Hysterie?

Onlinedurchsuchung: Sicherheits- oder Überwachungsinstrument?

Zur technischen Umsetzung und dem aktuellen Stand der Diskussion
Von Ralf Trautmann

Doch unabhängig von allen Fragen hinsichtlich rechtlicher und technischer Probleme stellt sich die Frage, ob Onlinedurchsuchungen überhaupt notwendig sind. Als einer der obersten Befürworter für Onlinedurchsuchungen kann selbstverständlich der amtierende Innenminister Schäuble als Initiator der Debatte gelten: Schäuble argumentiert in erster Linie mit der Gefahrenabwehr zum Beispiel gegen Terroristen oder dem Kampf gegen andere schwerere Straftaten. So sei es "unerlässlich, dass die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit haben, eine Onlinedurchsuchung nach entsprechender richterlicher Anordnung verdeckt durchführen zu können", die Strafprozessordnung müsse daher "zeitnah angepasst" werden. Schäuble plant nach eigenen Worten eine Regelung mit "eng begrenzten Voraussetzungen", bei der Datenschutz und Freiheitsrechte berücksichtigt würden.

Forderungen nach einem entsprechenden Gesetz kamen zudem zum Beispiel im Februar auch von der Generalbundesanwältin Monika Harms. Sie halte es für wichtig, dass die deutschen Strafverfolgungsbehörden Instrumente erhielten, um technisch mit den Terroristen mithalten zu können. Der Bundesgerichtshof habe Onlinedurchsuchungen nicht generell ausgeschlossen, sondern nur "aufgrund der Heimlichkeit der Maßnahme für unzulässig gehalten".

Unterstützung findet der Vorstoß auch durch den Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke. Dieser sieht neben dem Zuspruch für die Pläne aus der Politik auch Zustimmung bei einem großen Teil der Bürger. Von einer totalen Überwachung könne nicht gesprochen werden: 99,99 Prozent der Bevölkerung seien von einem solchen Ansinnen nicht betroffen. Onlinedurchsuchungen würden lediglich bei einem schweren Verdacht durchgeführt, zudem müssten diese von einem Richter abgesegnet werden, wobei Staatsanwälte und Datenschützer das jeweilige Verfahren überwachten.

Gegner von Onlinedurchsuchungen: Vorteile umstritten

Doch die Front der Widersacher ist groß, schon innerhalb der Koalition gibt es kritische Stimmen: So verlangt die Justizministerin Brigitte Zypries zumindest eine stichhaltige Begründung, welchen Mehrwert Onlinedurchsuchungen bieten können. Es sei nicht ausreichend, wenn lediglich die Ermittlungsbehörden dieses Instrument "als dringend notwendig bezeichneten". Neben weiteren kritischen Stimmen aus der SPD steht die Opposition den Plänen ablehnend gegenüber: So sprachen sich die Grünen gegen Onlinedurchsuchungen aus, da es hier einen nicht unerheblichen Eingriff in die Grundrechte geben würde. Auch Dr. Max Stadtler, FDP-Innenexperte und Bundestagsabgeordneter sowie ehemaliger Richter am Oberlandesgericht, fordert, dass man "auf dieses Instrument gänzlich verzichten" sollte. Die Linkspartei kommentierte anlässlich der Februar-Entscheidung des BGH, sie sei "gegen eine Änderung der Strafprozessordnung, um die heimlichen Onlinedurchsuchungen privater Computer durch Sicherheitsbehörden doch zu ermöglichen. Die Privatsphäre muss geschützt bleiben, Ermittlungen können nach der geltenden Rechtslage erfolgen."

Unterstützung finden die Kritiker bei den Datenschützern: Erwartungsgemäß sehen diese eine Gefahr für den "unantastbaren Kernbereichs privater Lebensführung", der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sprach von der Gefahr einer "Rundum-Überwachung". So haben sich die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Bundesländer anlässlich einer Konferenz im März diesen Jahres denn auch gemeinsam gegen Onlinedurchsuchungen ausgesprochen. Da ein solches Vorgehen Einblick in die persönlichsten Bereiche des Betroffenen ermögliche, sei der "Kernbereich privater Lebensgestaltung" gefährdet. Dies gelte vor allem auch für die Nutzung durch Geheimdienste, die nicht mal "unverdeckt" die Erlaubnis hätten, an solche Informationen zu gelangen. Es dürften nicht ständig die Zugriffsmöglichkeiten erweitert werden, nur weil technologische Fortschritte dies möglich machten und ihre "Zweckmäßigkeit behauptet wird".

Der CCC sieht hier vor allem hinsichtlich jüngerer Computer-Nutzer Probleme: Der Lebensmittelpunkt vor allem junger Menschen verlagere sich zunehmend auf den PC. Hier würden zum Beispiel massenhaft persönliche Fotos, Videos und E-Mails gespeichert, so dass eine Vorab-Unterscheidung zwischen für die Ermittlungen relevanten und privaten Daten nahezu unmöglich sei.

Fazit

Viele Fragen hinsichtlich der Onlinedurchsuchungen sind ungeklärt, und ob bzw. wie sich das Ansinnen rechtlich wie technisch umsetzen lässt, ist offen. Auch wenn eine flächendeckende Überwachung zunächst nicht zu erwarten ist, wären Onlinedurchsuchungen ein massiver Eingriff in die Privatsphäre und in die betriebliche Geheimhaltung. Zudem besteht die Gefahr, dass die Nutzung dieses Ermittlungsinstrument mit der Zeit ausgeweitet werden könnte, und somit die anfängliche Zurückhaltung (Beschränkung auf "mutmaßliche Terroristen und schwere Straftaten", wie auch immer hier die Abgrenzung vollzogen werden soll) fallengelassen wird.

Insgesamt dürfte eine Umsetzung zunächst einmal zu massiver Unsicherheit führen, wenn Internet-Nutzer über eine mögliche Online-Überwachung nicht informiert werden: Ein möglicher Zugriff von außen auf sämtliche Daten dürfte vielen Internet-Nutzern zu recht unheimlich sein.

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