Editorial: Tochter verhaftet
Die Finanzchefin des chinesischen Smartphone-Herstellers Huawei ist auf Ersuchen der US-Behörden in Vancouver verhaftet worden.
Foto: Ng Han Guan/AP/dpa
China steht bekanntermaßen auf der Liste der vom Präsidenten Donald
Trump zum Staatsfeind der USA erklärten Nationen ziemlich weit
oben. Der Vorwurf lautet vor allem auf unfaire Handelspraktiken,
mit denen sich China angeblich zulasten der USA riesige
Exportüberschüsse erwirtschaftet. Gut, die Exportüberschüsse Chinas
sind real, genauso wie das Außenhandelsdefizit der USA, das im
Oktober 2018 auf den höchsten Wert seit zehn Jahren gestiegen ist,
nämlich 55,5 Milliarden US-$.
Ob aber die Handelspraktiken Chinas wirklich so unfair sind, wie behauptet, ist nicht unbedingt erwiesen. Insbesondere kam es zum jüngsten Anstieg des US-Außenhandelsdefizits trotz der in den letzten Monaten gegen China und weiteren Nationen verhängten gewaltigen Strafzölle. Eigentlich sollten diese Zölle dazu dienen, das Außenhandelsungleichgewicht abzubauen. Dass nun das Außenhandelsdefizit weiter steigt, könnte beispielsweise daher rühren, dass die Importeure zur Vermeidung der Zölle auf teurere Bezugsquellen umgestiegen sind und nun entsprechend mehr Geld an die ausländischen Hersteller überweisen mussten, um die bisher gewohnten Waren in der gewohnten Menge zu importieren. So kann trotz der Zölle der gewohnte Lebensstandard aufrechterhalten werden, aber auf Kosten des weiter steigenden Handelsdefizits.
Huawei im Fokus
Die Finanzchefin des chinesischen Smartphone-Herstellers Huawei ist auf Ersuchen der US-Behörden in Vancouver verhaftet worden.
Foto: Ng Han Guan/AP/dpa
Innerhalb Chinas ist der Netzwerkausrüster und Smartphone-Hersteller
Huawei einer der ausgemachten Hauptfeinde. Zu den allgemeinen Vorwürfen
der vorgeblich unfairen Handelspraktiken kommen dann noch die Vorwürfe
der Spionage und des Verstoßes gegen Sanktionen hinzu. Wiederholt und
eindringlich
warnen die USA ihre Verbündeten
davor, die kommenden 5G-Netze mit
Netzwerk-Technik von Huawei aufzubauen. Dabei ist Huawei derzeit
einer der führenden Anbieter von 5G-Basisstationen.
Während Huawei-Smartphones inzwischen in so gut wie allen Ländern bei den Verkaufszahlen einen der ersten drei Plätze erobern konnten und sie weltweit insgesamt bereits auf dem zweiten Platz noch vor Apple liegen, ist ihr Marktanteil in den USA immer noch im niedrigen einstelligen Prozentbereich, weit hinter Apple, Samsung, LG und Motorola, und immer noch deutlich hinter Google und einigen weiteren Anbietern.
Man muss also gar nicht lange heruminterpretieren, um anhand der genannten Vorwürfe und Verkaufszahlen zum Schluss zu gelangen, dass es in den USA einen ziemlich ausgeprägten Hass auf Huawei gibt, den freilich außer einigen englischsprachigen Länder (insbesondere Großbritannien, Australien und Neuseeland) so gut wie keiner teilt. Möglicherweise treffen die Spionage-Vorwürfe gegen Huawei in anderen Ländern eher auf Unverständnis, ist doch allgemein bekannt, dass die US-Dienste alle Daten sammeln, derer sie habhaft werden, und sie nicht einmal davor zurückschrecken, die Staats- und Regierungschefs befreundeter Staaten über ein Jahrzehnt lang abzuhören.
Persönliche Attacke
Meng Wanzhou, Finanzvorständin von Huawei.
Foto: Huawei/AP/dpa
Nun entwickelt sich Huawei trotz des US-Störfeuers prächtig. Es ist
sogar denkbar, dass die US-Attacken letztendlich sogar verkaufsfördernd
wirken: Vor die Wahl gestellt, von China oder von den USA abgehört
zu werden, dürften sich etliche Länder und/oder Netzbetreiber sogar
für China als das aus ihrer Sicht kleinere Übel entscheiden.
Der nächste Schritt in der Eskalation gegen Huawei ist nun, dass die USA Meng Wanzhou, die Tochter des Gründers von Huawei, in Kanada beim Umsteigen zwischen zwei Flügen wegen des Verdachts des Unterlaufens der US-Sanktionen gegen den Iran verhaften ließen. Wanzhou ist als Finanzvorstand für Huawei tätig. In dieser Position hat sie sicher auch die Lieferung von Huawei-Netzwerktechnik an den Iran mit zu verantworten.
Allerdings waren 2016 alle Sanktionen gegen den Iran aufgehoben worden, nachdem ein Atomabkommen mit dem Iran geschlossen worden war und der Iran alle Auflagen erfüllt hatte. Dieses Abkommen wurde zwar dieses Jahr einseitig von den USA aufgekündigt, woraufhin dann von den USA neue Sanktionen gegen den Iran verkündet wurden. Aber eine internationale Gültigkeit der neuen Sanktionen ergibt sich daraus nicht. Jetzt die Finanzchefin eines international tätigen Konzerns außerhalb der USA wegen Verstoßes gegen diese Sanktionen festnehmen zu lassen, ist schon ein ziemlich dreistes Stück. Die ansonsten eher zurückhaltende FAZ kommentiert zu Recht: Jetzt zieht Amerika im Handelskrieg alle Register.
5G ist eher keine Kriegstechnologie
5G-Netze sind, wie auch Smartphones oder Laptops, grundsätzlich dual-use-Technologie, die nicht nur für zivile Zwecke, sondern auch zur Kriegsführung verwendet werden können. Mit "network slices" können nicht nur besonders gesicherte und priorisierte Unternetze beispielsweise für die Polizei oder die Feuerwehr geschaffen werden, sondern auch fürs Militär. Da diese Sonderfunktionen aber immer von der Konfiguration durch den Netzbetreiber abhängen, eignet sich ein 5G-Slice zwar beispielsweise zur Kommunikation der Armeeangehörigen im eigenen Land, jedoch eher nicht dafür, um in einem besetzten Gebiet eine Kommandostruktur aufzubauen, oder um Bomben über Feindgebiet zu steuern.
Ähnliche Überlegungen gelten auch für 2G-, 3G- und 4G-Netze: Die klassische Mobilfunktechnologie ist auf zivile Nutzung optimiert. Mit einem Angriff auf nur wenige zentrale Netzknoten - die HLR-Server - lassen sich solche Netze nachhaltig stören. Auch für die illegale Entwicklung von Atombomben, wie sie Iran vorgeworfen wird, eignen sich Mobilfunknetze eher weniger.
Wenn Huawei dennoch wegen des Unterlaufens von Sanktionen in den Fokus der Ermittlungen gerät, dann muss wirklich die Frage gestellt werden, ob das nicht nur ein Vorwand ist, um Huawei zu schaden. Zu hoffen bleibt daher, dass Wanzhou nicht blind ausgeliefert wird, sondern, dass Kanada die Vorwürfe genau prüft und Wanzhou baldmöglichst freilässt, falls sich die Vorwürfe als haltlos herausstellen.