T-Gate

Ehemalige Stasi-Mitarbeiter spitzelten für die Telekom (aktualisiert)

Bundesinnenminister Schäuble schaltet sich ein
Von dpa / ddp / Marie-Anne Winter

Die Bespitzelungsaffäre bei der Deutschen Telekom ruft nun auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf den Plan. Für nächsten Montag hat der Minister die Vorstandsvorsitzenden der deutschen Telekommunikationsanbieter nach Berlin einbestellt, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet. Dabei soll es vor allem um den Datenschutz in Unternehmen gehen.

Laut der Süddeutschen Zeitung (SZ) gingen die Spähaktionen bei der Telekom nach bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft weiter als bekannt. Wie das Blatt in der heutigen Ausgabe schreibt, sollen nicht nur Telefonverbindungen, sondern auch Bankdaten von Journalisten und Aufsichtsräten ausgespäht worden sein. Zudem sollen mit einer speziellen Software Bewegungsprofile von einzelnen Personen erstellt worden sein. Über Handydaten habe man abglichen, wo diese sich aufgehalten hätten. Die Telekom hatte Journalisten und Aufsichtsräte der Arbeitnehmerseite ausforschen lassen.

Gestern durchsuchte die Staatsanwaltschaft die Konzernzentrale der Deutschen Telekom in Bonn. Dabei nahmen die Beamten unter anderen den Ex-Vorstandsvorsitzenden Kai-Uwe Ricke und den ehemaligen Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel ins Visier. Zumwinkel war bereits Anfang des Jahres wegen des Vorwurfs der Verwicklung in die Liechtenstein-Steueraffäre als Post-Vorstandschef zurückgetreten.

Arbeitnehmerseite erstattet Strafanzeige

Neben den beiden früheren Topmanagern wird gegen sechs weitere Personen ermittelt, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Die Vertreter der Arbeitnehmer im Telekom-Aufsichtsrat kündigten in Berlin eine Strafanzeige gegen das Unternehmen und Unbekannt an. "Das hängt damit zusammen, dass bestimmte Delikte nach Datenschutzrecht nur verfolgt werden, wenn sie zur Anzeige gebracht werden", sagte der Vertreter der Gewerkschaft ver.di im Telekom-Aufsichtsrat, Lothar Schröder, im ARD-Morgenmagazin. Die Vorwürfe beträfen nicht nur das Fernmeldegeheimnis, sondern auch das Datenschutzrecht. Zudem habe die Affäre mit Pressefreiheit und mit dem Wesen der deutschen Mitbestimmung zu tun. "Denn es wäre ein Skandal, wenn ein Unternehmen sich anmaßen würde, den eigenen Aufsichtsrat zu kontrollieren. Denn Aufsichtsräte kontrollieren - und nicht umgekehrt", unterstrich Schröder.

Schröder sieht die Arbeitnehmer-Vertreter als potenzielles Opfer der Ausspähung im Telekom-Aufsichtsrat. "Wir fühlen uns in Gänze als potenziell Betroffene, die damit rechnen müssen, bespitzelt worden zu sein", sagte er. Schröder erklärte, der Aufsichtsrat werde ausführlich informiert, er könne jedoch über Interna nicht reden. Der Aufsichtsrat habe gemeinsam mit dem Vorstand Wert darauf gelegt, die Staatsanwaltschaft einzuschalten und habe angeschoben, dass lückenlos und schnell aufgeklärt wird. "Das ist vielleicht einer der wenigen Punkte, in denen wir nicht strittig unterwegs sind", sagte Schröder. Derzeit habe man mit Behauptungen zu tun. "Wir brauchen aber Fakten, um aufzuklären und abzustellen." Er hoffe auf schnelle Ergebnisse, sagte Schröder. Der Reputationsschaden müsse eingegrenzt werden.

Ron Sommer wusste von nichts

Der ehemalige Telekom-Chef Ron Sommer bestritt gestern, über die Bespitzelung von Journalisten informiert gewesen zu sein. Das hätte er nicht geduldet, sagte er der Financial Times Deutschland (FTD). "Das gilt auch für den gesamten Vorstand und Aufsichtsrat." Sommer war zwischen 1995 und 2002 Vorstandschef der Telekom. Nach Informationen der Zeitung soll das Unternehmen bereits im Jahr 2000 den Auftrag gegeben haben, Journalisten zu bespitzeln. Dabei sollen auch ehemalige Stasi-Mitarbeiter engagiert worden sein, um Journalisten auszuspähen.

Gegen Telekom-Vorstandschef René Obermann, der Ricke im November 2006 abgelöst hatte, wird nach Angaben von Behördensprecher Fred Apostel nicht ermittelt. Auch andere aktuelle Vorstandsmitglieder sind nicht Gegenstand der Ermittlungen. Dennoch gerät auch Obermann unter Druck - wegen des Umgangs mit der Affäre. Die Telekom soll seit 2007 von den früheren Bespitzelungen gewusst haben, ohne dass die Betroffenen informiert wurden.

Mehrere Unternehmen wollen nicht zu Datenschutz-Treffen kommen

Mehrere Telekommunikationsunternehmen wollen nicht an dem vom Bundesinnenministerium einberufenen Branchen-Treffen zum Datenschutz in Berlin teilnehmen. Neben Vodafone sagten auch debitel, Arcor und E-Plus ab. Das teilte eine Ministeriumssprecherin am Abend in Berlin mit. Dagegen hätten neben der unter Bespitzelungsverdacht stehenden Deutschen Telekom auch die Firma Telefónica (o2) und die Branchenverbände BITKOM und VATM ihre Teilnahme zugesagt.

Vodafone-Chef Friedrich Joussen wies in seiner Absage, die der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegt, darauf hin, dass es sich bei der Spitzelaffäre um "Gesetzesverstöße in einem Unternehmen handelt, nicht um grundsätzliche Sicherheitsfragen oder ein mangelndes Bewusstsein unserer Industrie für den Datenschutz". Er zeigte sich aber zu einem späteren Gespräch bereit.

Weitere Artikel zur Bespitzelungsaffäre bei der Telekom