Zukunft

Vodafone: KI soll Netzausbau und -qualität verbessern

Bei Voda­fone soll die KI Störungen im Netz erkennen, bevor Kunden sie bemerken. 70 KI-Experten arbeiten an 120 KI-Projekten.
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Netz­aus­fälle erkennen, bevor sie entstehen und bei den Kunden zu Problemen führen? Netz­aus­bau­pläne inner­halb von Sekunden erhalten, um nervige Funk­löcher zu schließen?

Der Netz­betreiber Voda­fone gibt an, dass bei ihm das täglich passiere – mit Hilfe von KI (künst­liche Intel­ligenz, englisch abge­kürzt AI). Im Netz­ausbau und Netz­manage­ment unter­stütze Künst­liche Intel­ligenz die Voda­fone-Tech­niker dabei, das Netz "jeden Tag ein Stück besser" zu machen.

Auch im Kunden­ser­vice, im Perso­nal­wesen oder in der Technik setzt Voda­fone auf KI. Aktuell sollen über 120 KI-Projekte die Arbeits­pro­zesse und Kunden­erleb­nisse opti­mieren, meldet das Unter­nehmen mit Haupt­sitz in Düssel­dorf.

KI im Fest­netz­ausbau

Vodafone-Technik-Chefin Tanja Richter setzt KI zur Netzplanung und -optimierung ein. Vodafone-Technik-Chefin Tanja Richter setzt KI zur Netzplanung und -optimierung ein.
Foto: Vodafone
Beim Schließen von Versor­gungs­löchern sei Künst­liche Intel­ligenz für die Netz-Experten von Voda­fone "unver­zichtbar": Sie gebe auto­mati­sierte Standort-Empfeh­lungen für den opti­malen Glas­faser­ausbau.

Das Ziel ist klar: Möglichst vielen Kunden ein stabiles und schnelles Netz zu bieten und "Überbau" (Doppel­ausbau, wo bereits Leitungen eines Mitbe­wer­bers liegen) zu vermeiden. Inner­halb weniger Minuten könne ein von Voda­fone entwi­ckelter Algo­rithmus grobe Ausbau­pläne für die ganze Bundes­repu­blik erstellen. Dabei sollen Faktoren wie Kosten, Zeit und Effi­zienz berück­sich­tigt werden. Experten bei Voda­fone prüfen dann die Ausbau­vor­schläge der KI und über­nehmen analog die Detail­pla­nung. KI könne die Netz­aus­bau­pla­nung bereits um das Fünf­fache beschleu­nigen und für ein opti­males Kosten-Nutzen-Verhältnis sorgen.

KI-gestützter Mobil­funk­ausbau

Auch beim drin­gend notwen­digen Mobil­funk­ausbau von Voda­fone sei KI im Einsatz und sorge für eine nahezu opti­male Signal­stärke im mobilen Netz von Voda­fone, zumin­dest da, wo es bereits Sender gibt. Die KI schlage auto­matisch vor, über welche Größe und Frequenzen die einzelnen Mobil­funk­zellen verfügen sollten. Die vorge­schla­gene Kombi­nation sorge dann für einen (theo­retisch) flächen­deckend stabilen Mobil­funk­emp­fang und eine schnelle Daten­über­tra­gung, betont man bei Voda­fone. Nur, wo keine Sender stehen, gibt es eben gar kein Signal.

Network Over­view

Die Network Over­view Appli­cation (NOA) soll eine KI-basierte Muster­erken­nung in Bildern ermög­lichen. So können beispiels­weise Instal­lationen oder Wartungen von Mobil­funk­masten doku­men­tiert und Fehler erkannt werden – noch während der Tech­niker vor Ort ist.

Dazu muss die KI aber erst einmal mit ausrei­chend Daten gefüt­tert werden. In einem ersten Schritt klas­sifi­zieren die Experten bei Voda­fone ein Bild und ordnen dieses einem passenden "Label" zu. Auf Grund­lage der Labels lernt die KI, Muster auf dem Bild zu erkennen. In einem nächsten Schritt kann sie Bilder selbst zuordnen, klas­sifi­zieren und auch Fehler­muster erkennen. Am Ende kontrol­liert aber immer noch ein Mensch, ob die Zuord­nung der KI stimmt.

Voda­fone hofft, zukünf­tige Quali­täts­ana­lysen der Netz­infra­struktur mit weniger Aufwand durch­führen und Fehler proaktiv (vorher, bevor sie passieren) vermeiden zu können. Die künst­liche Intel­ligenz des NOA-Modells werde täglich mit Trai­nings­daten gefüt­tert und beinhalte bereits Tausende von Bildern.

Mit KI proaktiv gegen Störungen im Netz

Voda­fone betont, dass KI für weniger Störungen im Netz sorgen könne. Durch soge­nannte „Predic­tive Main­ten­ance“, also der Prognose von zukünf­tigen Ereig­nissen. KI-Algo­rithmen können helfen, Problem­bilder in der Netz­werk­per­for­mance zu erkennen, um proaktiv Störungen beheben zu können – bevor die Baugruppe ausfällt und bevor die Kunden von der Störung über­haupt etwas merken können. Die KI kann aufgrund von Mustern die Wahr­schein­lich­keit even­tuell auftre­tender Problem­bilder "vorher­sehen".

So könnten Störungen verhin­dert oder behoben werden, bevor sie für Kunden zum Problem werden. Etwa der Austausch eines Modems beim Kunden. Anhand tech­nischer Para­meter will Voda­fone mit seiner KI im Vorfeld prüfen, ob bei einem anste­henden Modem­tausch ein teurer Voda­fone-Tech­niker zum Kunden geschickt werden muss, oder ob es reicht, wenn dem Kunden das neue Modem per Post geschickt wird und er es dann selb­ständig anschließt und in Betrieb nimmt.

Das setzt voraus, dass Voda­fone seine Kunden sehr genau kennt und "weiß", ob sie ausrei­chend tech­nische Kennt­nisse haben, um ein Modem selbst auszu­tau­schen und notfalls erfor­der­liche Einstel­lungen (wie das Pass­wort im WLAN oder das Konfi­gurieren von Tele­fon­appa­raten mit der rich­tigen Rufnummer etc.) auch vorzu­nehmen, ohne dass später doch ein Tech­niker benö­tigt wird.

KI für mehr Ener­gie­effi­zienz im Netz­betrieb

Ein KI-basierter dyna­mischer Ener­gie­spar-Modus soll den Ener­gie­ver­brauch im Mobil­funk­netz an den tatsäch­lichen Bedarf der Nutzer anpassen.

Heißt: An Mobil­funk-Stationen, in denen gerade wenig Nutzer im Netz surfen, wird auto­matisch der dyna­mische Ener­gie­spar-Modus akti­viert – wobei weiterhin hohe Band­breiten von rund 100 MBit pro Sekunde bereit­gestellt werden. Sobald der Bedarf wieder steigt, stellt das Netz auto­matisch auf volle Kraft mit noch höheren Band­breiten um. Denn je mehr Menschen in einer Mobil­funk­zelle unter­wegs sind, desto höhere Band­breiten werden benö­tigt, damit jeder einzelne Nutzer schnell und in hoher Qualität im Netz surfen kann. Dank KI bleibt so das Nutzer­erlebnis konstant bei deut­lich gerin­gerem Ener­gie­bedarf.

„Im Voda­fone Netz spielt KI eine entschei­dende Rolle: Eigens entwi­ckelte Algo­rithmen und Systeme helfen uns, Funk­löcher für unsere Kunden schneller zu schließen, erstellen Ausbau­pläne für Glas­faser und geben uns früh­zeitig Hinweise auf poten­zielle Störungen im Netz – damit wir diese beheben können, noch bevor sie für unsere Kund:innen über­haupt spürbar werden“ , so Tanja Richter, Geschäfts­füh­rerin Technik & Network Director, Voda­fone Deutsch­land.

KI für besseren Kunden­ser­vice

Im Kunden­ser­vice soll Künst­liche Intel­ligenz mehr Effi­zienz und Zufrie­den­heit schaffen können. Die Mitar­beiter sollen mehr Raum und Zeit für zwischen­mensch­liche Inter­aktion mit den Kunden haben. Mit Hilfe von "Machine Lear­ning" entwi­ckelt Voda­fone Lösungen, um anru­fenden Kunden schnellst­mög­lich zu helfen. Beispiels­weise werden die Anrufer so direkt zum rich­tigen Ansprech­partner geleitet.

Das Ziel: Schon beim ersten Läuten wissen, welcher Mensch an der Hotline (Agent) das kunden­spe­zifi­sche Anliegen best­mög­lich lösen kann und sie dementspre­chend verbinden. Seit rund vier Jahren verstärkt außerdem TOBi den Voda­fone-Kunden­ser­vice. Der eigens entwi­ckelte, gene­rative KI-Chatbot wurde allein 2022 rund acht Millionen Mal kontak­tiert und lernt mit jeder Kunden­anfrage dazu. Heute soll TOBi mehrere Hundert unter­schied­liche Themen­gebiete erkennen können. Bei der Beant­wor­tung der Kunden­anliegen soll das System auch Infor­mationen aus ange­bun­denen Systemen heran­ziehen können, sei es der Liefer­status von Hard­ware oder aktu­elle Netz­stö­rungen.

KI im Perso­nal­wesen

Auch auf dem Voda­fone-Firmen­gelände (Voda­fone Campus) in Düssel­dorf kommt KI zum Einsatz. Da die Mitar­beiter in der Zentrale immer gute Luft zum konzen­trierten Arbeiten brau­chen, wird das Raum­klima intel­ligent gesteuert und so der Ener­gie­ver­brauch gesenkt.

Seit Oktober 2022 begleitet die Zauber­formel KI die Mitar­beiter auf ihrer "indi­vidu­ellen Lern­reise" bei Voda­fone. Durch eine auto­mati­sierte Erken­nung von Fähig­keiten und Inter­essen schlägt künst­liche Intel­ligenz den Mitar­bei­tern Weiter­ent­wick­lungs­mög­lich­keiten auf der neuen Lern- und Entwick­lungs­platt­form “GROW” Trai­nings­inhalte vor – auch wenn diese außer­halb der aktu­ellen Jobfunk­tion ("Rolle") liegen. Mitar­beiter sollen sich so täglich weiter­ent­wickeln können.

Bei Bewer­bungen und Neuein­stel­lungen (Recrui­ting) sollen passende Kandi­daten gefunden werden. Die Personal-Abtei­lung spricht von "Skill­mat­ching", auf Deutsch von der Bewer­tung, inwie­weit die ange­gebenen Fähig­keiten ("Skills") eines Bewer­bers zu einer ausge­schrie­benen Stelle passen. Durch die Anony­misie­rung der Bewer­ber­daten in Hinblick auf Geschlecht, Reli­gion oder Herkunft kann die KI dem Perso­naler (Recruiter) einen objek­tiven Blick auf die Bewer­ber­unter­lagen verschaffen und unbe­wusste Vorein­genom­men­heit verhin­dern.

Schutz von Mensch und Daten

Bei Voda­fone setzt man voll auf KI, ist sich aber bewusst, dass der "Einsatz mit Vorsicht erfolgen" muss. Sicher­heit und Schutz von Mensch und Daten stünden an erster Stelle, wird dazu beteuert. Voda­fone Deutsch­land setze nicht nur die EU-KI-Richt­linien um, sondern orien­tiere sich an den "länder­über­grei­fenden ethi­schen Richt­linien" der Voda­fone Gruppe und an den zu erwar­tenden Vorgaben des kommenden EU AI Acts – ein Gesetz für einen verant­wor­tungs­bewussten Umgang mit KI, unab­hängig von Einsatz­gebiet und Nutzung.

Der von Voda­fone gewählte “AI Ethics by Design” Ansatz zur Entwick­lung von Projekten mit künst­licher Intel­ligenz, beinhalte Maßnahmen wie eine Risi­koein­schät­zung zu Beginn eines KI-Projektes, eine Biblio­thek für Anwen­dungs­fälle zur "Stei­gerung der unter­neh­mens­weiten Trans­parenz" oder aber beson­dere Vorlagen, die zu einer korrekten Doku­men­tation einzelner KI-Projekte beitragen sollen.

Rahmen­ver­ein­barungen, die bei Voda­fone bereits 2019 fest­gelegt wurden, beziehen sich auf fest­gelegte Werte und Prin­zipien für einen verant­wor­tungs­vollen Umgang mit künst­licher Intel­ligenz. Zu diesen Werten zählen beispiels­weise Trans­parenz, Fair­ness und Privat­sphäre – Kompo­nenten, die von echten Mitar­bei­tern mit beson­derem Exper­ten­wissen fest­gelegt wurden.

Nicht alles ist möglich

„Künst­liche Intel­ligenz ist keine Alles­kön­nerin. Aber sie kann das Binde­glied zwischen Tech­nologie und mensch­licher Exper­tise sein. Ein hilf­rei­ches Werk­zeug – und wie bei allen Werk­zeugen müssen wir Menschen bewusst entscheiden, wie wir es sinn­voll einsetzen“, hat Ulrich Irnich, der CIO von Voda­fone Deutsch­land erkannt.

Eine Einschät­zung von (Henning Gajek)

Das Kurz­wort KI ist derzeit aktuell sehr hip, weil man sich vieles und alles drunter vorstellen kann. Ein Netz opti­mieren, das es vor Ort gar nicht gibt, kann die KI auch nicht. Oder kann sie fehlende Gelder auftreiben und die Aufträge für neue Sende­antennen in unver­sorgten Regionen an stark ausge­las­tete Baufirmen schreiben und die Geneh­migungs­ver­fahren für drin­gend benö­tigte neue Sende­sta­tionen bei Ämtern und Behörden beschleu­nigen?

Kann die KI erkennen, wenn ein Verkäufer im Laden gerade wieder dabei ist, einen uner­fah­renen Kunden mit Laptop, Tablet, Smart­watch und zig Verträgen einzu­decken, weil sonst sein Monats­ein­kommen nicht reicht, um Frau und Kinder daheim zu ernähren?

Kann die KI dafür sorgen, dass Kunden erster genommen werden, wenn sie ein Problem haben und einen Ansprech­partner suchen, der das Problem a) versteht und b) auch lösen kann?

Oder kann die KI dafür sorgen, dass es viele Probleme gar nicht gibt, weil die Abläufe klar und verständ­lich sind, dass beispiels­weise Tarife radikal verein­facht und von stör­anfäl­liger Rabat­titis oder unver­ständ­lichen Cash-Back-Orgien befreit werden?

Keine Frage: Eine immer kompli­zierter erschei­nende Welt wird auf die Dauer nur mit raffi­nierter Technik beherrschbar. Aber manchmal wünscht man sich einfa­chere Vorgänge und Abläufe, die man auch ohne BWL-Studium verstehen und zum eigenen Nutzen anwenden kann.

Eine KI von Google will verhin­dern, dass die Anrufer an der Hotline künftig ewig lange eine Warte­schlei­fen­musik hören müssen.

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