Schlechtes Netz: Gibt es jetzt Ärger?
Die Bundesnetzagentur hat den (lückenhaften) Netzausbau in Deutschland untersucht und erwägt Bußgelder
Foto: Telefónica, Logos: Anbieter, Montage: teltarif.de
Das Thema Netzausbau ist ein Dauerbrenner-Thema. Die Aufsicht führende Bundesnetzagentur will jetzt wohl Bußgelder verhängen.
Wer in entlegenen Gegenden Deutschlands unterwegs ist, hat häufig noch immer keinen Handyempfang. Wie aus einem Bericht der Bundesnetzagentur hervorgeht, ist die Versorgung auf 11 Prozent der Landesfläche schlecht oder inexistent.
3,8 Prozent Funkloch?
Die Bundesnetzagentur hat den (lückenhaften) Netzausbau in Deutschland untersucht und erwägt Bußgelder
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3,8 Prozent der Fläche werden in dem Bericht als "Funkloch" oder als sogenannte "weiße Flecken" definiert. Bestenfalls ist hier Empfang im uralten Mobilfunkstandard 2G (EDGE) möglich, also nur Telefonate und Schneckentempo-Downloads ermöglicht.
7,2 Prozent der Fläche gelten als "graue Flecken" - das bedeutet, dass dort nur eins der drei aktuell aktiven deutschen Mobilfunknetze im 4G-Standard zu empfangen ist, ob von der Telekom, Vodafone oder von Telefónica. Das "eigene" Netz von 1&1 funkt bekanntlich noch nicht. Das bedeutet: Kunden mit der "falschen" SIM-Karte schauen auf die "Kein Netz"-Anzeige.
Klare Vorgaben aus 2015
Nach den Vorgaben der LTE-Auktion aus dem Jahre 2015 sind die Netzbetreiber verpflichtet, 98 Prozent der deutschen Haushalte mit LTE/4G zu versorgen. Diese Mindestanforderung erfüllen sie wohl inzwischen, je nachdem wie man das misst.
Nur diese Ausbauverpflichtungen beziehen sich nicht auf die Fläche. So gesehen sind die veröffentlichten Daten kein echter Beleg für (Nicht-)Versäumnisse beim Mobilfunkausbau. Sie sind dennoch bemerkenswert, weil viele Menschen im Internetzeitalter längst nicht mehr nur in besiedelten Gebieten Handyempfang haben wollen. Auch für Landwirte auf dem Acker, Waldarbeiter oder Wanderer wird der Datenfluss immer wichtiger.
Die Telekommunikationsbranche verweist natürlich auf die hohen Kosten, die beim Ausbau fernab auf dem Land anfallen würden Zwar kooperieren die Netzbetreiber inzwischen miteinander, um sich gegenseitig auf die Funkmasten zu lassen, dazu brauchten sie aber erst grünes Licht vom Bundeskartellamt, das natürlich genau hingeschaut hat, dass hier ja niemand diskriminiert wird.
Dann kommt noch eine neue staatliche "Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft" (MIG), die jetzt mit (europäischem oder deutschen) Fördergeld Funkstandorte dort ermöglichen soll, wo sich ein wirtschaftlicher Betrieb einfach nicht lohnt. Die jetzt veröffentlichten Zahlen verdeutlichen nun auch offiziell, dass der Bedarf tatsächlich groß ist. Gefühlt wussten das die Anwender schon viel länger.
Erstmalig Flächenangaben zur Netzversorgung
Im vergangenen Herbst hatte die Netzagentur erstmals Flächenangaben zur Handyversorgung gemacht. Die Herbst-Zahlen sind mit den jetzigen Zahlen aber nicht vergleichbar, weil die Messungen inzwischen strenger sind als früher. Auf der Webseite www.breitband-monitor.de kann der interessierte Kunde überprüfen, wo genau welcher Handyempfang möglich sein sollte.
Es fällt auf, dass die Bundesländer, die relativ schlecht versorgt sind, alle im Süden der Republik liegen: Auf 15,5 Prozent der Fläche Bayerns ist maximal ein Handynetz zu empfangen, auch in Baden-Württemberg (15,1 Prozent) und Rheinland-Pfalz (15,9 Prozent) stehen die Chancen auf dem Land eher schlecht. Auch in Hessen (14,4 Prozent) gibt es gewaltigen Nachholbedarf.
Interessanterweise schneidet Ostdeutschland in der Statistik weniger schlecht ab: In Mecklenburg-Vorpommern liegt der Wert zum Beispiel bei 8 Prozent, in Sachsen-Anhalt bei 9,4 Prozent und in Sachsen bei 8,8 Prozent. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt der Anteil der Fläche, wo höchstens ein Handynetz zu empfangen ist, bei 6,7 Prozent, so die Netzagentur.
Linksfraktion kritisiert Versäumnisse
Das ruft die Politik auf den Plan. Die netzpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Anke Domscheit-Berg, betonte die Wichtigkeit von schnellem Internet auf dem Land: Teilhabe setze in einer digitalen Gesellschaft auch den Zugang zum datenfähigen Mobilfunk voraus. Die Gebiete mit schlechter Abdeckung seien Beleg dafür, dass Deutschland beim Ausbau der digitalen Infrastruktur "versagt". "Die Ursache sind nicht Berge, Komplexität oder zu hohe Ausbaukosten, sondern ungeeignete Strategien, falsche Prioritäten, eine Vernachlässigung der Gemeinwohlorientierung und des ländlichen Raums ganz allgemein." Klare Worte, nur verhallten sie lange Jahre ungehört, denn bekanntlich sind die Mehrheiten im Bundestag andere.
Eisenbahnen und Autobahnen
In einem anderen Teil des Berichts der Bundesnetzagentur geht es um die Autobahnen und ICE-Strecken, an denen es seit Anfang 2020 eigentlich überall 4G-Empfang geben müsste - es geht also um (theoretische) 100 Prozent Abdeckung.
Natürlich gibt es eine Ausnahmeregelung: Wo die Installation von Mobilfunkmasten "rechtlich oder tatsächlich" nicht möglich ist, darf es auch künftig Funklöcher geben - etwa wenn kein Grundstück für den Sendemast zu mieten oder zu kaufen ist oder die Strecke ein Naturschutzgebiet durchquert, was eine Genehmigung sehr schwierig macht.
"Nach der Auswertung der vorgelegten Versorgungsdaten ergibt sich ein Versorgungsgrad bei den Autobahnen abhängig vom Unternehmen zwischen 95,4 und 99 Prozent und bei den Schienenwegen zwischen 94,4 und 98,2 Prozent", hat die Netzagentur in einem Bericht für den Beirat der Netzagentur ermittelt, der Bericht liegt der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vor. Zuvor schon hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung darüber berichtet.
Welche Gründe sprechen gegen den Ausbau?
Die Bundesnetzagentur geht seit einiger Zeit der Frage nach, ob die Noch-Nicht-Ausbau-Gründe stichhaltig sind oder eher eine faule Ausrede für bisherige Versäumnisse bilden. Und jetzt wird die Behörde ungeduldig: Es seien zwar Fortschritte gemacht worden, räumt sie ein, aber es fehlten noch immer etwa 550 Standorte, heißt es in dem Bericht.
Bisher kommen die Beamten zu dem Schluss, dass nur an etwa 20 dieser Standorte die Begründung der rechtlichen und tatsächlichen Unmöglichkeit zieht. Im Klartext: "Bei der überwiegenden Anzahl der Fälle (also 530 Stationen) handelt es sich um temporäre Verzögerungen." Nun prüft die Behörde "mögliche Rechtsfolgenmaßnahmen gegen die Mobilfunknetzbetreiber" - auf deutsch: Bußgelder.
Wer ist schuld?
Zunächst muss die Frage geklärt werden, ob die Verspätung auf das Konto der Mobilfunker geht oder ob es an anderen Gründen liegt, etwa weil staatliche Genehmigungsverfahren ungewöhnlich lang sind oder ein Grundbesitzer lange über einen Mietstandort verhandelt und dann doch abgesagt hat.
Gerade an den Autobahnen wo außer Wald nicht viel ist, leisten einige Waldbesitzer - warum auch immer - erbitterten Widerstand: Keine Mast-Fläche, keine Zufahrt für Baufirmen oder Netztechniker, warum auch immer. An anderen Orten gibt es schlecht informierte Bürgerinitiativen oder Bauämter, die allerlei Bedenken ins Feld führen oder ihre Zeit brauchen. Oder es muss ein Kabel 1 Meter tief verlegt werden, obwohl es 60 cm auch täten - solche Dinge landen dann erst einmal vor Gericht, so lange wird (fast) nichts gebaut.
5,5 Prozent ist nichts?
Die BNetzA hat ermittelt, dass auf 5,5 Prozent der Fläche gar kein mobiles Internet verfügbar ist. Weder über 4G noch über 3G, was in diesen Tagen ohnehin bundesweit abgeschaltet wird. Die freiwerdenden Frequenzen sollen dann mit 4G/LTE genutzt werden. Wie schnell das im Einzelfall geht, wird man sehen, aber von heute auf morgen? Wohl eher nicht.
3G verschwindet
o2-Telefonica hat bereits bekannt gegeben, dass sie ab Anfang Juli rund 16.000 3G-Stationen abschalten wollen. Etwa 500.000 alte Handys sollen noch in Betrieb sein, die nur 2G und maximal 3G können. Dann sind noch etwa 90.000 SIM-Karten der ersten oder zweiten Generation im Einsatz, die für eine Nutzung von LTE nicht geeignet sind. Sie können (kostenlos) umgetauscht werden, dazu müssen die Kunden aber selbst aktiv werden. Nutzer älterer Spezial-Tarife (wie "o2 Easy Money") schrecken davor zurück.
Telekom und Vodafone schalten die 3G-Welt offiziell einen Tag vor o2 ab, haben aber teilweise schon damit begonnen.