Kassiert

Editorial: GEMA absurd

Ist eine Gemeinschaftsantenne wirklich ein Sender? Kann die GEMA daher für alle Empfänger eine Gebühr verlangen? Der BGH hat weise geurteilt.
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GEMA gegen eine Hauseigentümergemeinschaft GEMA gegen eine Hauseigentümergemeinschaft
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Es gibt Fälle, da wundert man sich wirklich, warum diese bis zum BGH rauflaufen müssen. Beispiel: GEMA gegen eine Hauseigentümergemeinschaft, die eine Gemeinschaftsantenne betrieb. Eine solche empfängt das Signal der lokal verfügbaren Fernseh- oder Radiosender und speist diese in ein Koax-Kabel ein, das dann in alle angeschlossenen Haushalte führt. Darin sah die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) eine eigenständige Weitersendung des Signals, die folglich GEMA-pflichtig sein sollte.

Es gibt gleich zwei Gründe, das Ansinnen der GEMA abzulehnen. Ansatz 1 ist der so genannte Erschöpfungsgrundsatz: Ist für die Nutzung eines urheberrechtlichen Werks bereits bezahlt worden, braucht bei dessen Weitergabe nicht erneut bezahlt werden. Nach diesem Grundsatz hat der BGH beispielsweise immer wieder Urteile gegen Microsoft gefällt, und den Handel mit entbündelten Volumenlizenzen oder Gebrauchtlizenzen ausdrücklich erlaubt: Lizenz ist Lizenz, und wenn Microsoft dafür einmal Geld gesehen hat, dann ist das genug. Übertragen auf die GEMA: Der Sender zahlt ja bereits für die Live-Ausstrahlung in Abhängigkeit von der verwendeten GEMA-pflichtigen Musik und der Reichweite. Für die reine Weiterleitung des Signals kann dann aber nicht nochmal GEMA fällig werden.

Sicher wäre eine erneute Abgabe an die GEMA berechtigt, wenn das Signal nicht unverändert weitergereicht, sondern noch bearbeitet wird. Eine solche Bearbeitung könnte auch automatisiert erfolgen, beispielsweise in der Form der Zwischenspeicherung der Inhalte für den späteren Video-on-Demand-Abruf. Doch die reine Verstärkung des eh öffentlich empfangbaren Signals ist genau keine erneute Aussendung, sondern eben nur eine Ergänzung der bestehenden Aussendung.

Ebenso wäre eine eigenständige GEMA-Pflicht für die Weitersendung denkbar, wenn ggfls. unter erheblichem technischen Aufwand ein ausländisches Spartenprogramm, für das noch keine GEMA gezahlt worden ist, hierzulande in ein Kabelnetz eingespeist wird.

Hotels zahlen bisher GEMA

GEMA gegen eine Hauseigentümergemeinschaft GEMA gegen eine Hauseigentümergemeinschaft
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Interessanterweise gibt es dem Erschöpfungsgrundsatz widersprechende höchstrichterliche Urteile vom BGH und EuGH, die dennoch eine GEMA-Pflicht für Hotels vorsehen, die eine zentrale Empfangsanlage betreiben, und das Signal von dieser an alle Hotelzimmer weiterleiten. Immerhin: Für Hotels, die auf ihren Zimmern das Programm jeweils einzeln via DVB-T empfangen, hat das Landgericht Düsseldorf vor einem Jahr eine GEMA-Pflicht abgelehnt (Az. 12 S 5/14). Auch diese Sache liegt beim BGH. Fällt der BGH in einigen Monaten oder evtl. auch deutlich später ein Urteil pro DVB-T und gegen die GEMA, dürfte auch die Frage der Signal-Weiterleitung erneut aufgerollt werden. Denn wo, bitteschön, ist der Unterschied zwischen einer separaten DVB-Antenne im Zimmer, einer (pro Zimmer individuellen) DVB-T-Antenne auf dem Dach samt Kabel ins Zimmer, und einer Sammelantenne samt üblichem Verstärker? Was gilt insbesondere, wenn der Hotelier es schafft, die Sammelantenne durch rein mechanische Gestaltung so stark zu machen, dass sie auch ohne elektronischen Verstärker alle Zimmer versorgen kann? Ist das dann auch noch eine eigene Weitersendung?

In § 20b des Urheberrechtsgesetzes ist die Verwertung des Rechts auf Kabelweitersendung tatsächlich ausdrücklich den Verwertungsgesellschaften wie der GEMA vorbehalten. Dass sie die einzigen sind, die dieses Recht verwerten dürfen bedeutet aber nicht, dass sie es auch bei jedem kleinsten Kabelsystem auch verwerten müssen. Zudem bedeutet die Übertragung der Verwertungsaufgabe nach § 20b an GEMA und Co. noch lange nicht, dass auch nach den übrigen Regeln des Urheberrechtsgesetz ein eigenständiger Verwertungsanspruch existiert. Dass die Verwertung des genannten Weitersenderechts exklusiv den Verwertungsgesellschaften übertragen wurde, dient m.E. dazu, dieses Recht in der Verwertung einzuschränken (sprich: Nicht jeder dahergelaufene Sänger kann gegen den Kabelnetzbetreiber klagen: "Aber meinen Song dürft Ihr nicht weitersenden"), nicht, die Verwertung auszubauen.

Es ist daher bei der Frage, ob eine Kabelweitersendung eigenständig lizenzpflichtig ist, immer die Konkurrenz zum Erschöpfungsgrundsatz besonders zu beachten. Wenn, wie bei einer Gemeinschaftsantenne in der Regel der Fall, auch der Einzelempfang möglich wäre, dann dient die Gemeinschaftsantenne eben nicht einer urheberrechtlich relevanten erneuten Aussendung, sondern nur der Verbesserung der Optik des Gebäudes, indem eben viele kleine Einzelantennen vermieden werden. Der Rückgriff auf den Erschöpfungsgrundsatz könnte damit ein juristisch gangbarer Weg sein, die GEMA-Pflicht künftig nicht anhand technischer Details einer Hotel-Empfangsanlage beurteilen zu müssen. Mit dem Aussenden des Signals beim Fernsehsender fällt dann einmalig GEMA an und gut ist. Evtl. ist dem Signal, das später in Hotelzimmern oder auch öffentlich in Gaststätten wiedergegeben wird, ein besonderer Wert beizumessen. Das kann die GEMA aber auch direkt mit den Fernsehsendern verhandeln.

Privat bleibt Privat

Der zweite Ansatz gegen die GEMA ist, dass die von einer Hauseigentümergemeinschaft betriebene Gemeinschaftsantenne keine öffentliche Aussendung des Signals bewirkt (wenn sie überhaupt etwas sendet), sondern an die private Gruppe der Hauseigentümer. Zwar kann sich diese Gruppe ändern (per Verkauf einer Wohnung bzw. einem Mietvertrag zwischen Eigentümer und einem Mieter), aber das macht sie noch lange nicht zu einer öffentlichen Gruppe, wo jederzeit jemand dazukommen oder gehen kann. Denn selbst, wenn Mieter ihre Freunde zum gemeinsamen Tatort-Schauen einladen, laden sie diese ja in ihre Privatwohnung und nicht zum "public viewing" ein.

Auf Basis dieses zweiten Ansatzes lehnte der BGH die Revision der GEMA gegen eingangs genannte Wohnungseigentümergemeinschaft vollkommen zu Recht ab. Zu hoffen ist, wie gesagt, dass auch weitere Gruppen wie Hotels oder Ferienwohnungen, in denen letztendlich nur das ganz normale Fernsehprogramm auf ganz normalen Fernsehern gezeigt wird, künftig wieder von der GEMA befreit werden.

Sollte sich die GEMA hingegen gegenüber den Hoteliers durchsetzen, droht künftig auch GEMA-Pflicht für Internetcafés, in denen die Computer per LAN-Kabel ans Internet angeschlossen sind. Denn ist die Umsetzung des DSL-Signals vom Provider zum lokalen LAN im LAN-Modem nicht auch so etwas wie eine "Kabel-Weitersendung"?

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