Aufstand

Kommunen begehren auf: Breiter GEZ-Boykott möglich

Stadt Köln bezahlt die neuen Rundfunkgebühren vorerst nicht
Von Steffen Herget

Rundfunkgebühren in der Kritik Rundfunkgebühren in der Kritik
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Die Kritik an den neuen Rundfunkgebühren und der - mittlerweile umbenannten - GEZ wächst. So hat zunächst die Stadt Köln angekündigt, die neuen Beträge vorerst nicht zahlen zu wollen. Die Begründung für die Entscheidung der Rheinländer ist, dass die Mehrbelastung kaum zu kalkulieren sei. "Wir können den Steuerzahlern nicht zumuten, auf Verdacht eine nicht exakt ermittelte Gebühr zu entrichten", so eine Sprecherin der Stadt gegenüber dem "Kölner Stadtanzeiger" (KStA). Aus der Industrie kam ebenfalls bereits Gegenwind, beispielsweise in Form einer Klage durch die Drogerie­kette Rossmann. Nun könnte die Front des Protestes noch einmal deutlich breiter werden, denn wie das Handelsblatt erfahren hat, schließt der Deutsche Städte- und Gemeindebund nicht aus, dass weitere Kommunen dem Kölner Beispiel folgen.

Der Hauptgeschäftsführer des Bundes, Gerd Landsberg, versteht die Entscheidung der Stadt Köln, die neue Rundfunkgebühr bis auf weiteres nicht zu zahlen: "Die GEZ ist verpflichtet, den Städten einen nachvollziehbaren, rechtmäßigen Bescheid zu erteilen. Andernfalls wird die Kommune die Zahlung verweigern", sagte Landsberg dem Handelsblatt. "Denn es steht natürlich jeder Stadt - wie auch einem Privatmann oder einem Unternehmen - frei, den Bescheid anzufechten."

Teilweise dreizehnfache Kosten

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Landsberg äußert Bedenken darüber, dass die Umstellung auf den neuen Rundfunkbeitrag bei Städten und Gemeinden einen "enormen Beratungs- und Organisationsbedarf" verursacht habe, der auch personelle Kapazitäten binde. "Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert daher eine pauschalierte Beitragsbemessung bei den Kommunen", so Landsberg. Von einer solchen Verwaltungsvereinfachung würden nicht nur die Beitragszahler sowie die Kommunen, sondern auch die GEZ profitieren. "Allerdings müssen die kommunalen Beiträge deutlich gesenkt werden, denn die Städte und Gemeinden nutzen ihre Betriebsstätten und Kraftfahrzeuge nicht primär zum Medienkonsum, sondern vielmehr zur Aufgabenerfüllung im Interesse der Bürgerinnen und Bürger", wie Landsberg betont.

Je dezentraler und bürgernäher eine Stadtverwaltung organisiert sei, desto drastischer sei der Kostenanstieg beim neuen Rundfunkbeitrag, wie der Geschäftsführer des Städtebundes erklärt. "Teilweise beträgt er das dreizehnfache der bisherigen Kosten." So habe sich beispielsweise bei der etwa 105 000 Einwohner zählenden Stadt Bergisch Gladbach in der Nähe des aufrührerischen Köln nach der derzeitigen Datenlage der Betrag von 2 000 auf nunmehr 20 000 Euro erhöht. "Das widerspricht dem ursprünglichen Ziel der Reform mit dem verbindlichen Bekenntnis zur Aufkommensneutralität für Privathaushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand", so Landsberg und fordert ein Eingreifen der Politik: "Die Rundfunk­kommission bei der Minister­präsidenten­konferenz der Länder muss hier handeln und diese Ungerechtigkeiten beseitigen."

Erste Reaktionen aus der Politik

Mittlerweile hat auch die Politik eine Reaktion gezeigt. Der FDP-Fraktionsvize im Düsseldorfer Landtag Ralf Witzel, Mitglied im Rundfunkrat des WDR, hat gegenüber dem Handelsblatt Verständnis für die Probleme der Kommunen und Betriebe mit dem neuen Rundfunkbeitrag geäußert und forderte Konsequenzen. "Die drastischen Auswirkungen gehören umgehend auf den Prüfstand und offenkundige Schieflagen korrigiert", sagte Witzel. Er sprach von "nachvollziehbaren Beschwerden". Die FDP habe bei ihrer Ablehnung des neuen Staatsvertrages stets vor diesen Dingen gewarnt. "Diese bekannten Fehlentwicklungen hat die Mehrheit in den Länderparlamenten aber stur ignoriert."

Es sei "bezeichnend, wenn die Stadt Köln am Standort des WDR nun das Chaos feststellt und die Zahlung verweigert", so Witzel weiter. Zum kompletten Boykott der GEZ-Gebühr wollte der FDP-Mann trotzdem nicht aufrufen. "Wir müssen die rechtlichen Grundlagen ändern, um das Akzeptanzproblem bei der Rundfunkfinanzierung zu beseitigen", sagte er. "Die Landtage sollten sich zeitnah mit dem offenkundigen Reformbedarf beschäftigen." So führe etwa das bloße Vorhandensein eines Gebäudes oder Fahrzeugs noch nicht zur Mediennutzung und damit zur Gebührenpflicht.

Die Grünen reagierten mit Unverständnis auf die Entscheidung aus Köln, die Rundfunkgebühren vorerst nicht zu zahlen. "Wieso die Zahlungen jetzt komplett eingestellt werden und nicht zumindest auf dem Niveau der letzten Jahre fortgeführt werden, während alle weiteren offenen Fragen wie anscheinend auch Unklarheiten im Dialog geklärt werden, erschließt sich mir erst mal nicht", sagte Grünen-Bundesvorstandsmitglied Malte Spitz. Die Haushaltssituation sei zwar in vielen Kommunen "mehr als angespannt", doch statt eines "Zahlungsboykotts der Städte" sollte über den Städtetag das Gespräch zum Umgang mit der neuen Gebühr und zur Findung einer Lösung gesucht werden.

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