renz

Die Stadt Münster soll in 10 Jahren "ganzheitlich" mit Glasfaser bis in die Wohnung versorgt werden. Die Stadt Münster soll in 10 Jahren "ganzheitlich" mit Glasfaser bis in die Wohnung versorgt werden.
Foto: Stadtwerke Münster
Dabei wollen Stadt­werke und Telekom gemeinsam und in Konkur­renz arbeiten. Das bedeutet: Die Stadt­werke werden die Infra­struktur aufbauen, sprich die Glas­faser-Kabel verlegen, und die Telekom wird das Netz dann betreiben, sprich die Glas­faser beleuchten.

So können die Stärken der Stadt­werke als kommu­naler Versorger mit lang­jäh­riger Erfah­rung im Bau von Infra­struktur mit den Produkten und Ange­boten der Telekom für die Bürger und die Stadt kombi­niert werden. Michael Hags­pihl, Geschäfts­führer Privat­kunden bei der Telekom Deutsch­land und Müns­te­raner seit vielen Jahren ("ich habe hier studiert und ich wohne hier"), und Sebas­tian Jurczyk, Vorsit­zender der Stadt­werke-Geschäfts­füh­rung, unter­schrieben heute in Münster eine Absichts­er­klä­rung ("Letter of intent"). Diese Erklä­rung beschreibt die Eckpfeiler der geplanten Zusam­men­ar­beit.

Das fertige Netz wird nämlich "im Wett­be­werb" vermarktet. Der inter­es­sierte Kunde kann also wahl­weise bei den Stadt­werken Münster einen Vertrag über Internet und Telefon unter­schreiben oder bei der Telekom oder weiteren TK-Unter­nehmen, die im Rahmen von "wholebuy" die notwen­digen Leis­tungen bei der Betrei­ber­ge­sell­schaft einkaufen können.

Keine letzte Meile mehr: Glas für alle

"Es wird keine letzte Meile geben, weil wir mit Glas direkt in die Wohnung gehen", betonten Hags­pihl und Jurczyk in einer Pres­se­kon­fe­renz und Müns­ters Ober­bür­ger­meister Markus Lewe, zugleich Präsi­dent des Deut­schen Städ­te­tages, betonte, dass die Aufgreif­schwelle von 30 MBit/s an vielen Stellen den voll­stän­digen Ausbau unnötig behin­dern würde. Man wolle jetzt Münster "ganz­heit­lich mit Breit­band versorgen" und keine Unter­schiede mehr machen.

Schon heute ist die Nach­frage nach schnel­leren Leitungen groß. Privat­kun­den­chef Michael Hags­pihl (Telekom) berich­tete, dass mehr als 50 Prozent der neu verkauften Breit­band-Anschlüsse mit 100 oder 250 MBit/s bestellt würden.

Koope­ra­tion soll Digi­ta­li­sie­rung stärken

Ganzheitlich FTTH für Münster: Michael Hagspihl (Deutsche Telekom) und Sebastian Jurczyk (Stadtwerke Münster) Ganzheitlich FTTH für Münster: Michael Hagspihl (Deutsche Telekom) und Sebastian Jurczyk (Stadtwerke Münster)
Foto: Stadtwerke Münster
„Schnelle Kommu­ni­ka­ti­ons­netze sind Lebens­adern einer modernen und smarten Stadt und ein wich­tiger Stand­ort­faktor. Über die Koope­ra­tion mit der Telekom wollen wir das Ausbau­tempo und den Umfang in Münster deut­lich stei­gern“, betont Stadt­werke-Geschäfts­führer Sebas­tian Jurczyk. „Wir begegnen einander auf Augen­höhe. Jeder bringt eigene Stärken in die Koope­ra­tion ein und gemeinsam nutzen wir sie zum Vorteil der Müns­te­r­a­ne­rinnen und Müns­te­raner.“

„Mit den Stadt­werken Münster haben wir einen erst­klas­sigen Partner gefunden, um die Region mit einem super­schnellen Breit­band­netz zu versorgen. Diese Part­ner­schaft passt perfekt in die Ausbau-Stra­tegie der Telekom, die bereits heute von bestehenden FTTC und FTTH Koope­ra­tionen in Deutsch­land geprägt ist.“, findet Hags­pihl. “Ich freue mich, mit dieser Part­ner­schaft Münster und Umge­bung zu einer der führenden Glas­fa­ser­re­gionen Deutsch­lands zu machen. Wenn zwei starke Unter­nehmen zusam­men­kommen, profi­tieren in erster Linie die Kunden in der Region.“

Der Kern der Zusam­men­ar­beit liegt zunächst auf dem gemein­samen Aufbau und Betrieb einer "giga­b­it­fä­higen" Infra­struktur auf Basis der Glas­fa­ser­tech­no­logie bis in die Wohnung des Kunden. In zwei Stadt­vier­teln Müns­ters betreiben die Stadt­werke bereits ein Glas­fa­ser­netz, haben also erste Erfah­rungen. Mit der Erschlie­ßung des Müns­te­raner Stadt­teils Amels­büren und der Umset­zung des Bundes­för­der­pro­gramms Breit­band beginnt das Unter­nehmen noch in diesem Jahr, nächstes Jahr sollen die ersten Ausbauten in Eigen­wirt­schaft erfolgen.

Der Kern der Koope­ra­tion ist die Schaf­fung der notwen­digen Infra­struktur für super­schnelle Inter­net­ver­bin­dungen. Mit ihrer Erfah­rung im Bau von Versor­gungs­netzen in Münster sind die Stadt­werke im Rahmen der Koope­ra­tion für den Bau der passiven Technik verant­wort­lich. Im Betrieb der aktiven Netz­kom­po­nenten spielt die Telekom ihre Stärken als Netz­be­treiber aus. Gegen­über den Kunden treten beide Unter­nehmen vonein­ander unab­hängig als eigen­stän­dige Anbieter von Glas­fa­ser­ver­trägen auf. Der Netz­zu­gang Dritter wird diskri­mi­nie­rungs­frei und zu fairen kommer­zi­ellen Bedin­gungen gewähr­leistet, sodass die Anbie­ter­viel­falt gesi­chert ist.

Wichtig: Nach­frage bei der Bevöl­ke­rung

Bei aller Begeis­te­rung bleibt eine wich­tige Voraus­set­zung für einen wirt­schaft­li­chen Glas­fa­ser­ausbau: Die entspre­chende Nach­frage der Bevöl­ke­rung, die im Rahmen von Vorver­mark­tungen verbind­lich abge­fragt wird. Schon im zweiten Quartal 2021 wollen die Partner ein erstes Gebiet gemeinsam erschließen.

Welche Tarife wird es geben?

Spezi­elle Tarife für Münster wurden noch nicht genannt. Hags­pihl verwies auf das Tarif­an­gebot der Telekom "von S bis XXL", deutete an, dass Glas­faser-Neukunden den Anschluss­preis von etwa 800 Euro erstattet bekämen, wenn sie gleich beim Erst­ausbau bestellen. Damit ein Glas­fa­ser­an­schluss in das Haus und bis in die Wohnung verlegt werden darf, muss zunächst der Haus- und Grund­stücks­ei­gen­tümer zustimmen. Diese Zustim­mung ist kosten­frei und bringe Vorteile, da sie den Wert von Grund­stück und Immo­bilie aufwerte. Man werde auch auf die "Wohnungs­wirt­schaft" (Vermie­tungs­ge­sell­schaften) zugehen, um sie zum Anschluss an die Glas­faser zu moti­vieren. Dabei seien Rahmen­ver­träge denkbar, die noch verhan­delt werden müssten. Somit können auch Mieter von solchen Wohnungs­ge­sell­schaften in den Genuss von Glas­faser-Anschlüssen bis in die Wohnung kommen.

Die genauen Details der Koope­ra­tion werden in kommenden Gespräche zwischen den Part­nern verhan­delt werden.

Was machen die Stadt­werke Münster?

Die Stadt­werke Münster belie­fern mit rund 1.100 Mitar­bei­tern schon heute ihre Kunden mit Strom, Erdgas, Fern­wärme sowie Trink­wasser und bieten auch selbst Breit­band-Inter­net­an­schlüsse an. Außerdem sind die Stadt­werke für den Busver­kehr in Münster verant­wort­lich. Klima­schutz und der Ausbau erneu­er­barer Energie sind bei den Stadt­werken ein wich­tiges Thema. An drei Stand­orten in der Stadt bieten die Stadt­werke Münster Bera­tung und Service an.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Die Idee ist gut: Die örtli­chen Stadt­werke, die ihre Stadt logi­scher­weise am besten kennen, planen, bauen und verlegen die Leitungen. Ein Netz­be­treiber mit Erfah­rung über­nimmt die "Beleuch­tung" und Betrieb des Netzes, das dann im Wett­be­werb an die Kunden vermarktet wird. Andere Tele­fon­ge­sell­schaften können sich an der Vermark­tung betei­ligen, wenn sie vorher Eini­gung über die Einkaufs­kon­di­tionen erzielen können. Die ganze Stadt soll mit Glas­faser bis ins Haus versorgt werden. Das wird nicht gleich morgen früh und überall möglich sein, aber 10 Jahre sind ein über­schau­barer Zeit­raum.

Jetzt müsste man das Modell nur noch bundes­weit aufgreifen und endlich mit dem Komplett­ausbau des Landes beginnen und dabei vorhan­denes Know-How und Infra­struktur gemeinsam nutzen, anstatt sich nutzlos gegen­seitig zu beharken oder die "Schuld" zuzu­weisen.

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