Prozessoren

Editorial: Das (Intel-)Imperium schlägt zurück

Smart­phone-Tech­nologie auf dem Desktop: Intel kopiert ARMs Big-Little-Tech­nologie zur Effi­zienz­stei­gerung
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Ein Prozessor von Intel Ein Prozessor von Intel
Bild: Intel
Jahr­zehn­telanger Prozessor-Welt­markt­führer Intel ist in den letzten drei Jahren stark unter Druck geraten: AMD errang mit der Zen-Archi­tektur die Perfor­mance-Krone für die schnellsten Desktop-Prozes­soren, während zugleich ARM im Server-Bereich inzwi­schen mit Spit­zen­werten bei Effi­zienz und Durch­satz (also Perfor­mance pro Watt und insge­samt verar­bei­tete Daten­menge pro CPU-Gehäuse) punktet. AWS (Amazon Web Services) kauft beispiels­weise schon seit Jahren keine neuen Intel-Server-CPUs mehr und vermarktet an seine Cloud-Kunden statt­dessen bevor­zugt die selbst designten Graviton2-Prozes­soren mit ARM-Kernen. Apple ist jüngst sogar bei Laptops von Intel-CPUs zum M1-Chip mit selbst weiter­ent­wickelten ARM-Kernen gewech­selt.

Ange­sichts dessen klingen die Spezi­fika­tionen des letzte Woche offi­ziell vorge­stellten Core i9-12900K wie ein echter Befrei­ungs­schlag: 16 Kerne, halb­wegs aktu­eller 7-Nano­meter-Prozess in der Ferti­gung (auch, wenn die Konkur­renz viel­fach schon 5-Nano­meter-Ferti­gung verwendet und mit 4 nm testet), Takt­raten von bis zu 5,2 GHz in der Spitze. Intel folgt dem Vorreiter ARM in der Auftei­lung der CPU in perfor­mance-starke (aber auch strom­hung­rige) P- und effi­ziente E-Kerne. Bei ARM heißen die Cores hingegen "Big" oder "Little". Der Trend geht bei Smart­phone-Prozes­soren von ARM sogar inzwi­schen dahin, drei verschie­dene Kerne vorzu­sehen, indem ein einzelner der Big-Cores noch­mals für beson­ders hohe Takt­raten opti­miert wird.

Anders als die bisher von Intel gewohnten Kerne und die neuen P-Kerne verfügen die E-Kerne nicht über Hyper­threa­ding. Die 16 Kerne des Core i9-12900K teilen sich gleich­mäßig auf je acht P- und E-Kerne auf, sodass bis zu 24 Threads gleich­zeitig laufen können. Der Vorgänger Core i9-11900K hatte noch acht Kerne und 16 Threads bei ähnlich hohen Turbo-Takt­raten und einer vergleich­baren Strom­auf­nahme.

Bei der maximal fälligen Turbo-Leis­tungs­auf­nahme von 241 Watt erreicht der Core i9-12900K mit allen Kernen zusammen ca. 50 Prozent mehr Gesamt­leis­tung als der Vorgänger bei 250 Watt. Doch schon bei einer Leis­tungs­auf­nahme von nur 65 Watt - diese kann auch mit einem relativ kleinen Kühler im Dauer­betrieb problemlos erreicht werden und nicht nur kurz­zeitig im TurboBoost - soll der Core i9-12900K von der Rechen­leis­tung her mit dem Vorgänger bei 250 Watt gleich­ziehen, letzt­end­lich also die Effi­zienz fast vervier­fachen.

Weg mit dem Turbo-Verbrauch!

Ein Prozessor von Intel Ein Prozessor von Intel
Bild: Intel
Mit anderen Worten: Die Erhö­hung der Leis­tungs­auf­nahme von 65 Watt auf 241 Watt - das sind satte +270 Prozent - bringt bei Intels neuem Flagg­schiff gerade mal 50 Prozent mehr Perfor­mance. Die Effi­zienz fällt hingegen um 60 Prozent. Und daraus folgt mein erster Wunsch, nicht nur an Intel, sondern genauso an AMD und ARM: Fragt den Benutzer bei der Instal­lation des Systems, ob er den viele Prozent höheren Strom-Verbrauch für die wenige Prozent höhere Perfor­mance wirk­lich will. Und macht dann "ja" und "nein" zwei voll­kommen gleich­berech­tigte Antwort­mög­lich­keiten, von denen nicht eine optisch attrak­tiver ist. Und erklärt dem Benutzer, wo er die Einstel­lung ändern kann, sollte er sich später ument­scheiden.

Ich weiß, das ist ein frommer Wunsch, dem die Prozessor-Hersteller nie nach­kommen werden. Schließ­lich will keiner in Bench­marks zurück­ste­cken. Von daher sind hier die Regie­rungen gefragt, wie bei den einheit­lichen Lade­kabeln oder den inner­euro­päi­schen Roaming-Tarifen auch.

Wieder teurer

Beim zwei Stufen klei­neren Core i5-12600K bekommt der Anwender immer noch 16 Threads (also so viele wie beim vorher­gehenden Spit­zen­modell Core i9-11900K), wozu sechs P-Kerne (mit je zwei Threads) und vier E-Kerne inte­griert sind. Die Basistakt­raten des Core i5-12600K liegen sogar etwas höher als beim i9-12900K, weil der Basis­strom­ver­brauch von 125 Watt bei beiden gleich ist. Auch hier gilt: Redu­ziert man den Takt um 10 bis 20 Prozent und schaltet die Turbo-Modi ganz ab, redu­ziert sich die Leis­tungs­auf­nahme um das Viel­fache des sich daraus erge­benden Perfor­mance-Nach­teils. Die Lüfter bleiben leise, das Arbeits­zimmer kühl und Word arbeitet, nun ja, unmerk­lich lang­samer.

Bei den Preisen zieht Intel kräftig an: Wurde bei der Einfüh­rung des Core i9-10900K im Früh­jahr 2020 noch ein Refe­renz­preis von 488 US-$ genannt, waren es beim ein Jahr später vorge­stellten Core i9-11900K schon 539 US-$. Der Core i9-12900K wird mit 589 US-$ bezif­fert - über 20 Prozent mehr als der Vorvor­gänger. Neben der derzei­tigen Chip-Klemme, die überall die Preise treibt, dürfte Intel bei der neue 12. Gene­ration der Core-Prozes­soren auch auf die stark gestei­gerte Perfor­mance als Verkaufs­argu­ment setzen. Bei vielen Anwen­dungen sieht man sich nun wieder an der Spitze, insbe­son­dere bei den aktu­ellen Top-Spielen.

Konkur­renz belebt das Geschäft

Wie man sieht, trägt die aktuell starke Konkur­renz von Intel, AMD und ARM durchaus Früchte in Form von regel­mäßigen Perfor­mance-Verbes­serungen und Effi­zienz­stei­gerungen. Wenn es die Politik jetzt noch schafft, dass die Effi­zienz­stei­gerungen auch beim Verbrau­cher ankommen, indem dieser die effi­zienten Betriebs­modi wählen kann, ohne sich in den System­menüs zu Tode zu suchen oder gar erst Zusatz­soft­ware zu instal­lieren, dann ist wirk­lich viel für alle gewonnen.

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