Meinungen

5G-Regulierung & Frequenzen: Nicht alle sind zufrieden

Laut der Studie von WIK Consult gäbe es wirk­samen Wett­bewerb im Mobil­funk­markt. Die Meinungen dazu sind unter­schied­lich.
Von mit Material von dpa

Wir haben über eine von der Bundes­netz­agentur veröf­fent­lichten Studie der WIK Consult berichtet. Demnach gäbe es einen wirk­samen Wett­bewerb im Mobil­funk­markt.

Unter­schied­liche Ansichten

Das freut die Netz­betreiber, während Service-Provider und Inter­essen­ver­bände das natur­gemäß anders sehen. Sie hätten sich eine Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung und daraus resul­tie­rend deut­lich güns­tigere Preise für den Zugriff auf die neuen 5G-Netze gewünscht. Das Gutachten von WIK-Consult im Auftrag der Bundesnetzagentur stößt auf unterschiedliches Echo. Das Gutachten von WIK-Consult im Auftrag der Bundesnetzagentur stößt auf unterschiedliches Echo.
Foto: Image licensed by Ingram Image, Logos: Anbieter, Montage: teltarif.de
Die Bundes­netz­agentur wird demnächst fest­legen, wie die notwen­digen Frequenzen für Mobil­telefon-Netze vergeben werden können und will dabei auch strenge Vorgaben zur künf­tigen Qualität der Handy­netze aufstellen. So müssen alle Netz­betreiber künftig für sich alleine gesehen die Netze mehr in der Fläche ausbauen. Bisher galt ein Gebiet versorgt, wenn hier wenigs­tens ein Anbieter Mobil­funk­netz ange­boten hat. Ob im Ort A Netz 1 und im Nach­barort B Netz 2 versorgte, war dabei uner­heb­lich. Dadurch kam eine "Netz­qua­lität" zustande, die es so nicht gibt, es sei denn, der Kunde hätte mehrere SIM-Karten aus verschie­denen Netzen zur Hand.

Kann die Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung Probleme lösen?

In einem Unter­kapitel der geplanten Rege­lungen soll die Frage der Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung geklärt werden. Anbieter ohne Netz wie Freenet oder Stadt­netz­betreiber wünschen sich das, um "ange­mes­senen Zugriff auf den Tech­nolo­gie­stan­dard 5G zu bekommen." Bis 2020 scheint es eine Pflicht gegeben zu haben, seitdem ist es nur noch ein "Verhand­lungs­gebot". Das bedeutet: Die Unter­nehmen müssen mitein­ander spre­chen, aber kein Anbieter ist gezwungen, einen 5G-fähigen Vertrag dem Nach­frager zu jedem Preis anzu­bieten. Die Lage ist heute schon klar: Service-Provider und Discounter können 5G haben, aber zu erhöhten "Netz­betreiber-Tarifen". Die sind den güns­tigen Anbie­tern aber schlicht zu teuer.

Inzwi­schen gibt es immer mehr 5G-Tarife von güns­tigen Anbie­tern, oft aber mit Einschrän­kungen z.B. mit einer Ober­grenze von maximal 50 Megabit pro Sekunde. Viele Kunden fragen sich dann, ob 5G für sie noch einen Mehr­wert hat, weil 5G oft mit angeb­lich sehr hohen mögli­chen Daten­raten beworben wird. Dabei kann auch lang­sames 5G Vorteile haben, beispiels­weise bei Groß­ver­anstal­tungen (Sport, Musik, etc.), bei denen durch viele LTE-Geräte die Netze schon in die Knie gehen.

Relativ teurer deut­scher Markt?

Schaut man in das Gutachten, seien Mobil­funk­dienste für "Viel­nutzer" in Deutsch­land noch teurer als im EU-Schnitt. Die Preise würden aber bereits sinken. Am soge­nannten Vorleis­tungs­markt (= Netz­kapa­zitäten, die von den klei­neren Anbie­tern gemietet werden) fände sich den Gutach­tern zufolge kein Beweis für eine Abschot­tung des Marktes durch die Netz­betreiber. Im Gegen­teil: Sowohl auf dem Endkunden- als auch auf dem Vorleis­tungs­markt herr­sche wirk­samer Wett­bewerb und es gäbe keine Anzei­chen für eine "zukünf­tige Verschlech­terung der Wett­bewerbs­ver­hält­nisse zu Lasten der Endkunden".

EWE-Tel: Gutachter ziehen falsche Schlüsse

Die deut­sche Pres­seagentur (dpa) hat Norbert Westfal, Chef der nord­deut­schen EWE-Tel, befragt. Westfal ist zugleich auch Präsi­dent des BREKO-Verbandes. Für ihn zögen die Gutachter "die falschen Schlüsse". Richtig sei, dass es schon jetzt keinen rich­tigen Wett­bewerb gebe und die Mobil­funk­netz­betreiber es in der Hand hätten, ihn zukünftig noch weiter einzu­schränken. Und weiter: "Das Recht öffent­liche Frequenzen zu nutzen, darf daher nicht miss­braucht werden, um den Wett­bewerb im gesamten Tele­kom­muni­kati­ons­markt massiv einzu­schränken." Auch der Service-Provider Freenet zwei­felt die Aussa­gekraft der Studie an.

Deut­sche Telekom: Hohe Wett­bewerbs­inten­sität

Bei der Deut­schen Telekom sieht man das erwar­tungs­gemäß anders: "Die Studie ist eindeutig: Es gibt in Deutsch­land eine hohe Wett­bewerbs­inten­sivität im Mobil­funk­markt. Es gibt keine Art von Wett­bewerbs­defi­ziten oder Markt­ver­sagen. Das alles spricht gegen eine Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung. Aus unserer Sicht steht einer Verlän­gerung der auslau­fenden Zutei­lungen in den Frequenz­berei­chen 800, 1800 und 2600 MHz um acht Jahre nun nichts mehr entgegen. Wir erwarten, dass die Bundes­netz­agentur nun zügig die Verlän­gerungs­bedin­gungen konsul­tiert, damit die Bean­tra­gung der Verlän­gerung der Nutzungs­rechte noch in diesem Halb­jahr erfolgen kann. Durch diesen Schritt würde die nötige Inves­titi­ons­sicher­heit für die Schlie­ßung der letzten Weißen Flecken und den weiteren 5G Ausbau herge­stellt."

Voda­fone: Ramsch­preise bremsen fairen Wett­bewerb

Voda­fone Chef Phil­ippe Rogge findet das Gutachten gut: "Ein 5G-Zugangs­zwang zu fest­geschrie­benen Ramsch-Preisen würde den fairen Wett­bewerb und vor allem den Netz­ausbau ausbremsen." Dadurch würde Geld umver­teilt, "weg von jenen, die sie zum Schließen von Funk­löchern benö­tigen, hin zu denen, die ihre eigenen Gewinne ohne großen Aufwand weiter maxi­mieren wollen", warnt er.

o2: Gesunder Wett­bewerb im Sinne der Kunden

Auch o2-Telefónica bezieht klar Stel­lung: „Im deut­schen Mobil­funk­markt herrscht gesunder Wett­bewerb – im Inter­esse der Kundinnen und Kunden. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie im Auftrag der Bundes­netz­agentur. In kaum einen anderen Land in Europa geben die Verbrau­cher pro Kopf so wenig für Mobil­funk­ser­vices aus wie in Deutsch­land. Gleich­zeitig ist der Anteil netz­unab­hän­giger Anbieter im euro­päi­schen Vergleich die höchste. Die Studi­energeb­nisse sind eine gute Nach­richt für Verbrau­cher, Inves­toren und den dyna­mischen Netz­ausbau. Mit einem starken Part­ner­geschäft trägt o2 Telefónica entschei­dend zum Wett­bewerb im deut­schen Mobil­funk­markt bei.“

BREKO: Kritik an rosa­roter Mobil­funk­welt

Kritik gibt es vom Bran­chen­ver­band BREKO: Die Einschät­zung der Gutachter gehe "an der Realität vorbei" und male eine rosa­rote Mobil­funk­welt. Selbst eine "Viel­zahl von Submarken" der drei etablierten Mobil­funk­netz­betreiber, wie Aldi Talk oder Cong­star, könnten nicht verde­cken, dass es auf dem deut­schen Mobil­funk­markt insbe­son­dere im Vorleis­tungs­bereich zurzeit keinen wirk­samen Wett­bewerb gäbe.

BREKO wirft Telekom, Voda­fone und Telefónica vor, "syste­matisch das Angebot von 5G-Tarifen für Wett­bewerber ohne eigenes Mobil­funk­netz zu verzö­gern". Die etablierten Anbieter hätten in der Vergan­gen­heit auf Basis des geltenden Verhand­lungs­gebotes erst mit einer Verzö­gerung von fünf, sieben bezie­hungs­weise acht Jahren 4G-Ange­bote bereit­gestellt.

Der BREKO hält die Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung für "alter­nativlos". Nur die Verpflich­tung der drei etablierten Mobil­funk­netz­betreiber, unab­hän­gigen Wett­bewer­bern diskri­minie­rungs­freien Zugang zu den Netzen zu ermög­lichen, werde den Wett­bewerb auf dem Mobil­funk­markt nach­haltig stärken, das werde von den Wett­bewer­bern ausdrück­lich gewünscht. Das zeige eine aktu­elle Auswer­tung von Stel­lung­nahmen an den BREKO: Alle 17 teil­neh­mende Tele­kom­muni­kati­ons­unter­nehmen mit Ausnahme der etablierten Mobil­funk­netz­betreiber hätten eine wirk­same und unbü­rokra­tische Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung gefor­dert, ebenso der Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­band, das Bundes­kar­tellamt und die Mono­pol­kom­mis­sion.

Bundes­netz­agentur: Gutachten soll berück­sich­tigt werden

Die Bundes­netz­agentur hatte ange­kün­digt, das Gutachten bei der anste­henden Frequenz­ver­gabe zu berück­sich­tigen. Dies, so bemän­gelt der BREKO, würde den Wett­bewerb aber nicht stärken, sondern höchs­tens den Status Quo erhalten. Neben der geplanten Verlän­gerung der Mobil­funk­fre­quenzen wäre dies das zweite Geschenk für die drei etablierten Mobil­funk­netz­betreiber. Das wiederum wider­spreche dem Ziel des Gesetz­gebers, den Wett­bewerb im Mobil­funk­markt zu fördern.

Behör­den­ent­schei­dung steht noch aus

Entschieden ist die Sache noch nicht. Die Bundes­netz­agentur ist an die Erkennt­nisse der Studie der Bera­tungs­unter­nehmen WIK und EY nicht gebunden. Aller­dings will Behör­den­chef Klaus Müller die Ergeb­nisse des Gutach­tens bei der anste­henden Entschei­dung im Frequenz­ver­fahren "berück­sich­tigen", wie er es formu­liert. Zugleich betont er, dass die Wett­bewerbs­för­derung ein wich­tiges Ziel der Frequenz­regu­lie­rung sei.

Politik: Unter­schied­liche Ansichten

In der Bundes­politik gibt es unter­schied­liche Sicht­weisen auf die Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung. Die Libe­ralen sehen sie grund­sätz­lich positiv, um den Wett­bewerb zu stärken. "Die Bundes­netz­agentur sollte genau prüfen, ob die Argu­mente des Gutach­tens stich­haltig sind", sagt der FDP-Bundes­tags­abge­ord­nete Rein­hard Houben. Unter Umständen könnte es doch sinn­voll sein, so eine Vorschrift einzu­führen.

Auch die Grünen sind für das Instru­ment zur Wett­bewerbs­för­derung. Es gebe "eine mangelnde Dynamik auf dem deut­schen Mobil­funk­markt", sagt der Grünen-Bundes­tags­abge­ord­nete Maik Außen­dorf. Die Konkur­renz zu den Netz­betrei­bern hätte "in der Vergan­gen­heit zu einem hohen Wett­bewerbs­druck im Mobil­funk­markt und in der Folge zu sinkenden Preisen geführt" - dies sollte auch künftig so sein. "Ohne eine Verpflich­tung werden die Wett­bewerber der Netz­betreiber kaum in der Lage sein, ihren Kunden eigene 5G-Ange­bote zu unter­breiten."

Der SPD-Abge­ord­nete Johannes Schätzl ist anderer Ansicht als seine Parla­ments­kol­legen. Er weist darauf hin, dass eine Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung "nur bei einem erheb­lichen Markt­ver­sagen" zu recht­fer­tigen wäre. Nach Sich­tung der Studie sei das nicht gegeben. Die Tele­kom­muni­kati­ons­unter­nehmen sollten in den nächsten Jahre massiv in den Ausbau der Infra­struktur inves­tieren, hierbei dürfe so eine Vorschrift kein Brems­klotz sein. Es sei aber vorstellbar, die bishe­rige Rege­lung "um einzelne Instru­mente ohne Preis­vor­gaben zu erwei­tern".

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Das zitierte Gutachten stammt von WIK-Consult. Deren Chefin ist Dr. Cara Schwarz-Schil­ling, die tief im Thema steckt, denn ihr Vater war einst "Post­minister" und hat die Libe­rali­sie­rung des Marktes in Deutsch­land richtig in Bewe­gung gebracht. Wenn ihr renom­miertes Institut zu diesem Ergebnis kommt, dann hat das gute Gründe, auch wenn die Branche das nicht durch­gehend "gut" findet.

Es stimmt, die Service-Provider und Discounter konnten oder wollten lange Zeit keinen Zugang zu LTE/4G anbieten und 5G beginnt auch jetzt erst allmäh­lich den Weg dorthin zu finden. Die Sache ist klar: Für die Netz­betreiber war damals 4G/LTE und ist heute 5G eine neuer aktu­ellere und bessere Technik, die neu aufge­baut werden muss und daher einen Aufpreis kosten soll. Der Netz­ausbau besteht ja nicht nur aus dem Aufstellen von Sendern an bisher unver­sorgten Orten, sondern auch aus dem perma­nenten Hoch­rüsten und Nach­rüsten von vorhan­dener Technik, was nicht zum Geschenk­preis möglich ist.

Service-Provider aller Art konnten schon bisher 5G-Tarife anbieten, aber zu Preisen, die der auf Tiefst­preise geeichten Kund­schaft kaum gefallen haben dürften. Dem Publikum wären Tiefst­preise recht, am liebsten eine Full­flat für Sprache und Daten und das unter 20 oder noch besser unter 10 Euro. Wenn dann die Netze zusam­men­bre­chen sollten, werden die glei­chen Kunden und Anbieter das nächste Klage­lied anstimmen und den Voll­ausbau fordern. Doch dafür wird dann gar kein Geld mehr da sein.

Preis­sen­sible Kunden können aktuell mit 4G-Technik schon richtig günstig ins Netz gehen - in allen Netzen. Sie müssen aber heute schon damit rechnen, bei starker Netz­last länger warten zu müssen. 5G ist belast­barer und auch bei Discoun­tern längst zu bekommen. Die ultra­hohen bei 5G mögli­chen Geschwin­dig­keiten sind für viele Anwender gar nicht unbe­dingt notwendig und wer die braucht, wird gern ein paar Euro mehr ausgeben.

Die Bundes­netz­agentur sollte dafür viel strenger hinschauen, wann und wie es mit dem Netz­ausbau in der Fläche und abseits von Ballungs­zen­tren effektiv weiter­geht. Da ist viel in Bewe­gung gekommen, da ist aber noch einiges zu tun.

Mal eine verrückte Idee: Die Netz­betreiber könnten ja den Service-Provi­dern und Discoun­tern güns­tigere Tarife anbieten, die nur in gut ausge­bauten Ballungs­gebieten nutzbar sind. Man darf gespannt sein, was die Kunden dazu meinen.

Der Streit um die Diens­tean­bie­ter­ver­pflich­tung schwelt schon länger.

Mehr zum Thema BREKO