Vodafone gewinnt Chip-Festnetz-Test
Regelmäßig veröffentlichen Magazine wie die Connect oder Chip ihre Netztests von Mobilfunk oder Festnetz.
Mobilfunktests sind "relativ" einfach. Die ersten Tests des VAT (Vorläufer des VATM) waren mobile "Dauertelefonate" eines Verbands-Mitarbeiters. Später baute man viele Handys mit SIM-Karten aus allen drei (künftig vier Netzen) in eine Dachbox und fährt damit durchs Land und führt vollautomatische Testgespräche oder lädt definierte Webseiten herunter. Am Ende gibt es ein Messergebnis, welches Netz in der Summe immer oder meistens verfügbar war. "Schlechter" ausgebaute Netze sind weniger empfangbar und bringen dann "schlechtere" Ergebnisse.
Wie es dann am Wohn- oder Lebensort des Rat-suchenden Kunden aussieht, ist eine andere Frage.
Was aber macht man bei einem Festnetz-Test?
Chip hat das Festnetz getestet: Wo es schnelles Koaxkabel gibt, ist Vodafone der Sieger
Bild: Chip Online / Burda Forward
Man kann Netztests über Webseiten laufen lassen. Bekannt ist der Speedtest von Ookla oder die Breitbandmessung der Bundesnetzagentur. Dabei wird die Übertragungsrate vom eigenen PC oder Laptop über das Netz des eigenen Anbieters und die mit ihm verbundenen Internetknoten zu einem bestimmten Zielserver gemessen. Der Kunde sollte seinen PC oder Laptop über ein Kabel mit dem Router verbinden, sonst "bremst" schon das eigene WLAN aus. Der Zielserver sollte möglichst gut angebunden sein.
Bei Messungen ging die Fachzeitschrift Chip schon früh eigene Wege. Die Mobilfunknetztests mit dem Auto erfassten nicht die Versorgung in Zügen oder Einkaufszentren. Also wurden Rucksacktests "erfunden". Testpersonen marschierten mit dicken mit edler Messtechnik von Rhode & Schwarz gefüllten Rucksäcken durch die Lande, gemeinsam mit dem Unternehmen Net-Check. Im Festnetz hatte Chip-Technik-Chef Wolfgang Pauler erneut eine kreative Idee. Er verteilte an über 500 Tester kleine Mini-Rechner, unter dem Namen "Rasperry Pi" bekannt. Die wurden einfach beim Tester mit dem heimischen Internet verbunden und testeten dann zu verschiedenen Zeiten die Verbindungen und erstellten gleich ein Protokoll, alles vollautomatisch.
Preise steigen, Anbieter wechseln?
Internetanschlüsse sind bekanntlich teurer geworden. Schon im letzten Herbst hatte der Netzbetreiber Vodafone seine Koax-Kabelangebote ("Kabel-Glasfaser") für Neukunden pauschal um 5 Euro erhöht. Seit heute trifft die Erhöhung auch Bestandskunden mit klassischem DSL- und Koax-Kabelanschluss auf Kupferbasis, sofern die Kunden nicht außerordentlich (aufgrund der Preiserhöhung) gekündigt haben. Doch wohin wechseln?
Bereits am 4. April hatte die Telekom ihre Preise für Neukunden um 3 Euro für MagentaZuhause S, M und L angehoben. Nur die teuren Tarife wie XL, XXL und Giga hat die Telekom bislang noch nicht angerührt.
Laut einer aktuellen Studie des Branchenverbands VATM teilen sich Telekom und Vodafone fast 70 Prozent des Marktes unter sich auf. Dann gibt es noch die nationalen Anbieter wie 1&1 oder Telefónica/o2, die zusammen auf 17,5 Prozent kommen. Den Rest bedienen regionale Anbieter wie NetCologne, EWE oder M-Net.
Wie findet man das "beste Festnetz"?
Wie kann man nun bundesweit ein "bestes Netz" finden? Eigentlich geht das gar nicht. Nicht alle Anbieter sind überall verfügbar und Glasfaser oder schnelleres Koaxkabel gibt es oft gerade da nicht, wo es Interessenten gibt oder umgekehrt.
Der Festnetztest der Chip, der mit dem Technik-Partner Net-Check durchgeführt wurde, gibt einen je nach Betrachtungsweise "detaillierten" Einblick in den Zustand der Internet-Anschlüsse im Land.
Im Vergleich zum letzten Jahr habe sich das Durchschnittstempo aller User, die über die Seite speedtest.chip.de den Internet-Anschluss gemessen haben, von etwa 170 MBit/s auf fast 198 MBit/s erhöht. Der Upload sei von 30 auf 40 MBit/s gestiegen. Chip hat über 132.000 Messungen ausgewertet, die per LAN-Anschluss am Router und ohne den Bremseffekt eines VPN-Anbieters durchgeführt wurden. Damit lässt sich eine Menge anfangen, aber viele Nutzer messen meist nur dann, wenn sie glauben, dass mit dem Anschluss etwas nicht stimmen könnte. Und hier kommen die 553 Mini-Rechner ins Spiel.
Aufteilung der Ergebnisse
Um eine Vergleichbarkeit hinzubekommen, hat Chip das Ranking aufgeteilt: Nationales Ranking für Telekom, Vodafone, 1&1 und Telefónica/o2.
Dann gibt es "regional beste Anbieter", die nach Bundesland gewichtet wurden. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise führen Deutsche Glasfaser und Netcologne vor der Telekom, je nachdem auf welche Punkte man Wert legt. Auch in Bayern ist die Deutsche Glasfaser (soweit verfügbar) vorne, Telekom bleibt auf Platz 2, der regional aktive Anbieter M-net auf Platz 3.
Vodafone liegt national vorn
Das bundesweite Ranking
Grafik: Chip Online / Burda Forward
Das Ergebnis mag vielleicht überraschen und sorgt für knallende Sektkorken in Düsseldorf.
Chip ging von folgender Überlegung aus: Eine Kabelverbindung, die einen Download von 1 GBit/s verspricht, aber nur 600 MBit/s schafft, ist mehr wert als eine DSL-Verbindung mit maximal 250 MBit/s, die monatlich genau so viel kostet.
In diesem Punkt habe "Vodafone als großer Kabelanbieter" einen Vorteil. Hier sind Gigabit-Verbindungen zu einem relativ moderaten Preis möglich, findet die Chip. Die Konkurrenz schafft das nur mit echter Glasfaser und die muss oft erst noch verlegt werden, was dauert und viel Geld kostet. Die Strategie von Vodafone, durch die Übernahme möglichst aller überregionalen Kabel-TV-Anbieter ein "schnelles Netz" zu bekommen, ist hier aufgegangen.
Doch Vorsicht: Wenn z.B. Vodafone bekanntgibt, ein bestimmtes Gebiet zu versorgen, muss genau geprüft werden, was genau möglich ist. Ist vor Ort kein Koaxkabel-Netz vorhanden, versorgt Vodafone über gemietete Leitungen der Telekom mit meist maximal 16.000 kBit/s. Die Telekom könnte an der gleichen Stelle aber 50.000 oder 100.000 kBit/s bieten, weil sie ihrerseits Leitungen von einem dritten Anbieter gemietet hat.
Der Anbieter o2 (Telefónica) hat überhaupt keine eigenen Leitungen im Festnetz. Er mietet immer fremde Leitungen, die schnell sein können (Koaxkabel von o2), oder Glasfaser von Telekom oder UGG. Es könnte aber auch "langsames" DSL sein.
Ähnliches gilt für 1&1. Die Schwester Versatel kann schnelle Leitungen bereitstellen, oft sind es aber von der Telekom gemietete Drähte mit deutlichen Einschränkungen. Hier und da sollte schon Glasfaser möglich sein.
Ein paar Zahlen zu Speedtests
Bei den Speedtests wurden insgesamt 60 TB übertragen, 195.982 mal wurde über LAN getestet, davon waren 132.321 Samples brauchbar. Die 553 Mini-Rechner waren 99 Tage im Einsatz.
Über Crowdsourcing wurden Daten von 3 Millionen Routern eingesammelt, die in Deutschland im Schnitt 197,6 MBit/s im Download und 40,4 MBit/s im Upload meldeten. Dabei gab es eine Abweichung vom Download-Versprechen: mit -23,5 Prozent und vom Upload-Versprechen um -15,9 Prozent.
Wem 50 MBit/s ausreichen, empfiehlt die Chip-Redaktion o2 als günstigsten Anbieter, sofern dieser am gewünschten Einsatzort verfügbar ist.
Vodafone: Speedvorteil durch Kabel
Schnelle Geschwindigkeit gepaart mit noch moderaten Preisen bringt für Chip den Sieg für Vodafone. Aber auch hier ist zu prüfen, ob das am eigenen Standort überhaupt möglich ist.
In der nationalen Gesamtwertung liegt Vodafone mit einer Gesamtnote von 1,7 auf dem ersten Platz, gefolgt von der Telekom mit 1,8. Dahinter finden sich o2 (2,1) und 1&1 (2,3).
Schaut man sich die "Vertragserfüllung" (wird geliefert, was die Werbung verspricht?) an, kann Vodafone nur die Note 2,4 erreichen, während die Telekom mit der Note 1,8 führt. Auch 1& schafft nur die Note 2,4, während o2 mit der Note 1,9 punktet.
Schaut man sich die Latenz (Ping) an, liegt die Deutsche Telekom mit der Note 1,0 an der Spitze, während Vodafone 1,5 und o2 mit 1,7 bewertet wurden.
Da die Koaxkabel von Vodafone prinzipiell höhere Geschwindigkeiten schaffen, liegt Vodafone mit 347 MBit/s natürlich uneinholbar vorne. Die Telekom kann mit Kupferkabel über Super Vectoring maximal 250 MBit/s erreichen. G.fast kann mehr, ist aber nur an mikroskopisch wenigen Orten verfügbar. Trotz dieses Handycaps liegt die Telekom mit 99,24 MBit/s im Schnitt hinter Vordafone, aber deutlich vor 1&1 (73,40 MBit/s) und o2 mit 67,52 MBit/s
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Man kann es gar nicht genug betonen: Solche Tests sind interessante Momentaufnahmen. Als Kauf- oder Buchungsberatung können Sie nicht immer weiterhelfen. Gerade bei Festnetzanschlüssen sind nicht alle Anbieter oder alle Technologien überall im Lande zugleich verfügbar.
Der Kunde muss also erst einmal herausfinden, welcher Anbieter bei ihm zu Hause wirklich verfügbar ist und wer die Technik dafür liefert. Das dürfte in den allermeisten Fällen die Telekom sein. Dann muss geprüft werden, welche Geschwindigkeiten wirklich möglich sind.
Liegt der Telekom-Anschluss irgendwo tief auf dem Land, könnten bei der Telekom maximal 16.000 kBit/s Download angeboten werden, hier und da könnten es auch "nur" 6.000 kBit/s oder noch weniger sein. Ist am Ort ein alternativer Anbieter buchbar, muss dessen Technologie geprüft werden. Gibt es Koaxkkabel, könnten bis zu 1 GBit/s drin sein, wenn die Leitungen auf dem neuesten Stand und alle aktiven Komponenten richtig eingestellt und gut gepflegt sind sowie der Kabel-Netzbetreiber seine Cluster auf den neuesten Stand gebracht hat. Dann ist die Chance hoch, zu lastschwachen Zeiten diese Geschwindigkeit zu erreichen, es können und werden aber auch viel weniger sein.
Liegt bereits Glasfaser vor Ort, wird das die erste Wahl sein, vorausgesetzt, der Anbieter hat auch hier seine Hausaufgaben gemacht, die Leitungen knickfrei verlegt und alles richtig konfiguriert und eingerichtet und die Glasfaser kann bis die Wohnung verlegt werden.
Der ratlose Kunde kann im Prinzip nur eines tun: In der Nachbarschaft Pilotkunden finden, die den Wunschanschluss beim Wunschanbieter schon haben und dann vergleichen. Und zum Schluss "beten", dass der eigene Anschluss die gleichen technischen Werte bieten wird, was leider nicht immer der Fall sein muss.
Zu überlegen ist auch, wo man seine Mobilfunkverträge abgeschlossen hat. Die Kombination von Festnetz und Mobilfunk bringt bei allen Anbietern preislich spürbare Vorteile. Vorausgesetzt, die Mobilfunkabdeckung ist ähnlich gut wie die Festnetzversorgung.
Den kompletten Chip-Netztest gibt es in gedruckter Form am Kiosk (Ausgabe Chip 06/2023) oder in Kürze auch online auf www.chip.de.
Der letzte Mobilfunk-Vergleichstest der Chip sah Verbesserungen bei o2, speziell bei 5G in den Städten.