Editorial: Reparatursets vom Hersteller
Die Mehrheit aller Autos werden mit einem Ersatzreifen, einem einfachen Wagenheber und dem passenden Werkzeug zum Lösen der Radbefestigung ausgeliefert, sodass man im Fall eines Reifenschadens diesen selber
beheben kann. Bei Smartphone ist es hingegen unüblich, irgendwelche
Schäden selber beheben zu können. Egal, ob das Display splittert,
der Lautsprecher versagt oder die Kamera nur noch schwarze Bilder schießt:
Als User ist man quasi machtlos und muss zu den professionellen Werkstätten der Hersteller
oder von Drittanbietern.
Früher war es bei den meisten Geräten immerhin noch möglich, einen
schwächelnden Akku selber zu ersetzen, aber inzwischen ist bei so gut
wie allen Geräten der Akku fest eingebaut.
Apple will Reparatur-Kits fürs iPhone anbieten
Bild: Apple
Die Reparatur im Laden der Originalhersteller kostet aber oft Beträge,
die den Zeitwert des Geräts erreichen oder gar übersteigen, und dann
verzichtet man oft genug dankend darauf und kauft ein neues Gerät.
Deswegen pochen Verbraucherschützer schon seit Jahren auf ein
"Recht auf Reparatur". Inzwischen erzielen sie hier auch kleine
Erfolge: Für Kühlschränke, Geschirrspüler und Waschmaschinen wurde
jüngst die Verfügbarkeit von Ersatzteilen für (je nach Gerätegruppe)
mindestens 7 bis 10 Jahren gesetzlich festgeschrieben. Wenn in der
Spülmaschine also ein Besteckkorb kaputtgeht oder beim Kühlschrank ein
Griff abbricht, dann muss der Kunde dafür die genannten Jahre Ersatzteile
kaufen und diese anschließend mit normalem Werkzeug auch selber montieren
können.
Perfekt ist es damit aber noch nicht. 15 Werktage Lieferzeit ab Bestelleingang bedeuten rund um Weihnachten oder Ostern, dass man im Zweifelsfall einen ganzen Monat wartet, bevor man das gewünschte Ersatzteil in der Hand hält. Kann man bis dahin z.B. eine Spülmaschine nicht verwenden, weil einer der Rotorarme gebrochen ist, dann ist das schon eine lange Zeit. Smartphones sind zudem von der aktuellen Regelung noch nicht erfasst, sondern nur Elektro-Großgeräte (wo freilich eine Reparatur besonders viel Elektromüll einsparen hilft, wenn nur ein Kleinteil kaputt ist).
Akkutausch vs. Wasserdichtigkeit
Ein nicht ganz von der Hand zu weisendes Argument der Smartphone-Hersteller gegen privaten Akkutausch ist die Wasserdichtigkeit: Viele moderne Smartphones sind nicht nur gegen Spritzwasser geschützt, sondern überstehen sogar vorübergehendes Eintauchen in Wasser unbeschadet. Wenn nun Kunden das Gerät aufschreiben, um den Akku zu tauschen, und dann nicht wieder richtig zusammenschrauben, besteht natürlich die Gefahr, dass künftig Wasser eindringen kann.
Andererseits: Aktuelle Akkus halten auch bei starker Benutzung mindestens zwei bis drei Jahre durch, bevor ein Tausch fällig wird. Bei zwei Jahre alten Smartphones ist dann wiederum oft noch mehr als nur der Akku im Argen (beispielsweise feine Risse im Frontglas, in der Rückseite oder in der Kameraabdeckung, undichte Gummilippe am SIM-Karten-Slot etc.), sodass eh keine volle Wasserdichtigkeit mehr gewährt ist. Zudem: Wenn der Nutzer bei einem Gerät, das er sonst weggeworfen hätte, selber den Akku tauscht und das Gerät dann ein Jahr später durch einen Wasserschaden stirbt, dann ist immer noch ein Jahr gewonnen worden.
Schließlich sollten Hersteller durchaus in der Lage sein, ihre Geräte so zu designen, dass sich der Akku tauschen lässt, ohne, dass dazu erstmal unter der Hitze eines Haartrockners das verklebte Front- oder Rückseitenglas vorsichtig gelöst werden muss, was sicherlich (inklusive des späteren wasserdichten Wiederzusammenbaus samt Auftragen neuen Klebers) nur ein kleiner Teil der Privatanwender unfallfrei hinbekommt.
Apple bei den Guten?
Interessanterweise prescht nun ausgerechnet Apple - der Erfinder der fest verbauten Akkus und Spezialschrauben - mit der Selbstreparatur vor und will zunächst für die aktuellen Smartphone-Serien iPhone 12 und iPhone 13 in den USA ab kommenden Jahr Selbstservice-Kits für Akku, Display und Kamera anbieten. Weitere Länder sollen später folgen.
Ausdrücklich wird erwähnt, dass die Reparaturkits nichts für Leute seien, die von der Wartung von Elektronik-Geräten keine Ahnung hätten. Aber ein Anfang ist gemacht. Ob er auch taugt oder ob er nur ein Alibi ist, um politischen Druck in Richtung einer echten und einfachen Reparaturmöglichkeit von Smartphones zu nehmen, bleibt abzuwarten. Noch hat Apple keine Details bekannt gegeben, insbesondere nicht, wie teuer die Kits sein werden. Wenn man durch den Selbsttausch des Akkus oder Displays im Vergleich zum Service im Apple Store nur fünf Euro spart, dann wird das sicher kaum jemand selber machen.