T-Gate

Razzia in der Telekom-Zentrale

Obermann gerät zunehmend unter Druck
Von dpa / AFP / Marie-Anne Winter

Die Telekom-Bespitzelungsaffäre zieht immer größere Kreise. Gut zwei Wochen nach einer Strafanzeige der Deutschen Telekom hat die Bonner Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben ein Ermittlungsverfahren aufgenommen. Zugleich begannen Beamte der Behörde, die Bonner Zentrale von Europas größtem Telekommunikationskonzern zu durchsuchen. Nähere Angaben will die Staatsanwaltschaft erst nach den "derzeit laufenden Maßnahmen" machen. Insbesondere ist unklar, um welche möglichen Straftatbestände es gehen könnte. Telekom-Chef René Obermann hatte am vergangenen Wochenende eingeräumt, dass der Konzern 2005 und teilweise auch 2006 Telefon-Verbindungsdaten missbräuchlich benutzt habe.

Telekom-Sprecher Philipp Schindera sagte heute, dass angesichts der Schwere der Vorwürfe von einer Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auszugehen war. "Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir an einer lückenlosen Aufklärung interessiert sind." Am Mittwochabend hatte der Aufsichtsrat der Telekom über die Affäre beraten und Obermann den Rücken gestärkt. Auch der Bund als Großaktionär stellte sich demonstrativ vor Obermann. Der Vorstandsvorsitzende habe entschiedene Maßnahmen eingeleitet, allen Vorwürfen nachzugehen und sie aufzuklären, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. "Er hat unsere volle Unterstützung dabei."

Warum wartete Obermann so lange?

Unterdessen gerät Obermann wegen des Umgangs mit der Affäre selbst unter Druck. Die umstrittenen Bespitzelungsaktionen fielen nach bisherigen Informationen in die Amtszeit von Obermanns Vorgänger Kai-Uwe Ricke, der von Obermann im November 2006 abgelöst wurde. Ein erster Fall war nach Telekom-Darstellung bereits im Sommer 2007 ans Licht gekommen, allerdings ohne dass die Telekom darüber bereits damals Betroffene und Öffentlichkeit informierte. "Die Telekom hat die Redaktion damals nicht informiert", sagte ein Telekom-Sprecher der Süddeutschen Zeitung. Telekom-Sprecher Schindera erklärte dies im ARD-Morgenmagazin mit der schwierigen Lage des Konzerns in der fraglichen Zeit: "Der Punkt damals war für uns, dass wir in einer Zeit, wo wir beispielsweise auch einen Streik hatten, wo das Unternehmen vor der Zerreißprobe war, davon Abstand genommen haben, diesen Einzelfall an die Öffentlichkeit zu bringen."

Das Unternehmen informierte den betroffenen Redakteur erst vor einigen Tagen, nachdem weitere Bespitzelungsfälle aufgetaucht waren.

Heftige Kritik vom Gruner+Jahr-Chef

Es soll sich um den Journalisten Reinhard Kowalewsky vom Magazin Capital gehandelt haben, wie das Magazin bestätigte. Dieser hatte 2005 und 2006 wiederholt über Interna aus Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen berichtet. Die Sicherheitsleute der Telekom hätten vermutet, dass der Redakteur seine Informationen vom Chef des Konzernbetriebsrats, Wilhelm Wegner, erhalte, der dem Aufsichtsrat angehört. Der Fall "Capital" wurde bei der Telekom im Sommer 2007 durch einen internen Hinweis bekannt. Obermann hatte daraufhin den Chef der Sicherheitsabteilung entlassen und die Konzernsicherheit umgekrempelt.

Der Vorstandsvorsitzende des Verlagshauses Gruner+Jahr, Bernd Kundrun, reagierte mit heftiger Kritik an die Adresse der Telekom: "Das Haus Gruner+Jahr mit seinen Publikationen "Capital" und "Financial Times Deutschland" ist nach heutigem Kenntnisstand Angriffspunkt von Aktionen der Deutschen Telekom gewesen, die ich bisher in unserem Lande nicht für möglich gehalten hätte", sagte Kundrun heute der Deutschen Presse-Agentur dpa. "Der Vorgang zeigt, dass die Freiheit der Presse auch in unserem Land nach wie nicht immer Common Sense ist und stets aufs Neue verteidigt werden muss." Gruner+Jahr hat nach Kundruns Worten bislang noch keine rechtlichen Schritte eingeleitet. "Welche Gesetze in diesem Zusammenhang bis hin zu Straftatbeständen verletzt worden sind, ist heute nicht annähernd abzusehen", sagte Kundrun.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Zumwinkel und Ricke

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" ermittelt die Bonner Staatsanwaltschaft gegen acht Beschuldigte. Darunter seien der frühere Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, Kai-Uwe Ricke, und der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Telekom, Klaus Zumwinkel. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat wollen Strafanzeige gegen Unbekannt erstatten.

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