Unter Druck

Vodafone: Deutschland-Chef Rogge verbreitet Optimismus

Während die Kunden­zahlen im Mobil­funk bei der Konkur­renz zuletzt steil nach oben gingen, verzeich­nete Voda­fone ein Minus. Der neue Chef Phil­ippe Rogge übt sich in Opti­mismus.
Von mit Material von dpa

Für Voda­fone sieht es schon länger nicht gut aus. Während die Kunden­zahlen im Mobil­funk bei den Wett­bewer­bern zuletzt steil nach oben gingen, verzeich­nete das Düssel­dorfer Unter­nehmen ein Minus. Phil­ippe Rogge, der neue Firmen­chef, der das Ruder vor einem Jahr über­nahm, übt sich in Opti­mismus und nahm in einem ausführ­lichen dpa-Inter­view zu verschie­denen Themen Stel­lung.

Verläss­lich­keits-Offen­sive

Verbreitet Optimismus und macht einen sympathischen Eindruck: Philipp Rogge, der "neue" Chef von Vodafone-Deutschland. Verbreitet Optimismus und macht einen sympathischen Eindruck: Philipp Rogge, der "neue" Chef von Vodafone-Deutschland.
Foto: Picture Alliance/dpa
Nach einer schwie­rigen Zeit mit verlo­renen Markt­anteilen sieht Voda­fone-Deutsch­land­chef Phil­ippe Rogge seine Firma für die Zukunft wieder gut gewappnet. Man habe in den vergan­genen 12 Monaten "eine Art Verläss­lich­keits-Offen­sive voran­getrieben, um im Fest­netz, im Mobil­funk und im Service besser zu werden", sagte er der dpa in Düssel­dorf. "Damit haben wir das Funda­ment geschaffen, um in Zukunft wieder erfolg­reich zu sein."

Seit Juli 2022 im Amt

Der frühere Micro­soft-Manager hat seit Juli 2022 das Sagen bei dem TK-Anbieter, die für den briti­schen Voda­fone-Konzern die mit Abstand wich­tigste Tochter ist. Während die Konkur­renten Deut­sche Telekom und Telefónica (o2) im Aufwind sind, verlor Voda­fone in der letzten Zeit massiv Handy­kunden.

Inves­titionen in die Technik

Rogge berich­tete von Inves­titionen in Technik, wodurch das zuvor schwan­kungs­anfäl­lige Fest­netz von Voda­fone stabiler geworden sei. Der Netz­betreiber führte in den vergan­genen 12 Monaten nach eigenen Angaben 2600 Maßnahmen im Kabel­netz durch, bei denen zusätz­liche Netz­seg­mente geschaffen und diese mit mehr Glas­faser ausge­stattet wurden. 2021 waren es nur 1000 solcher Maßnahmen gewesen, in den kommenden 12 Monaten sollen es 4000 sein. Hier­durch sind weniger Inter­net­nutzer in einem Netz­seg­ment unter­wegs, was zu mehr Stabi­lität führt. "Unser Fest­netz ist heute so zuver­lässig wie vor Corona - obwohl es viel mehr Daten trans­por­tiert."

Weniger Verbin­dungs­abbrüche - im Fest­netz

Die Anzahl der Verbin­dungs­abbrüche bei Fest­netz-Kunden, die durch Netz­stö­rungen verur­sacht wurden, habe sich in einem Jahr um etwa ein Viertel verrin­gert, und zwar um rund 80.000 auf heute 230.000 pro Monat. Das Beschwer­deauf­kommen in Call-Centern sei eben­falls binnen eines Jahres um 15 Prozent gesunken, betont der neue Firmen­chef. Man habe hart daran gear­beitet, "um die schnellen Geschwin­dig­keiten im Fest­netz stabiler zu unseren Kunden zu bringen". Nun habe sich die Situa­tion deut­lich verbes­sert. "Wir sind wieder da, wo wir sein sollten, wir haben die Probleme besei­tigt", verkündet Rogge. "So werden wir künftig noch mehr Kunden über­zeugen."

Preis-Leis­tungs-Problem im Mobil­funk

Während Rogge beim Fest­netz von einem "Zuver­läs­sig­keits­pro­blem" spricht, das gelöst worden sei, so sieht er im Mobil­funk ein "Preis-Leis­tungs-Problem". "Das Preis-Leis­tung-Verhältnis war nicht immer da, wo es sein sollte." Daher habe man es mit Akti­ons­tarifen verbes­sert und sei dadurch attrak­tiver geworden. "Das wird Wirkung zeigen." Zugleich sei der Netz­ausbau zügig voran­gekommen. 1100 bishe­rige 4G-Funk­löcher seien geschlossen worden, weitere 1100 sollen in den kommenden 12 Monaten verschwinden.

Das Voda­fone-Mobil­funk­netz sei im Zuge des 5G-Ausbaus besser geworden und die durch­schnitt­liche Über­tra­gungs­geschwin­dig­keit, die beim Kunden ankommt, um knapp 20 Prozent auf 112 Megabit pro Sekunde ange­stiegen, sagt der 53-Jährige. Auch im Service gebe es Fort­schritte, die durch­schnitt­liche Hotline-Warte­zeit sei in einem Jahr von 150 auf 50 Sekunden gesunken.

Durst­strecke vorbei?

Im Jahres­auf­takt-Quartal verlor Voda­fone Kunden. Auf die Frage, wann die Durst­strecke für das Unter­nehmen vorbei sein und die Kunden­zahl wieder deut­lich steigen wird, sagt Rogge: "Ich bin zuver­sicht­lich, dass wir unseren fairen Anteil am Markt in einem ange­mes­senen Zeit­rahmen bekommen werden." Die Posi­tion der Firma habe sich am Markt verbes­sert.

Massiver Spar­kurs

Der Voda­fone-Konzern ist nicht nur in Deutsch­land, sondern auch in anderen Märkten unter Druck. Deshalb verord­nete die Zentrale in Groß­bri­tan­nien ihren Länder­gesell­schaften einen Spar­kurs. In Deutsch­land sollen bis Ende März 2023 1300 Voll­zeit­stellen wegfallen, vor allem in der Verwal­tung und damit groß­teils in der Düssel­dorfer Deutsch­land­zen­trale. Aktuell hat Voda­fone in der NRW-Landes­haupt­stadt noch gut 5000 Beschäf­tigte, deutsch­land­weit sind es etwa 14.000 Stellen. Zugleich sollen 400 neue Stellen in kunden­nahen Berei­chen aufge­baut werden.

Einen Zwischen­stand gibt es nicht. Man sei in Gesprä­chen, sagt Rogge. Für die Beleg­schaft sei der Jobabbau schmerz­haft. Es sei ein trau­riger Schritt, den man als Manage­ment aber gehen müsse. "Die wirt­schaft­lichen Reali­täten und die stär­kere Ausrich­tung am Kunden machen dies notwendig", sagt er und verweist unter anderem auf höhere Ener­gie­kosten.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

In der Tat: Der neue Voda­fone-Deutsch­land-Chef ist sympa­thisch (der Autor hat ihn schon persön­lich getroffen) und verbreitet Opti­mismus, das ist sein wich­tigster Job. Schwer zu sagen, ob ihm wirk­lich alle Details der "Voda­fone-Land­schaft" bekannt sind, die Baustellen sind riesig. Schwer zu sagen, ob die briti­sche Zentrale ihm mehr Frei­heiten als bisher lässt, die Probleme in der Netz­ver­sor­gung (Funk­löcher in der Fläche), beim Kunden­ser­vice (echte Hilfe bei kniff­ligen Problemen) oder im Handel (Part­ner­agen­turen unter extremen Verkaufs­druck führt zur Über­bera­tung, hoch speku­lativ gestrickte "Handy-für-1-Euro-Ange­bote") konstruktiv anzu­gehen oder ob nur bestimmte Plan­zahlen zu erfüllen sind und ansonsten "Augen zu und durch" gilt.

In den letzten Jahren wurde viel Vertrauen verloren und das lässt sich nicht in wenigen Monaten wieder aufholen. Klar: Ein gewon­nener Netz­test (Fest­netz) hat Voda­fone psycho­logisch gut getan, aber den muss man genau lesen: Wenn einem Kunden via Koax­kabel 1000 MBit/s Down­load verspro­chen werden, sind selbst reale 500 MBit/s immer noch besser, als die maximal tech­nisch mögli­chen 250 MBit/s über VDSL-Vecto­ring des größten Konkur­renten. Nur ist die Wahr­schein­lich­keit, in einem Koax­kabel-Gebiet zu wohnen, für viele Inter­essenten nicht gegeben, ergo haben sie hier gar keine Wahl, sondern müssen hoffen, dass es schon schnelles VDSL oder noch besser endlich Glas­faser vor Ort gibt. Das ist dann aber meis­tens nicht von Voda­fone.

Solange bei Voda­fone großer Perso­nal­abbau und massives Kosten­sparen ange­sagt ist, wird das für Frust bei Beschäf­tigten und sicher auch bei den Kunden sorgen. Deut­sche Kunden mögen extrem träge sein, aber irgend­wann zermürben der Frust mit dem alten Anbieter und neue Ange­bote oder besserer Service von anderen oder ganz neuen Anbie­tern über­zeugen zu einem Wechsel. Sind diese Kunden erst einmal fort, wird es sehr lange dauern, bis sie wieder kommen. Falls über­haupt.

Mit einem Tech­nischen Gimmick kann Voda­fone punkten, auch wenn es noch nicht viele Kunden prak­tisch nutzen können: Voda­fone gab VoNR (Voice over 5G) in seinem Netz frei.

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