Prozess

Operation Rheingold: Spitzel-Affäre der Telekom vor Gericht

Am Freitag beginnt in Bonn der Prozess zur Telekom-Spitzelaffäre
Von ddp / Marie-Anne Winter

Es klingt wie der Aufhänger zu einem Wirtschaftskrimi: Der Vorstand eines Konzerns vermutet ein Informationsleck, weil Interna nach außen gedrungen sind. Deshalb beauftragt die Chefetage die Abteilung Konzernsicherheit, die Quelle zu finden. Bespitzelt werden daraufhin zahlreiche "Verdächtige", indem man illegal deren Telefonverbindungsdaten ausspioniert.

Was so bei der Deutschen Telekom vor fünf Jahren geschah, sorgte für einen handfesten Skandal. Jetzt hat der Vorfall ein juristisches Nachspiel. Von Freitag an müssen sich drei ehemalige Konzernmitarbeiter und ein Geschäftsmann vor dem Bonner Landgericht verantworten. Ihnen wirft die Anklage gleich ein ganzes Bündel von Delikten vor: Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz, Verletzung des Fernmeldegeheimnisses sowie Untreue, Beihilfe dazu und versuchte Erpressung.

Die Beschuldigten sollen 2005 und 2006 illegal Telefondaten von Aufsichtsratsmitgliedern, Journalisten und Gewerkschaftern erfasst haben. Betroffen waren laut Staatsanwaltschaft rund 60 Personen. Grund der Aktion war ein Bericht des Wirtschaftsmagazins Capital über die vertrauliche Planung der Telekom. Die Sicherheitsabteilung des Konzerns soll daraufhin vom Vorstand beauftragt worden sein, den in den Reihen des Aufsichtsrats vermuteten Informanten zu ermitteln.

Mitarbeiter der Konzernsicherheit auf der Anklagebank

Stilbewusst gaben die Akteure ihrer Operation den Titel "Rheingold" - schließlich residiert die Telekom in Bonn nicht unweit des Stroms -, ohne möglicherweise die komplette Geschichte der gleichnamigen Wagner-Oper im Blick gehabt zu haben: Denn Wotan, der oberste der Götter, verlangt es darin zwar nach höherem Bewusstsein und mehr Wissen - doch am Ende steht nur die Vernichtung.

Auf der Anklagebank sitzen nun zwei frühere Mitarbeiter der Konzernsicherheit - einer davon war Abteilungsleiter -, ein ehemaliger Beschäftigter der Mobilfunktochter T-Mobile sowie der Chef eines Berliner Unternehmens, das im Telekom-Auftrag die illegal Kai-Uwe Ricke und Klaus Zumwinkel Kai-Uwe Ricke und Klaus Zumwinkel
Bild: dpa
beschafften Daten ausgewertet haben soll. Dem Abteilungsleiter wird auch finanzielle Untreue vorgeworfen, dem Geschäftsmann Beihilfe dazu. Für das Verfahren sind zunächst 11 Verhandlungstage bis Ende Oktober terminiert. Den Angeklagten drohen bei einer Verurteilung Haftstrafen von bis zu fünf Jahren.

Nicht angeklagt sind dagegen der frühere Konzern-Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Zumwinkel und Ex-Vorstandschef Kai-Uwe Ricke, in deren Amtszeit die Ereignisse fielen. Die Staatsanwaltschaft konnte die Einlassung der beiden Manager, keine Kenntnis von dem illegalen Vorgehen ihres Unternehmens gehabt zu haben, nicht hinreichend widerlegen. Berichten zufolge sollen sie im Prozess aber als Zeugen auftreten. Gerichtssprecher Joachim Klages wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern.

Die Chefs kommen ohne Verfahren davon

Die Telekom selbst hatte die Spitzel-Affäre erst 2008 unter dann neuer Führung zur Anzeige gebracht. Unabhängig von der Einstellung der Ermittlungen gegen Ricke und Zumwinkel fordert sie von den beiden Managern Schadenersatz in Höhe von jeweils einer Million Euro. Begründung: Die Affäre sei nur durch Fehler der beiden Konzernspitzen möglich geworden.

Dass sich die Ricke und der langjährige Post-Chef Zumwinkel, den das Landgericht Bochum im Januar 2009 wegen Steuerhinterziehung zu einer Geld- und Bewährungsstrafe verurteilt hatte, wegen der Spitzel-Affäre nicht vor Gericht verantworten müssen, sorgt unterdessen bei den Geschädigten für großen Unmut. Die beiden Opferanwälte - Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) und die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) - werfen der Staatsanwaltschaft schwere Versäumnisse vor: "Nach allen uns bekannte Fakten hätte gegen Zumwinkel und Ricke Anklage erhoben werden müssen", erklärten sie.

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