Kirchwald: "net services" stellt Internet und Telefon ab
Die Gemeinde Kirchwald liegt im Landkreis Mayen-Koblenz in der Eifel im Bundesland Rheinland-Pfalz. Dort hat der örtlich tätige Anbieter für Telefon und Internet seine Dienste eingestellt und alle Anschlüsse gekündigt. Das bedeutet: 250 Haushalte sind derzeit ohne Telefon und Internet.
Der zuständige Telefonanbieter "net Services" aus Flensburg ist ein alter Bekannter. net-Services, die unter der Marke "komflat" aktiv sind, möchten nicht mehr mit dem "Eigentümer" der Leitungen, der Firma netcon AG aus Pfarrkirchen (Bayern), zusammenarbeiten. Aktuell ist die Webseite der Netcon AG "im Umbau".
Schwierigkeiten der privaten Anbieter
Nach Deuselbach, Immert und Morbach wird jetzt auch Kirchwald von Telefon und Internet abgetrennt. Die beteiligten Anbieter haben Streit
Screenshot: teltarif.de, Quelle: kirchwald.de
"net services" begründet das mit "Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit dem Netzeigentümer netcon AG" und gibt das Ende der Versorgung ihrer Telefonie- und Internetdienste in Morbach und Kirchwald bekannt." Bekanntlich wurden die Dienste von "net services" auch in Deuselbach (Hunsrück) und Immert (Kreis Bernkastel-Kues/Hunsrück) eingestellt.
Bürgermeister findet es "unmöglich"
Für den parteilosen Bürgermeister von Kirchwald, Armin Seiwert, ist das einfach "unmöglich" wie der rheinland-pfälzische Radio- und TV-Sender Südwestrundfunk (SWR) berichtet. "Ich hätte denjenigen oder diejenige, die mir das vor acht oder neun Wochen erklärt hätte, für verrückt erklärt."
Der Vorgang sei in Rheinland-Pfalz einzigartig, antwortete das Digitalisierungsministerium auf die SWR-Anfrage. Dabei ist das offenbar nicht der erste Fall dieser Art.
Aktuelle Versorgung in Kirchwald?
Wer in Kirchwald aktuell ins Internet gehen möchte, könnte das vielleicht über Mobilfunk oder eine Satellitenverbindung tun, sofern die notwendige Technik und der erforderliche Vertrag vorhanden sind. Aber: Klassischer Mobilfunk ist nicht überall im Ort gut verfügbar, wie Bürgermeister Seiwert bestätigt. Also stehen die meisten Bürger aktuell ohne Telefon- und Internetverbindung da.
Die "netcon services" erklärt lapidar, alle Kunden rechtzeitig informiert und die Kündigungsfristen eingehalten zu haben. Die Nutzer könnten zu einem anderen Anbieter wie beispielsweise der Telekom wechseln. In der Tat: Die Bewohner von Kirchwald können zur Telekom zurückkehren, sofern die früheren Kupferleitungen noch bis zum oder ins Haus hinein führen.
Aber: Die Telekom kann nur analoge Telefonanschlüsse (MSAN) anbieten. Ein Router ist dafür nicht erforderlich, im Gegenteil, er würde nicht funktionieren. Der Hintergrund: netcon hatte seinerzeit die Verteilerkästen im Ort im Rahmen von "Vectoring" belegt, d.h. der Telekom war es damit schlicht untersagt, dort wenigstens (V)DSL auszubauen.
Was an Technik der Telekom noch vorhanden ist, sind 10-km-Freileitung in den Ort, die nach Angaben eines Telekom-Sprechers "für das Internet nicht zu gebrauchen" sind. Kurzfristig sei es aber möglich, einen analogen Telefonanschluss einzurichten. Selbst die früher oft verwendete SDSL-Technik (symmetrisches DSL) bei der einfach viele Kupferleitungen gebündelt wurden, sei dort nicht mehr realisierbar, so die Auskunft der Telekom.
Analoges Telefon möglich
Das analoge Telefon wird dann direkt an die hoffentlich noch vorhandene oder neu zu setzende Telefondose über die 10-km-Kupferkabel angeschlossen und es kann mit Tonwahl (und zur Not auch mit Impulswahl) telefoniert werden. Die Telekom bietet dafür einen nicht mehr beworbenen, aber noch buchbaren Sondertarif an, der monatlich kündbar ist (Kündigung muss sechs Tage vor Monatsende eingegangen sein).
Wenn technisch alles vorhanden sei und funktioniere, so der Telekom-Sprecher, könnten die Anschlüsse dann auch innerhalb von 24 Stunden freigeschaltet werden.
Mit Abschaltung warten? Nein.
Die Gemeinde hatte die "net services" noch gebeten, mit der Abschaltung einige Wochen zu warten, bis ein neues geplantes Glasfasernetz der Westconnect (e.on) im Ort fertig sei, das gerade gebaut werde. Das habe die Firma "net services" ("komflat") aber abgelehnt, so die Auskunft des Bürgermeisters.
Bundesnetzagentur prüft
Die regulatorisch zuständige Bundesnetzagentur "prüfe den Sachverhalt", erfuhr der SWR. Ein Wegfall der Mindestversorgung sei aus Sicht der Bundesnetzagentur "höchst unbefriedigend". Man stehe in engem Kontakt zu der Gemeinde und unterstütze die Bemühungen für eine Übergangslösung. Auch das Ministerium unterstützt demnach die Gemeinde. Wie diese konkrete Unterstützung aussehen könnte, wurde nicht gesagt.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Mit der Liberalisierung im Telekommunikationsmarkt hat sich viel in Bewegung gesetzt. Doch die Geschichte hat auch Schattenseiten. Gerade in kleineren Ortsnetzen rechnet sich das Ganze für kleine TK-Unternehmen niemals wirklich. Die ziehen dann irgendwann den Stecker oder machen sich gleich aus dem Staub. Deuselbach, Immert, Morbach und Kirchwald - es kann überall in Deutschland sein. Sind wir darauf vorbereitet?
Seit der Liberalisierung gibt es keine Versorgungspflicht mehr, auch durch die Telekom nicht. Gerade in solchen Fällen würden sich viele Bürger eine staatliche Vorsorge wünschen, wenn beispielsweise vorübergehend ein Netzcontainer vielleicht mit einer temporären Satellitenverbindung vor Ort installiert würde. Im Ahrtal hat die Deutsche Telekom gezeigt, was da alles möglich ist. Nur müsste wohl über die Kostenfrage gesprochen werden und spätestens da ist die Politik extrem knauserig. In Kirchwald können sich die Bürger also nur mit einem analogen Telefonanschluss der Telekom ohne Internet behelfen und müssen auf den Ausbau von "Westconnect" und seine Glasfaser warten.
Die privaten Anbieter-Verbände, die sich laut und gerne über die "böse Telekom" beschweren, sollten im eigenen Interesse eine Taskforce bilden, die solche Unglücke vermeiden helfen könnte. Sonst haben wir eines Tages wieder eine Versorgungspflicht, die dann wohl erneut die Telekom übernehmen "darf", und die Mitbewerber werden erneut das Nachsehen haben.
Für die Politiker vor Ort sollten sofort nutzbare Standorte zur Verbesserung des Mobilfunkempfangs auf der Agenda stehen, vielleicht muss auch die Mobilfunkinfrastruktur-Gesellschaft (MIG) mit ins Boot geholt werden, damit das Mobilfunknetz möglichst schnell ausgebaut wird. Die notwendige Glasfaser wäre ja bis dahin von der Westconnect (hoffentlich) verfügbar.
In Deuselbach im Hunsrück nahm die Tragödie ihren Anfang.