Vodafone: KI soll Netzausbau und -qualität verbessern
Netzausfälle erkennen, bevor sie entstehen und bei den Kunden zu Problemen führen? Netzausbaupläne innerhalb von Sekunden erhalten, um nervige Funklöcher zu schließen?
Der Netzbetreiber Vodafone gibt an, dass bei ihm das täglich passiere – mit Hilfe von KI (künstliche Intelligenz, englisch abgekürzt AI). Im Netzausbau und Netzmanagement unterstütze Künstliche Intelligenz die Vodafone-Techniker dabei, das Netz "jeden Tag ein Stück besser" zu machen.
Auch im Kundenservice, im Personalwesen oder in der Technik setzt Vodafone auf KI. Aktuell sollen über 120 KI-Projekte die Arbeitsprozesse und Kundenerlebnisse optimieren, meldet das Unternehmen mit Hauptsitz in Düsseldorf.
KI im Festnetzausbau
Vodafone-Technik-Chefin Tanja Richter setzt KI zur Netzplanung und -optimierung ein.
Foto: Vodafone
Beim Schließen von Versorgungslöchern sei Künstliche Intelligenz für die Netz-Experten von Vodafone "unverzichtbar": Sie gebe automatisierte Standort-Empfehlungen für den optimalen Glasfaserausbau.
Das Ziel ist klar: Möglichst vielen Kunden ein stabiles und schnelles Netz zu bieten und "Überbau" (Doppelausbau, wo bereits Leitungen eines Mitbewerbers liegen) zu vermeiden. Innerhalb weniger Minuten könne ein von Vodafone entwickelter Algorithmus grobe Ausbaupläne für die ganze Bundesrepublik erstellen. Dabei sollen Faktoren wie Kosten, Zeit und Effizienz berücksichtigt werden. Experten bei Vodafone prüfen dann die Ausbauvorschläge der KI und übernehmen analog die Detailplanung. KI könne die Netzausbauplanung bereits um das Fünffache beschleunigen und für ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis sorgen.
KI-gestützter Mobilfunkausbau
Auch beim dringend notwendigen Mobilfunkausbau von Vodafone sei KI im Einsatz und sorge für eine nahezu optimale Signalstärke im mobilen Netz von Vodafone, zumindest da, wo es bereits Sender gibt. Die KI schlage automatisch vor, über welche Größe und Frequenzen die einzelnen Mobilfunkzellen verfügen sollten. Die vorgeschlagene Kombination sorge dann für einen (theoretisch) flächendeckend stabilen Mobilfunkempfang und eine schnelle Datenübertragung, betont man bei Vodafone. Nur, wo keine Sender stehen, gibt es eben gar kein Signal.
Network Overview
Die Network Overview Application (NOA) soll eine KI-basierte Mustererkennung in Bildern ermöglichen. So können beispielsweise Installationen oder Wartungen von Mobilfunkmasten dokumentiert und Fehler erkannt werden – noch während der Techniker vor Ort ist.
Dazu muss die KI aber erst einmal mit ausreichend Daten gefüttert werden. In einem ersten Schritt klassifizieren die Experten bei Vodafone ein Bild und ordnen dieses einem passenden "Label" zu. Auf Grundlage der Labels lernt die KI, Muster auf dem Bild zu erkennen. In einem nächsten Schritt kann sie Bilder selbst zuordnen, klassifizieren und auch Fehlermuster erkennen. Am Ende kontrolliert aber immer noch ein Mensch, ob die Zuordnung der KI stimmt.
Vodafone hofft, zukünftige Qualitätsanalysen der Netzinfrastruktur mit weniger Aufwand durchführen und Fehler proaktiv (vorher, bevor sie passieren) vermeiden zu können. Die künstliche Intelligenz des NOA-Modells werde täglich mit Trainingsdaten gefüttert und beinhalte bereits Tausende von Bildern.
Mit KI proaktiv gegen Störungen im Netz
Vodafone betont, dass KI für weniger Störungen im Netz sorgen könne. Durch sogenannte „Predictive Maintenance“, also der Prognose von zukünftigen Ereignissen. KI-Algorithmen können helfen, Problembilder in der Netzwerkperformance zu erkennen, um proaktiv Störungen beheben zu können – bevor die Baugruppe ausfällt und bevor die Kunden von der Störung überhaupt etwas merken können. Die KI kann aufgrund von Mustern die Wahrscheinlichkeit eventuell auftretender Problembilder "vorhersehen".
So könnten Störungen verhindert oder behoben werden, bevor sie für Kunden zum Problem werden. Etwa der Austausch eines Modems beim Kunden. Anhand technischer Parameter will Vodafone mit seiner KI im Vorfeld prüfen, ob bei einem anstehenden Modemtausch ein teurer Vodafone-Techniker zum Kunden geschickt werden muss, oder ob es reicht, wenn dem Kunden das neue Modem per Post geschickt wird und er es dann selbständig anschließt und in Betrieb nimmt.
Das setzt voraus, dass Vodafone seine Kunden sehr genau kennt und "weiß", ob sie ausreichend technische Kenntnisse haben, um ein Modem selbst auszutauschen und notfalls erforderliche Einstellungen (wie das Passwort im WLAN oder das Konfigurieren von Telefonapparaten mit der richtigen Rufnummer etc.) auch vorzunehmen, ohne dass später doch ein Techniker benötigt wird.
KI für mehr Energieeffizienz im Netzbetrieb
Ein KI-basierter dynamischer Energiespar-Modus soll den Energieverbrauch im Mobilfunknetz an den tatsächlichen Bedarf der Nutzer anpassen.
Heißt: An Mobilfunk-Stationen, in denen gerade wenig Nutzer im Netz surfen, wird automatisch der dynamische Energiespar-Modus aktiviert – wobei weiterhin hohe Bandbreiten von rund 100 MBit pro Sekunde bereitgestellt werden. Sobald der Bedarf wieder steigt, stellt das Netz automatisch auf volle Kraft mit noch höheren Bandbreiten um. Denn je mehr Menschen in einer Mobilfunkzelle unterwegs sind, desto höhere Bandbreiten werden benötigt, damit jeder einzelne Nutzer schnell und in hoher Qualität im Netz surfen kann. Dank KI bleibt so das Nutzererlebnis konstant bei deutlich geringerem Energiebedarf.
„Im Vodafone Netz spielt KI eine entscheidende Rolle: Eigens entwickelte Algorithmen und Systeme helfen uns, Funklöcher für unsere Kunden schneller zu schließen, erstellen Ausbaupläne für Glasfaser und geben uns frühzeitig Hinweise auf potenzielle Störungen im Netz – damit wir diese beheben können, noch bevor sie für unsere Kund:innen überhaupt spürbar werden“ , so Tanja Richter, Geschäftsführerin Technik & Network Director, Vodafone Deutschland.
KI für besseren Kundenservice
Im Kundenservice soll Künstliche Intelligenz mehr Effizienz und Zufriedenheit schaffen können. Die Mitarbeiter sollen mehr Raum und Zeit für zwischenmenschliche Interaktion mit den Kunden haben. Mit Hilfe von "Machine Learning" entwickelt Vodafone Lösungen, um anrufenden Kunden schnellstmöglich zu helfen. Beispielsweise werden die Anrufer so direkt zum richtigen Ansprechpartner geleitet.
Das Ziel: Schon beim ersten Läuten wissen, welcher Mensch an der Hotline (Agent) das kundenspezifische Anliegen bestmöglich lösen kann und sie dementsprechend verbinden. Seit rund vier Jahren verstärkt außerdem TOBi den Vodafone-Kundenservice. Der eigens entwickelte, generative KI-Chatbot wurde allein 2022 rund acht Millionen Mal kontaktiert und lernt mit jeder Kundenanfrage dazu. Heute soll TOBi mehrere Hundert unterschiedliche Themengebiete erkennen können. Bei der Beantwortung der Kundenanliegen soll das System auch Informationen aus angebundenen Systemen heranziehen können, sei es der Lieferstatus von Hardware oder aktuelle Netzstörungen.
KI im Personalwesen
Auch auf dem Vodafone-Firmengelände (Vodafone Campus) in Düsseldorf kommt KI zum Einsatz. Da die Mitarbeiter in der Zentrale immer gute Luft zum konzentrierten Arbeiten brauchen, wird das Raumklima intelligent gesteuert und so der Energieverbrauch gesenkt.
Seit Oktober 2022 begleitet die Zauberformel KI die Mitarbeiter auf ihrer "individuellen Lernreise" bei Vodafone. Durch eine automatisierte Erkennung von Fähigkeiten und Interessen schlägt künstliche Intelligenz den Mitarbeitern Weiterentwicklungsmöglichkeiten auf der neuen Lern- und Entwicklungsplattform “GROW” Trainingsinhalte vor – auch wenn diese außerhalb der aktuellen Jobfunktion ("Rolle") liegen. Mitarbeiter sollen sich so täglich weiterentwickeln können.
Bei Bewerbungen und Neueinstellungen (Recruiting) sollen passende Kandidaten gefunden werden. Die Personal-Abteilung spricht von "Skillmatching", auf Deutsch von der Bewertung, inwieweit die angegebenen Fähigkeiten ("Skills") eines Bewerbers zu einer ausgeschriebenen Stelle passen. Durch die Anonymisierung der Bewerberdaten in Hinblick auf Geschlecht, Religion oder Herkunft kann die KI dem Personaler (Recruiter) einen objektiven Blick auf die Bewerberunterlagen verschaffen und unbewusste Voreingenommenheit verhindern.
Schutz von Mensch und Daten
Bei Vodafone setzt man voll auf KI, ist sich aber bewusst, dass der "Einsatz mit Vorsicht erfolgen" muss. Sicherheit und Schutz von Mensch und Daten stünden an erster Stelle, wird dazu beteuert. Vodafone Deutschland setze nicht nur die EU-KI-Richtlinien um, sondern orientiere sich an den "länderübergreifenden ethischen Richtlinien" der Vodafone Gruppe und an den zu erwartenden Vorgaben des kommenden EU AI Acts – ein Gesetz für einen verantwortungsbewussten Umgang mit KI, unabhängig von Einsatzgebiet und Nutzung.
Der von Vodafone gewählte “AI Ethics by Design” Ansatz zur Entwicklung von Projekten mit künstlicher Intelligenz, beinhalte Maßnahmen wie eine Risikoeinschätzung zu Beginn eines KI-Projektes, eine Bibliothek für Anwendungsfälle zur "Steigerung der unternehmensweiten Transparenz" oder aber besondere Vorlagen, die zu einer korrekten Dokumentation einzelner KI-Projekte beitragen sollen.
Rahmenvereinbarungen, die bei Vodafone bereits 2019 festgelegt wurden, beziehen sich auf festgelegte Werte und Prinzipien für einen verantwortungsvollen Umgang mit künstlicher Intelligenz. Zu diesen Werten zählen beispielsweise Transparenz, Fairness und Privatsphäre – Komponenten, die von echten Mitarbeitern mit besonderem Expertenwissen festgelegt wurden.
Nicht alles ist möglich
„Künstliche Intelligenz ist keine Alleskönnerin. Aber sie kann das Bindeglied zwischen Technologie und menschlicher Expertise sein. Ein hilfreiches Werkzeug – und wie bei allen Werkzeugen müssen wir Menschen bewusst entscheiden, wie wir es sinnvoll einsetzen“, hat Ulrich Irnich, der CIO von Vodafone Deutschland erkannt.
Eine Einschätzung von (Henning Gajek)
Das Kurzwort KI ist derzeit aktuell sehr hip, weil man sich vieles und alles drunter vorstellen kann. Ein Netz optimieren, das es vor Ort gar nicht gibt, kann die KI auch nicht. Oder kann sie fehlende Gelder auftreiben und die Aufträge für neue Sendeantennen in unversorgten Regionen an stark ausgelastete Baufirmen schreiben und die Genehmigungsverfahren für dringend benötigte neue Sendestationen bei Ämtern und Behörden beschleunigen?
Kann die KI erkennen, wenn ein Verkäufer im Laden gerade wieder dabei ist, einen unerfahrenen Kunden mit Laptop, Tablet, Smartwatch und zig Verträgen einzudecken, weil sonst sein Monatseinkommen nicht reicht, um Frau und Kinder daheim zu ernähren?
Kann die KI dafür sorgen, dass Kunden erster genommen werden, wenn sie ein Problem haben und einen Ansprechpartner suchen, der das Problem a) versteht und b) auch lösen kann?
Oder kann die KI dafür sorgen, dass es viele Probleme gar nicht gibt, weil die Abläufe klar und verständlich sind, dass beispielsweise Tarife radikal vereinfacht und von störanfälliger Rabattitis oder unverständlichen Cash-Back-Orgien befreit werden?
Keine Frage: Eine immer komplizierter erscheinende Welt wird auf die Dauer nur mit raffinierter Technik beherrschbar. Aber manchmal wünscht man sich einfachere Vorgänge und Abläufe, die man auch ohne BWL-Studium verstehen und zum eigenen Nutzen anwenden kann.
Eine KI von Google will verhindern, dass die Anrufer an der Hotline künftig ewig lange eine Warteschleifenmusik hören müssen.