Reiches Sylt, arm an Glasfaser - wie sich das nun ändert
Meier ist Geschäftsberater der Viking Telecom. „Meine Lieblingsinsel hatte einfach besseres Internet verdient“, sagt der Telekommunikationsberater. Mit seinem Unternehmen ist er neben Standorten in Hamburg und Flintbek auch auf Sylt aktiv. Im vergangenen Jahr fragte Viking Telecom den Bedarf bei den Sylter Betrieben ab. Das Ergebnis: Beinahe zwei Drittel aller Befragten gaben an, regelmäßig mit langsamem Internet oder Verbindungsabbrüchen zu kämpfen. „Unsere Netzstabilität war eine Katastrophe“, erinnert sich Dirk Erdmann, Inhaber des Hotels Rungholt in Kampen. Er war einer der Ersten, die von Meiers Initiative profitieren.
In Westerland auf Sylt hat 1&1 Versatel mit den Glasfaser-Tiefbauarbeiten begonnen. V. l. n. r.: Dirk Rolfs, Planner Fiber Network Planning & Development 1&1 Versatel, Sascha Stühl, Oellrich Tiefbau, Marcel Müller, Oellrich Tiefbau, Michael Lentin, Partner Manager 1&1 Versatel, und Felix Ehlers, Vertriebsmanager des bei Viking Telecom
Foto: 1&1 Versatel
Der TK-Berater holte die 1&1 Versatel mit ins Boot, die Bauanträge für Glasfaserleitungen in Westerland und Tinnum einreichte. „Wir hatten schon vor dem ersten Spatenstich im Januar rund 130 interessierte Sylter Unternehmer“, erinnert sich Meier. Schließlich sind schnelle und verlässliche Internetverbindungen nicht nur für die Tourismusbranche ein Muss. Spätestens seit der Coronapandemie kommen auch Sylter Dienstleister wie Immobilienmakler, Handwerker, Rechtsanwälte oder Therapeuten nicht mehr ohne den digitalen Kontakt zum Kunden aus.
Inzwischen befinden sich die ersten Kunden am Netz. „Nun läuft unser Internet stabil für 65 Zimmer mit bis zu 120 Gästen, ich bin sehr zufrieden“, sagt Hotelier Erdmann. Einziger Wermutstropfen: Der Glasfaserausbau durch 1&1 Versatel führte dazu, dass nun auf Sylt teilweise zwei Leitungen nebeneinander liegen. Dieser Überbau bzw. die Kosten dafür hätten vermieden werden können, hätten sich alle Beteiligten darauf geeinigt, eine Infrastruktur zu nutzen.
Telekom kooperiert mit miecom
Auch wenn die Telekom Menschen wie Sebastian Meier auf Sylt zu langsam ist, kann man dem ehemaligen Monopolisten nicht vorwerfen, bundesweit nichts für den Glasfaserausbau zu tun. In den vergangenen Wochen kündigte der magentafarbene Konzern mehrere Großprojekte an. In Kirchheim unter Teck hat die Telekom bislang 1600 Haushalte mit Glasfaser versorgt. Nun einigten sich die Bonner mit der Stadtverwaltung auf den Ausbau für weitere 17600 Haushalte, der im nächsten Jahr beginnen soll.
Die Deutsche Telekom kooperiert mit miecom. V. l. n. r.: Marvin Klein, Deutsche Telekom Breitbandkooperationen, Joachim Geiger, Technischer Leiter bei der miecom, Thilo Höllen, Deutsche Telekom SVP Breitbandkooperationen, miecom-Geschäftsführer Tobias Miessl und Philip Niedernhuber, Deutsche Telekom, Breitbandkooperationen
Foto: Deutsche Telekom
Bis März 2023 will die Telekom zudem für 17800 Haushalte in Marl-Hamm und Marl-Zentrum FTTH-Anschlüsse fertiggestellt haben. Bis Ende des Jahres läuft noch die Vorvermarktung, in der die Telekom die Anschlusskosten übernimmt. Ab dem nächsten Jahr müssen die Haushalte dann 799,95 Euro zahlen. Darüber hinaus sind die Bonner auch in Berlin tätig. In Moabit, Schöneberg und Spandau Nord errichtet die Telekom Glasfasernetze für 55300 Haushalte und mehr als 4100 Unternehmen.
Der magentafarbene Konzern ist aber nicht nur als Solist unterwegs. In den Regionen Schwaben und Oberbayern kündigte das Unternehmen eine Kooperation mit der miecom-Netzservice an. Neben M-net wird die Telekom in den Gemeinden Altenmünster, Ried und Heretsried den Betrieb des miecom-Glasfasernetzes übernehmen. Das TK-Unternehmen aus dem schwäbischen Biswangen will ab 2023 mit dem Bau beginnen und nimmt dafür auch Fördergelder in Anspruch. Rund 4000 Haushalte sollen angeschlossen werden. „Gemeinsam mit miecom zeigen wir, dass der Open-Access-Ansatz gut funktioniert, wenn beide Partner ihre Stärken einbringen“, sagt Thilo Höllen, Senior Vice President Breitbandkooperationen bei der Telekom.
Glasfaser für unterversorgte Gebiete und Städte
In Bayern ist neben der M-net auch die Leonet AG tätig. In Markt Wolnzach im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm beseitigt Leonet die letzten unterversorgten Regionen, die sogenannten weißen Flecken. Es geht im ersten Bauabschnitt um 264 Adressen. Die Ausbaukosten werden mit Bundesmitteln und zusätzlich vom Freistaat Bayern zu insgesamt 90 Prozent bezuschusst. Der erste Bauabschnitt wird voraussichtlich im Laufe des kommenden Frühjahrs umgesetzt sein.
Dagegen baut Leonet in Rötz im Landkreis Cham für rund 1000 Haushalte ein Glasfasernetz, das das niederbayerische TK-Unternehmen aus der eigenen Tasche bezahlt. Bis zum Sommer 2023 sollen die Tiefbauarbeiten, verantwortlich ist hier die Vitronet, abgeschlossen sein.
Unterzeichnen die Vereinbarungen für den Glasfaserausbau in Erfurt (v. l. n. r.): Sören Wendler, Gründer und Geschäftsführer der Deutschen GigaNetz, Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein und Uwe Rettner, Manager für kommunale Kooperationen bei der Deutsche Glasfaser
Foto: Deutsche Glasfaser
Dass die Glasfaser auch in größere Städte kommt, machten in den vergangenen Wochen Vodafone, die Deutsche Glasfaser und die Deutsche GigaNetz deutlich. Die beiden Letztgenannten einigten sich mit der Stadt Erfurt. Die Deutsche Glasfaser wird hier etwa 10000 Glasfaseranschlüsse in 16 Erfurter Stadtteilen bauen. Dazu beginnt ab Ende Oktober 2022 die Vorvermarktung. Entscheiden sich 33 Prozent der Haushalte für einen FTTH-Anschluss der Deutschen Glasfaser wird in der thüringischen Landeshauptstadt gebaut.
Mit Wiesbaden erhält eine weitere Landeshauptstadt schnelles Internet. Vodafone will in den östlichen Vororten 7800 Gebäude mit 15000 Haushalte anschließen. Außerdem unterschrieb der Düsseldorfer TK-Konzern zusammen mit Westenergie eine Kooperationsvereinbarung mit dem Landkreis Rhein-Hunsrück. Hier soll bis 2026 ein Glasfasernetz für 21000 Haushalte entstehen. Westenergie wird die passiven Glasfasernetze errichten. Vodafone stellt den Anschluss an seine aktive Netzinfrastruktur bereit, übernimmt den Betrieb sowie Vermarktung und Bereitstellung der Dienste. Ab Oktober 2022 startet im Rhein-Hunsrück-Kreis die Vorvermarktung.